Kein Ukraine-Krieg mehr mit ihm Trump präsentiert Update von sich selbst
11.05.2023, 06:47 Uhr Artikel anhören
Donald Trump wurde mit Fragen gelöchert und hielt auf seine Art dagegen.
(Foto: AP)
Bei einem ersten ausgiebigen Wahlkampfauftritt im Fernsehen macht Ex-US-Präsident Trump trotz Wahlniederlagen inhaltlich keine Zugeständnisse und wirft mit Nebelkerzen und glatten Lügen um sich. Und kommt damit durch. Der Ukraine-Krieg würde mit ihm "in 24 Stunden" beendet sein, behauptet er.
Eines ist sicher: Langweilig wird es mit Donald Trump auch im kommenden Wahlkampf garantiert nicht. Bei einem Auftritt im Townhall-Format beim Nachrichtensender CNN geriet er häufig in die Defensive, aber wand sich aus jeglichen harten Fragen nach seiner Vergangenheit sowie seiner möglichen Zukunft im Weißen Haus heraus. Zugeständnisse an Wähler der Mitte machte er bei der Veranstaltung keine, im Gegenteil.
Er hat keine Minute an der Seite von Moderatorin Kaitlan Collins verbracht, da spricht Trump schon von einer "gefälschten Wahl" um die Präsidentschaft, die er 2020 gegen Joe Biden verloren hatte. "Jeder hat es gesehen, außer, er war ein Idiot." Da hat er einen frühen ersten Lacher der überwiegend republikanischen Wähler im Publikum auf seiner Seite. "Wir werden zum Dritte-Welt-Land", pöbelt er, die Grenzen seien nicht sicher, die Preise explodierten - er wirft eine ganze Köderdose an Themen auf die Bühne.
Der folgende, mehr als einstündige Auftritt wird nach einem Muster ablaufen: Collins fragt scharf, Trump weicht aus oder beißt sich in Details fest. Zuschauer fragen butterweich und sachlich, Trump erzählt, was er will, woraufhin Collins nachhakt, aber auch kaum weiterkommt. Trump beendet kaum einen Satz, sondern reiht Andeutungen, Nebelkerzen, Halbwahrheiten oder glatte Lügen, Beschimpfungen und großkotzige Ankündigungen aneinander. Man könnte auch sagen: Trump präsentiert eine perfektionierte Version seiner selbst. Und das bei CNN, ein zu den Demokraten tendierender Sender, den Trump immer wieder beschimpft.
Die Veranstaltung findet in New Hampshire statt, der kleine Bundesstaat an der Ostküste, wo Anfang kommenden Jahres die ersten Vorwahlen der Republikaner stattfinden werden. Trumps Aussichten, erneut zum Kandidaten der Partei gewählt zu werden, sind derzeit ausgezeichnet. Doch um dann auch ins Weiße Haus zu kommen, braucht er die gemäßigten Wähler aus den Vorstädten, und insbesondere die Frauen. Diese Wählergruppen hatten dem Demokraten Biden den Sieg gebracht, weil sie genug vom Chaos der Trump-Jahre hatten.
Sturheit statt Reue
Collins oder den Fragenden ist es nahezu unmöglich, Trump eine definitive Aussage zu entlocken. Als die Moderatorin fragt, ob er aufhören wird, über Wahlbetrug zu reden, der nicht stattgefunden hat, verstrickt Trump sie in Details. "Lasst uns einfach gewinnen und unser Land wieder in Ordnung bringen", sagt er irgendwann. Für diese Plattitüde gibt es sogar Applaus. Collins macht weiter: Ob er tatsächlich wie angekündigt die Verfassung aussetzen würde, sollte er nicht gewinnen? Trump leugnet, dies je erwähnt zu haben und preist seine Verfassungstreue.
Ob er irgendetwas bereue von dem, was er vor dem 6. Januar getan hatte? Der Ex-Präsident beschuldigt die bei Republikanern so verhasste Demokratin Nancy Pelosi, und das Publikum lacht und applaudiert. Warum er drei Stunden gebraucht habe, um die Aufständischen zum friedlichen Rückzug aufzufordern? Trump behauptet, ein Posting von ihm sei gelöscht worden. Würde er die wegen des Aufstands Verurteilten als Präsident begnadigen? "Ich neige dazu, die meisten zu begnadigen (…)", und er beginnt davon zu reden, wie gefährlich "Antifa" sei, dass es zwei Justizstandards gebe. "In Washington bekommt man keinen fairen Prozess und in New York auch nicht."
