Die mit Spannung erwartete Verzichtserklärung von Markus Söder ist so knapp wie wuchtig: Bayerns Ministerpräsident lässt keinen Zweifel daran, dass sich die CDU seines Erachtens für den falschen Kanzlerkandidaten entschieden hat.
Am Dienstag, den 20. April 2021, ist ein weiteres Kapitel im Machtkampf zwischen CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet geschlossen worden. Das letzte Kapitel war es eher nicht, so viel hat der ambitionierte Franke deutlich gemacht. "Die Würfel sind gefallen, Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union", sagt Bayerns Ministerpräsident, nachdem in der Nacht noch einmal die übergroße Mehrheit von Präsidium und Vorstand der CDU für Laschet votiert hatte. Wer aber mit einer Wahlempfehlung für Laschet rechnet oder zumindest mit ein paar netten Worten über den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, wird umgehend eines Besseren belehrt.
"Wir haben ein Angebot gemacht", sagt Söder über seinen späten Alleingang, nachdem das ganze Land über Monate gerätselt hatte, was der 54-Jährige vorhat. "Wir haben für dieses Angebot unglaublich viel Zuspruch erhalten." Die Auflistung, wer sich alles für Söder ausgesprochen habe, nimmt den größten Teil von Söders Statement ein, dessen Kürze im Kontrast steht zu seinen sonst sehr ausführlichen Presseauftritten.
Er bedanke sich "bei vielen, vielen Orts- und Kreisverbänden in der CDU besonders", "bei den Jungen, bei den Modernen; bei denen, die auf Zukunft aus waren", "bei vielen mutigen Abgeordneten, die entgegen der üblichen Parteisolidarität offen gesagt haben, was sie denken", "bei nahezu allen Ministerpräsidenten, die gerade in den letzten Tagen noch einmal Unterstützung gezeigt haben" und "ganz besonders bei unglaublich vielen Bürgerinnen und Bürgern, die Unterstützung gezeigt haben" - und zwar "überall aus Deutschland".
Um des lieben Friedens Willen
Söders Auftritt wirft die Frage auf: Wer war eigentlich für Armin Laschet? Also abgesehen von den Nicht-Modernen und Abgeordneten, die - in dieser Lesart - nur aus Partei-Disziplin zu feige waren, sich öffentlich zu Söder zu bekennen? Laschets Kandidatur, diese Auffassung macht Söder mit seiner Aufzählung noch einmal deutlich, gehe fast ausschließlich auf die obersten Parteigremien der CDU, Vorstand und Präsidium, zurück. Dass er diese in der vergangenen Woche als "Hinterzimmer" abqualifiziert hatte, brachte Söder scharfe Kritik von Wolfgang Schäuble und Annegret Kramp-Karrenbauer sowie den Vorwurf des Populismus ein.
Dass Söder sich dennoch fügt, macht er "aus Verantwortung für die Union", sagt er und beteuert erneut: "Wir wollen keine Spaltung." Es gebe kein Kreuth 1976, als Helmut Kohl und Franz Josef Strauß aneinandergerieten, und auch keinen Sommer 2018, als CDU und CSU nicht zuletzt wegen Söder selbst kurz vor dem Bruch standen. Söder, das macht er deutlich, gibt nur um der Einigkeit der Parteiengemeinschaft willen nach. Etwas, das Laschet nicht getan hat, könnte man Söder als unausgesprochene Botschaft in den Mund legen.
"Es wird sicher noch Diskussionen geben"
Söder sagt: "Ich habe Armin Laschet angerufen und ihm gratuliert." Und: "Ich habe ihm meine Unterstützung angeboten." Das beteuert er noch einmal: "Wir werden ihn ohne Groll und auch mit ganzer Kraft unterstützen, das kann ich Ihnen persönlich, aber ich denke auch im Namen der CSU sagen", verspricht Söder. Dass das Kapitel Machtkampf hiermit beendet ist, glaubt Söder selbst nicht: "Es wird sicher noch Diskussionen geben, aber wir werden sicherlich unseren Beitrag zum gemeinsamen Erfolg leisten."
Söder sagt, er und die CSU wünschten "Armin Laschet für die schwierige Aufgabe, die vor ihm steht, viel Erfolg". Es war der Franke, der in den vergangenen zehn Tagen öffentlich das dramatischste Bild von der Lage der Union gezeichnet hatte. Angesichts einer so schwierigen Ausgangslage vor der Bundestagswahl schien das Argument seiner Beliebtheit in den Umfragen noch schwerer zu wiegen als ohnehin schon.
Ein Wort darüber, dass Laschet seiner "schweren Aufgabe" gewachsen sein könnte, verliert Söder in diesem Statement nicht. Das kann ihm wahlweise als ehrlich oder auch als giftig ausgelegt werden. Der Vergleich zur derzeit größten Konkurrenz der Union, den Grünen, fällt jedenfalls ungünstig aus: Dort hatte sich der Co-Vorsitzende Robert Habeck am Montag ohne Wenn und Aber hinter die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gestellt, auch wenn er es selbst gerne gemacht hätte.
Blume wird "persönlich"
Nach dreieinhalb Minuten übernimmt das Wort CSU-Generalsekretär Markus Blume, der in diesem großen Ränkespiel seinem Parteichef bald zwei Wochen lang kaum einmal von der Seite gewichen war. Dass Blumes folgende, vorbereitete Worte auch mit Söder abgestimmt sind, ist offensichtlich. "Lassen Sie mich ganz persönlich sagen: Markus Söder war erkennbar der Kandidat der Herzen", so Blume. Bayerns Regierungschef habe in den letzten Tagen gezeigt, "welche Zugkraft er für die Union entfalten kann". Nun habe sich Söder "in den gemeinsamen Dienst der Sache gestellt". Beide CSU-Granden sind erkennbar bemüht, den von Laschet erhobenen Vorwurf einer "Ego-Show" herunterzukochen.
Söder betont, er habe sein Wort vom Montag gehalten, sich der Entscheidung der großen Schwesterpartei zu fügen. Er wird, davon ist auszugehen, sich tatsächlich hinter Laschet stellen. Auch die CSU will und braucht einen Sieg der Union bei der Bundestagswahl. Sollte es aber in den Umfragen nicht bald bergauf gehen, hat Söder sicherheitshalber schon einmal öffentlich hinterlegt, für wie falsch er und die CSU die Entscheidung zugunsten des CDU-Chefs halten. Auszüge dieser Verzichtserklärung haben gute Chancen, am Abend des 26. September bei der Analyse des Bundestagswahlergebnisses ausgestrahlt zu werden.
Quelle: ntv.de