"Völlig anderen Weg gehen" Söder beharrt auf Rückkehr zur Atomkraft
08.12.2023, 17:13 Uhr Artikel anhören
Wenn es nach Söder geht, feiern Atomkraftwerke ein Comeback in Deutschland.
(Foto: dpa)
Ginge es nach Markus Söder, würde die Atomkraft in Deutschland ein furioses Comeback feiern. Der CSU-Chef will die Kernenergie massiv ausbauen. Er kündigt dies als Ziel für eine mögliche künftige Regierungsbeteiligung an.
Im Falle einer Regierungsbeteiligung der Union nach der nächsten Bundestagswahl setzt CSU-Chef Markus Söder auf einen massiven Ausbau der Kernenergie in Deutschland. "Unser Ziel muss sein, tatsächlich neue Kernkraftwerke - kleinere mit einer ganz anderen Energieleistung, mit einer ganz anderen Absorption von möglichem Müll - anzunehmen", sagte der bayerische Ministerpräsident nach einer Sitzung des Parteivorstands in München. Zusammen mit der Kernfusion, die dann noch dazukomme, müsse die Energiepolitik Deutschlands bis zum Jahr 2040 auf völlig neue Beine gestellt werden.
Söder betonte, Deutschland sei wegen der Ampel-Regierung in der Energiepolitik ein Geisterfahrer und ein Außenseiter. Etwa 20 Staaten, darunter die USA, Frankreich, Großbritannien sowie das Gastgeberland Vereinigte Arabische Emirate, hatten auf der UN-Klimakonferenz in Dubai in der vergangenen Woche ebenfalls zu einem Ausbau der Atomkraft aufgerufen. Zu den Unterzeichnern zählen auch Belgien, Finnland, Japan, Polen, Schweden und die Ukraine, nicht aber Russland und China, die ebenfalls über eine größere Zahl von Atomkraftwerken verfügen. Der US-Klimabeauftragte John Kerry hatte auf Aussagen aus der Wissenschaft verwiesen, wonach Klimaneutralität bis 2050 ohne Atomkraft "nicht erreichbar ist".
Wenn für Deutschland neben niedrigen Energiepreisen die Klimaneutralität der wichtigste Ansatz sei, so Söder, dann brauche es auch dringend eine andere Energiestrategie. "Der Rückfall in Kohle ist eine Klimasünde bis zum Ende des Jahrzehnts. Ich kann da nur dringend davon abraten." Die Reaktivierung der abgeschalteten deutschen Meiler sei nicht ausreichend, sagte Söder weiter. "Wir werden, sollten wir die Verantwortung ab 2025 tragen, einen völlig anderen Weg gehen und nicht nur ein paar alte Kernkraftwerke reaktivieren."
Zehn Prozent Energieerzeugung aus Atomkraft
In Deutschland wurden am 15. April die drei letzten Atomkraftwerke Isar 2 (Bayern), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen) abgeschaltet. Der Atomausstieg geht auf einen Beschluss zurück, den die Bundesregierung noch zu Zeiten der Kanzlerschaft von Angela Merkel auch mit den Stimmen der CSU durchgesetzt hatte. Söder und auch CDU-Chef Friedrich Merz hatten dies wegen der Energiekrise infolge des Krieges in der Ukraine wiederholt massiv kritisiert und anfangs zumindest einen späteren Atomausstieg gefordert.
Sie fürchten perspektivisch insbesondere im Süden Deutschlands steigende Strompreise. Die Unterschiede im Strompreis liegen daran, dass die Kosten für den Netzausbau auf die Verbraucher der Region umgelegt wird - auch wenn der Strom viel weiter transportiert wird. Da bislang vor allem der Norden Deutschlands auf Windkraft setzt, ist er finanziell stärker belastet. Die Strompreisreform, die die Bundesnetzagentur anstrebt, soll dies ausgleichen. Gerade Bayern - und damit Söder - sprach sich allerdings im August vehement gegen unterschiedliche Strompreiszonen aus.
Der Anteil der Atomkraft zur Energieerzeugung an der weltweiten Stromerzeugung liegt derzeit bei knapp zehn Prozent. Der Höchststand hatte 1996 bei 17,5 Prozent gelegen. In Deutschland war Atomkraft nie die wichtigste Energiequelle, selbst zu Hochzeiten der nuklearen Stromerzeugung lag der Anteil nur bei gut einem Drittel der jährlichen Stromgewinnung.
Nicht berücksichtigt in der Kritik wird häufig die Endlagerung der radioaktiven Abfälle. Für den "sicheren Einschluss" von Brennstäben, Reaktorwänden und anderen verstrahlten Bauteilen rechnen Bund und Länder mit einer Lagerdauer von rund einer Million Jahren. Zudem gibt es bei Atomkraftwerken immer wieder Störungen oder gar schlimme Reaktorunfälle wie in Fukushima. Französische Kernkraftwerke mussten im Frühjahr sogar vorsorglich abgeschaltet werden - und konnten so keine Energie erzeugen. Wegen dieser Probleme hatte Frankreich bereits 2022 so wenig Strom produziert wie seit drei Jahrzehnten nicht.
Quelle: ntv.de, ara/dpa