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Geht ohne AKWs das Licht aus? Zahlen, Daten, Fakten zum deutschen Atomausstieg

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Der Traum von der sorglosen Stromerzeugung: Blick auf das Schaltpult im Versuchskraftwerk Kahl.

Der Traum von der sorglosen Stromerzeugung: Blick auf das Schaltpult im Versuchskraftwerk Kahl.

(Foto: picture-alliance / akg-images / Fred Kraus)

Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke sind vom Netz: Mit dem Aus für die Reaktoren Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 ist die nukleare Stromerzeugung in Deutschland Geschichte. Was bleibt nach 63 Jahren Kernenergie? Und was kommt künftig aus der Steckdose?

Die Hoffnungen waren groß, die friedliche Nutzung der Kernenergie versprach billigen Strom aus zentralen Großkraftwerken: Im Jahr 1960 ging der erste deutsche Meiler in Betrieb. Ein eigens geschaffenes Atomgesetz ermöglichte der damals noch jungen Bundesrepublik den Einstieg ins Nuklearzeitalter.

Das Versuchskraftwerk Kahl in Karlstein am Main lieferte ab 1960 mit einer installierten Leistung von 15 Megawatt vergleichsweise günstigen Strom - nach milliardenschweren Investitionen in die Forschung. An die Folgekosten und die Endlagerung der strahlenden Abfälle dachten Befürworter des Atomstroms damals nicht. 63 Jahre später gehen die letzten drei deutschen Meiler vom Netz.

Jahrzehntelange trug die Kernenergie dazu bei, den Industriestandort Deutschland mit Elektrizität zu versorgen. Wichtigste Energiequelle war die Atomkraft in Deutschland aber nie. Selbst in den Hochzeiten der nuklearen Stromerzeugung lag der Anteil nur bei gut einem Drittel der jährlichen Stromgewinnung.

Seit dem Jahr 2000 ging die Bedeutung immer weiter zurück. Grund war die schrittweise Abschaltung älterer Meiler. Ab 2011 - dem Jahr der Atom-Katastrophe in Fukushima - überrundeten die Erneuerbaren Energien erstmals den Atomstrom. Seitdem ist die Stromerzeugung mit Solar-, Wind-, Geothermie-, Biomasse- und Wasserkraftwerken für Deutschland energietechnisch von größerer Bedeutung.

Atomkraftwerke erzeugen unabhängig von Wind- und Wetterlage Strom in großen Mengen. Nach den ersten Anfängen am Kraftwerk Kahl wurden in Deutschland insgesamt 36 weitere Reaktoren gebaut. In der Liste der "kerntechnischen Anlagen", wie sie im Behördendeutsch offiziell heißen, finden sich höchst umstrittene Projekte.

Dazu kamen schwergewichtige Investitionsruinen wie der "schnelle Brüter Kalkar" oder massiv umstrittene Großprojekte wie etwa die nie fertiggestellte "Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf".

Bekannte Meiler-Standorte wie Biblis, Brokdorf, Krümmel, Grafenrheinfeld oder Mühlheim-Kärlich wecken Erinnerungen an intensive gesellschaftliche Auseinandersetzungen und teils massive öffentliche Proteste. Jahrzehntelang beherrschten die Namen einst verschlafener Ortschaften die Hauptnachrichten.

Die Betonkuppeln der Reaktorgebäude und die weithin sichtbaren Kühlturme wurden zum Symbol für die Debatten um Restrisiken, Investitionskosten, etwaige Störfälle, Laufzeiten und verbleibende Altlasten. Ein Blick auf die tatsächliche Nutzungsdauer der Atomkraftwerke wirft ernste Fragen auf: Hat sich der Einstieg in den Atomstrom unterm Strich gelohnt?

Die eigentliche Betriebsphase einer typischen Reaktoranlage ist vergleichsweise kurz. Das Atomkraftwerk Isar 2 zum Beispiel - der leistungsstärkste deutsche Reaktor und zeitweise einer der ertragsreichsten Meiler der Welt - war lediglich 35 Jahre am Netz. Die erste Genehmigung zum Bau stammt aus dem Jahr 1979.

Die Errichtung am Standort Ohu an der Isar bei Landshut erschien unkompliziert: Das Projekt Isar 2 sollte auf dem Gelände des Vorgängerkraftwerks Niederaichbach entstehen. Der Bau konnte dennoch erst 1982 starten. Am 9. April 1988 speiste der Druckwasserreaktor von Isar 2 erstmals im kommerziellen Betrieb Energie ins deutsche Stromnetz ein.

Seitdem wurden im AKW Isar 2 insgesamt knapp 370.000 Gigawattstunden Strom erzeugt. Was viel klingt, ist tatsächlich überschaubar: Beim derzeitigen Ausbauzustand der Windenergie müssten sich alle deutschen Windräder nur knapp drei Jahre drehen, um auf Zahlen in ähnlicher Größenordnung zu kommen: Allein im zurückliegenden Jahr haben Windkraftanlagen in Deutschland rund 123.500 Gigawattstunden beigesteuert. Jahr für Jahr kommen neue Anlagen hinzu.

Energie, so scheint es, ist genug da: Ein Problem liegt nur in der Verfügbarkeit. Anders als Atomkraftwerke liefern Solaranlagen und Windräder nicht immer genau dann ausreichend Strom, wenn er auch gebraucht wird. Die Speicherkapazitäten sind beschränkt. Die Energieversorger nutzen bisher vor allem Pumpspeicherkraftwerke, um in Zeiten erhöhten Bedarfs schnell Strom ins Netz speisen zu können.

Es gibt auch nach dem Atomausstieg noch genügend Alternativen, die unabhängig von der Sonneneinstrahlung und der Windstärke konstant und verlässlich Strom erzeugen können. Biomasse-Kraftwerke zum Beispiel stellten in den vergangenen Jahren schon durchgehend mehr Energie zur Verfügung als die letzten in Deutschland verbliebenen Atomkraftwerke.

Groß wirkt die Lücke, die die letzten drei Meiler in der deutschen Energieversorgung hinterlassen, also nicht. Eine weitaus größere Rolle im deutschen Strommix spielen nach wie noch die fossilen Energieträger: Die Verbrennung von Kohle, Erdgas und Öl dürfte in der Übergangszeit den Bedarf nach planbarer Energie ersetzen - mit entsprechenden Nachteilen in der Klimabilanz.

Gut vorbereitet ist Deutschland offenkundig nicht: Im Rückblick auf die letzten 23 Jahre Atomausstiegsdebatte war nicht nur die die Ausbaugeschwindigkeit bei den Erneuerbaren viel zu langsam. Auch die Neuausrichtung der gesamten deutschen Energieinfrastruktur und die Kapazitäten zur Umwandlung überschüssiger Solar- und Windstrommengen etwa in Wasserstoff hinken der politischen Weichenstellung noch weit hinterher.

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Und offen ist auch noch immer, wo und wie genau die radioaktiven Abfälle aus sechs Jahrzehnten atomarer Stromerzeugung dauerhaft untergebracht werden können. Die Endlagersuche dauert an. Für den "sicheren Einschluss" von Brennstäben, Reaktorwänden und anderen verstrahlten Bauteilen rechnen Bund und Länder mit einer Lagerdauer von rund einer Million Jahren.

Vor der zeitlichen Dimension dieser Aufgabe drohen alle kurzfristigen Vorteile der Nuklearenergie zu verblassen. Kein einziges deutsches Atomkraftwerk lief länger als 37 Jahre.

Quelle: ntv.de, mit Material von Laura Stresing und Christoph Wolf

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