Politik

Ein Jahr nach dem Rechtsruck So verändert Kaczynski Polen

Kaczynski und Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Vorabend des polnischen Unabhängigkeitstages.

Kaczynski und Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Vorabend des polnischen Unabhängigkeitstages.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Vor einem Jahr erfüllte sich Jaroslaw Kaczynskis Traum: Seine nationalkonservative Partei PiS erhielt die absolute Mehrheit in Polens Parlament und Senat. Seitdem krempelt er das Land um - trotz Entrüstungsstürmen im In- und Ausland.

Sie haben die absolute Mehrheit in Polens Parlament und Senat, mit Präsident Andrzej Duda auf ihrer Seite sind sie kaum zu bremsen: Seit einem Jahr baut die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das Land um. Soziale Wahlversprechen wie ein großzügiges Kindergeld bescherten den Nationalkonservativen laut Experten den Sieg.

Neueste Umfragen zeigen: Die PiS ist noch immer stärkste Kraft im Land - dabei greift sie umfassend in staatliche Institutionen und die rechtsstaatliche Ordnung ein:

- Entmachtung des Verfassungsgerichts: Seit Amtsantritt treibt die PiS eine Justizreform voran, die das Tribunal davon abhalten soll, die Regierung zu kontrollieren, wie Experten sagen. Mitunter hindert die Partei von ihren Vorgängern ernannte Richter daran, ihr Amt auszuüben. Nachträglich wählte sie eigene Kandidaten. Dies sei verfassungswidrig, urteilte das Verfassungsgericht in eigener Sache. Doch das will die Warschauer Regierung nicht anerkennen. Juristen sehen Polens Gewaltenteilung und Demokratie in Gefahr. Alarmiert schaltete sich die EU-Kommission ein. Sie verlangt von den Regierenden, die umstrittene Reform zu ändern. Diese widersetzen sich. Könnten sie damit ungestraft durchkommen? Sanktionen müssten von den anderen EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden, dies lehnte Ungarn bereits ab.

- Kontrolle der Medien: Die PiS nahm vor einem Jahr auch die öffentlich-rechtlichen Medien in ihr Visier. Vorstände von Fernsehen, Rundfunk und Co. werden seit einer Reform von der Regierung ernannt. Die Auswirkungen sind nicht zu übersehen: Zahlreiche Journalisten wurden entlassen und durch Kandidaten katholischer und nationalkonservativer Medien ersetzt. Werte, die die PiS nicht nur im Regierungsprogramm stärker hervorheben will. Diesen Einfluss des Staates werten Journalistenverbände als Gefahr für die Pressefreiheit. Nicht ohne Grund, wie das Beispiel der Nachrichtensendung "Wiadomosci" beim Sender TVP zeigt. Sie geriet wiederholt wegen einseitiger Berichterstattung und Zensur in die Kritik. Internationalen Protest gab es, als im Juli mahnende Worte von US-Präsident Barack Obama an Polen als Lob dargestellt wurden. Viele Bürger betrachten dies als Propaganda und schalten ab. Quotenmessungen zeigen: Seit der Medienreform kämpfen die öffentlich-rechtlichen Sender mit Zuschauerverlusten.

- Strenges Abtreibungsrecht: Erst protestierten die Polen mit der Fernbedienung, ein drohendes Abtreibungsverbot brachte im Oktober dann landesweit Zehntausende Menschen auf die Straße. Mit Erfolg: Erstmals rückte die sonst unnachgiebige Regierung von einem Vorhaben ab. Allerdings war es nicht ihr eigenes. Eine konservativ-katholische Bürgerbewegung hatte mit dem Gesetzentwurf Abtreibungen verbieten und sogar unter Haft stellen wollen. Durch die Proteste aufgeschreckt verwarf die PiS, die der katholischen Kirche nahesteht, jedoch kurzerhand das Gesetz - nicht ohne noch einmal zu drohen. Man wolle durchsetzen, dass Frauen in Zukunft auch stark missgebildete und zum Sterben verurteilte Kinder zur Welt bringen werden, um diese taufen und bestatten lassen zu können, sagte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur PAP. Statt verschärfter Abtreibungsgesetze brachte die PiS aber ein Programm zur Unterstützung schwieriger Schwangerschaften auf den Weg.

- Verschwörungstheorien: Eine moralische Grenze überschreiten die Regierenden nach Ansicht vieler Polen bei den wiederaufgerollten Ermittlungen der Flugzeugkatastrophe von Smolensk. Dass der Absturz der Präsidentenmaschine vor sechs Jahren kein Unglück, sondern ein Anschlag war, will die PiS-Partei mit Exhumierungen der Opfer beweisen und setzt sich dabei über Proteste Angehöriger hinweg, die in einem offenen Brief von einem "grausamen Akt" sprechen. Auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für Opfer eines stalinistischen Massakers in Katyn war die Maschine bei der Landung im Nebel in den Tod gestürzt. Alle 96 Passagiere starben, darunter auch der damalige Präsident Lech Kaczynski, Zwillingsbruder des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw. Kritikern zufolge nutzt dieser die Exhumierungen für politische Zwecke: Kaczynski wolle den Fall in die Länge ziehen und die Polen an den Ergebnissen der damaligen Ermittler, seiner politischer Konkurrenz, zweifeln lassen.

Quelle: ntv.de, Natalie Skrzypczak, dpa

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