Das wird zum Stichwort für Collins, die danach fragt, ob er befürchtet, wegen seiner Verurteilung zu fünf Millionen Dollar Strafe wegen sexuellen Missbrauchs Wähler zu verlieren. "Es gibt davon nicht viele, denn meine Umfragewerte sind nach oben gegangen", antwortet Trump spöttisch. Er bestreitet, die Klägerin je getroffen zu haben, beschimpft sie als verrückt und beklagt, das Gericht hätte nichts zugelassen zu seiner Verteidigung. "Ihr Hund oder ihre Katze hieß Vagina, das hat der Richter nicht zugelassen." Das Publikum amüsiert sich.
Ukraine-Krieg "in 24 Stunden beigelegt"
In Umfragen liegt Trump unter Republikanern bei über 50 Prozent Zustimmung. Sein bisheriger parteiinterner Hauptkonkurrent Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, kommt auf über 20 Prozent. Jeder, der zu einem solch frühen Zeitpunkt solche Werte erreicht hat, wurde später auch Kandidat seiner Partei.
Trump hat eine Vielzahl legaler Probleme, ihm drohen weitere Prozesse und Urteile. Etwa in der Anklage rund um die Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, oder als Folge der Ermittlungen des Justizministeriums rund um seinen Umgang mit Geheimdokumenten sowie über seine Rolle beim Umsturzversuch am 6. Januar 2021. Die Sonderermittler im Justizministerium gegen ihn nennt Trump an diesem Abend nicht zum ersten Mal "Verbrecher".
Es folgt eine Tour de Force durch konservative Positionen und knallharte Nachfragen, bei der sich Trump ebenso wenig beirren lässt. Gegen die 700 Millionen Waffen im Land und viele Menschen mit mentalen Problemen würden nur Waffen zur Selbstverteidigung helfen, meint er. "Nicht die Waffe, sondern die Person drückt ab." Dafür gibt es Applaus.
Trump behauptet erneut, mit ihm als Präsidenten hätte Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine nie angreifen lassen; sie hätten darüber geredet. "Putin ist schlau, aber er hat einen riesigen Fehler gemacht." Wenn er gewählt würde, "wäre der Krieg in 24 Stunden beigelegt", behauptet Trump, indem er sich sowohl mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Putin träfe. Ob er wolle, dass Ukraine oder Russland den Krieg gewinne? "Ich will, dass das Sterben aufhört", antwortet er. Europa müsse mehr Geld geben, da es die USA ausnutze und wesentlich mehr zahlen lasse. "Sie lachen uns aus, sie denken, wir sind ein Haufen Idioten."
Vermintes Thema Abtreibungen
Wie er weibliche Wähler für sich gewinnen wolle, fragt eine Frau aus dem Publikum, insbesondere nach der Entscheidung des Supreme Court, das allgemeine Recht auf Abtreibung abzuschaffen. Trump spricht von einem großen Sieg und lobt sich selbst dafür, damit "viele Leben" gerettet zu haben. Trump hatte drei neue, konservative Richter vorgeschlagen, die das historische Urteil gestützt hatten.
Einer Vielzahl von punktgenauen Nachfragen über seine Absichten zum Abtreibungsrecht weicht er aus, behauptet, die Demokraten wollten "bis zum 9. Monat" Abbrüche erlauben. Das Thema ist vermint, auch für Republikaner. Bei den Kongresswahlen im vergangenen Jahr fuhren die Konservativen vor allem ein so bescheidenes Ergebnis ein, weil Frauen und andere Wähler nicht damit einverstanden waren, dass ihnen etwas verboten wurde.
Zur Lage an der Südgrenze sagt Trump, die USA bräuchten keine neuen Flüchtlinge und mutmaßt, es würden "15 Millionen" Menschen nach Norden kommen. Sein Mittel dagegen? Man müsse den Familien sagen, sie würden auseinandergerissen, dann würden sie auch nicht kommen.
Dann, für die letzten Minuten, stehen Trump und Collins, und es wird richtig hitzig. Es geht um die Geheimdokumente, Trump sieht sich im Recht, er habe sie aufbewahren dürfen, die Moderatorin bohrt immer wieder, irgendwann platzt dem Ex-Präsidenten der Kragen. "Sie sind eine bösartige Person", sagt er Collins ins Gesicht. Das Publikum jubelt über die Beleidigung. Trump hatte in der Vergangenheit schon häufiger Frauen als "bösartig" bezeichnet, etwa seine Konkurrentin Hillary Clinton im Präsidentschaftswahlkampf 2016.
Collins lässt sich nichts anmerken und fragt, ob er das Ergebnis der kommenden Wahl 2024 akzeptieren würde, unabhängig vom Ausgang? "Wenn es eine faire Wahl ist, ja", versichert er. Eine Niederlage eingestehen, das wäre verglichen mit dem Status quo für Trump und die Republikaner fraglos ein Fortschritt.
Quelle: ntv.de