Politik

"Autistische Züge" des KanzlersStrack-Zimmermann entschuldigt sich - aber nicht bei Scholz

30.05.2024, 16:32 Uhr
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"Dass ich mit meinem unbedachten Vergleich Menschen mit Autismus verletzt habe, tut mir sehr leid", sagt Strack-Zimmermann. (Foto: picture alliance/dpa)

Mit ihrer Unterstellung, Kanzler Scholz trage "autistische Züge", handelt sich Strack-Zimmermann heftige Kritik ein - vor allem aus der SPD. Jetzt rudert die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl teilweise zurück: Sie entschuldigt sich bei autistischen Menschen, nicht aber beim Kanzler.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat sich für ihre Aussage über angebliche "autistische Züge", die sie bei Bundeskanzler Olaf Scholz ausgemacht haben will, entschuldigt. Die Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl bat aber nicht den Kanzler um Entschuldigung, sondern die von Autismus betroffenen Menschen.

Zuvor war Strack-Zimmermann heftige Kritik aus der SPD entgegengeschlagen. Die Sozialdemokraten prangerten dabei vor allem Scholz' Pathologisierung durch Strack-Zimmermann an, teilweise aber auch die Diskriminierung von Autisten. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) vom Mittwoch unterstellte Strack-Zimmermann dem Kanzler, "geradezu autistische Züge" zu haben, und zwar "sowohl was seine sozialen Kontakte in die Politik betrifft als auch sein Unvermögen, den Bürgern sein Handeln zu erklären". Sie fügte an, Scholz sei ein "krasser Rechthaber", den niemand erreiche.

Strack-Zimmermann trieb Scholz in den vergangenen Jahren vor allem bei der Frage nach Waffenlieferungen für die Ukraine vor sich her. Als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses warf sie ihm immer wieder Zögerlichkeit vor. Ihre Kritik an Scholz im NOZ-Interview wollte sie jedoch grundlegender verstanden wissen. "Das betrifft alle Belange und wird mir auch von seinen Parteifreunden bestätigt", sagte sie.

Strack-Zimmermann ist von Scholz noch immer "enttäuscht"

Am Morgen darauf ruderte Strack-Zimmermann nach Angaben des "Spiegel" am Rande einer Wahlkampfveranstaltung zurück. Sie entschuldigte sich bei betroffenen Menschen dafür, dass sie Autismus mit den Eigenschaften gleichgesetzt hatte, die sie am Kanzler stören. "Dass ich mit meinem unbedachten Vergleich Menschen mit Autismus verletzt habe, tut mir sehr leid, und dafür entschuldige ich mich bei allen Betroffenen." Die FDP-Politikerin sagte weiter: "Mit diesen stehe ich auch bereits im persönlichen Kontakt."

"Als jemand, der sich seit vielen Jahren für Kinder, Jugendliche und Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die zu Recht Sensibilität von der Gesellschaft erwarten können, einsetzt, bedaure ich es sehr, hier über das Ziel hinausgeschossen zu sein", so Strack-Zimmermann. Bei Scholz allerdings entschuldigte sie sich nicht und blieb bei ihrer Kritik. "Olaf Scholz hat mich mit seiner Art des Handelns und seiner Nichtkommunikation zutiefst enttäuscht und frustriert, da beides unserem Land nicht guttut", sagte sie.

Vor allem die SPD hatte zuvor empört auf Strack-Zimmermanns Äußerungen reagiert. "Das ist eine verbale Entgleisung, die ich absolut unanständig finde", sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil der "Bild"-Zeitung. "Wenn Frau Strack-Zimmermann Anstand hat, entschuldigt sie sich beim Bundeskanzler. Wir haben uns unter den demokratischen Parteien auf einen fairen Europawahlkampf verständigt, ich gehe fest davon aus, dass das auch für die FDP-Spitzenkandidatin gilt."

Kühnert kritisiert "respektlose Psychologisierung des Bundeskanzlers"

Die SPD-Europaspitzenkandidatin Katarina Barley kritisierte die Aussagen von Strack-Zimmermann im Gespräch mit der NOZ. "In Talkshows wird geschrien und beleidigt. Und nun erleben wir auch noch die Pathologisierung des Konkurrenten", sagte sie. "Das überschreitet eine rote Linie im demokratischen Wettbewerb." Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von einer "respektlosen Psychologisierung des Bundeskanzlers".

Zanda Martens, Vorsitzende der SPD Düsseldorf und Bundestagsabgeordnete in Strack-Zimmermanns bisherigem Bundestags-Wahlkreis, störte sich besonders daran, dass Strack-Zimmermann für "ihre Kritik am Politikstil des Kanzlers Worte wählt, die Menschen mit einer Entwicklungsstörung diskriminiert". Um Scholz zu diffamieren, habe die FDP-Spitzenkandidatin Menschen im autistischen Spektrum als sozial unvermögend über einen Kamm geschert. Auch Martens verlangte von Strack-Zimmermann eine Entschuldigung - nicht nur beim Kanzler, sondern auch "bei den Menschen, die sie rücksichtslos durch ihre Äußerung stereotypisiert hat".

Mit Strack-Zimmermanns Entschuldigung ist Martens nur teilweise zufrieden. "Frau Strack-Zimmermanns Einsicht gegenüber den Betroffenen kam spät, aber glaubwürdig", sagte sie. Eine Entschuldigung für die Entgleisung gegenüber dem Kanzler bleibe Strack-Zimmermann allerdings schuldig, so Martens.

Quelle: ntv.de, lve/dpa/DJ

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