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Etliche Boote beschlagnahmt Tunesien nimmt Hunderte Migranten und viele Schlepper fest

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Aktuell versuchen viele Menschen aus Nordafrika auf die italienische Insel Lampedusa zu gelangen.

Aktuell versuchen viele Menschen aus Nordafrika auf die italienische Insel Lampedusa zu gelangen.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Mit einem Großeinsatz gehen tunesische Behörden gegen Migranten und verdächtige Schlepper vor. Angeordnet wird das Vorgehen von Präsident Saied - mit dem die EU einst einen umstrittenen Deal abgeschlossen hat. Auf einem Migrantenboot wird derweil ein totes Neugeborenes gefunden.

Die tunesischen Sicherheitskräfte sind mit einem Großaufgebot gegen Migranten und Schlepper in mehreren Küstenstädten vorgegangen, um die illegale Einwanderung nach Italien zu unterbinden. Hunderte Migranten und zahlreiche Schlepper seien festgenommen worden, berichteten Augenzeugen und Behörden. Flugzeuge und Anti-Terror-Einheiten waren im Einsatz, was nach Regierungsangaben von Präsident Kais Saied angeordnet wurde. Es habe zahlreiche Razzien gegeben. Etliche Boote seien beschlagnahmt worden.

Seit Wochen kommen täglich viele Hunderte Menschen in überfüllten Booten auf der italienischen Insel Lampedusa an. Vor deren Küste entdeckte die italienische Küstenwache der Nachrichtenagentur Ansa zufolge bei einem Rettungseinsatz auf einem Migrantenboot ein totes Neugeborenes. Es sei auf der Überfahrt zur Welt gekommen und kurz nach der Geburt gestorben. Lampedusa wird derzeit von zahlreichen Schlepperbooten angesteuert, die aus Nordafrika kommen. Die Mittelmeerinsel liegt nur rund 140 Kilometer östlich der Küste Tunesiens. Sie trägt wegen ihrer Nähe zu Nordafrika derzeit die Hauptlast der illegalen Migration.

Behörden durchsuchten Häuser

Ziel des Großeinsatzes der tunesischen Sicherheitskräfte waren daher die Küstenstädte Sfax, Jebiniana, Kerkennah und Msatria. Sfax ist der wichtigste Abfahrtshafen für die Schlepperboote. Einheiten der tunesischen Nationalgarde durchsuchten laut Augenzeugen und Behörden zahlreiche Häuser, in denen sich Hunderte Migranten aufhielten und auf eine Überfahrt über das Mittelmeer warteten. Die Sicherheitskräfte stoppten Lastwagen, die Menschen zu den Stränden transportierten, und beschlagnahmten Schlepperboote.

Um die Menschenschmuggler festzunehmen, setzten die Spezialkräfte Flugzeuge ebenso ein wie Suchhunde und Militärfahrzeuge. Der Einsatz richte sich gegen Schmuggler, die mit der Angst frustrierter Menschen handelten, sagte Houssem Jbebli von der Nationalgarde vor der Presse.

Tunesien steht unter starkem Druck von Italien und der Europäischen Union, die im Gegenzug für die Eindämmung der illegalen Migration dem nordafrikanischen Land eine Milliarde Euro zugesagt hat, um seiner angeschlagener Wirtschaft zu helfen. Doch allein an den vergangenen beiden Tagen kamen nach Angaben der örtlichen Behörden auf Lampedusa rund 7000 Migranten aus Nordafrika an - das sind mehr die 6000 Einheimischen der kleinen Mittelmeerinsel. Für den Deal mit Tunesien wurde die EU teilweise scharf kritisiert. Der autokratische Präsident Saied gilt als Israel-Hasser und beschimpfte Flüchtlinge einst als "migrantische Horden".

"Die Bewohner von Lampedusa sind müde"

Auf Lampedusa protestierten Bewohner am Samstag gegen den Plan, ein neues Zeltlager zur Unterbringung von Migranten zu errichten. "Ich habe zwei Kinder zu Hause", sagte ein Demonstrant. "In den vergangenen Jahren war mir dieses Thema egal." Jetzt aber glaube er, seine Kinder beschützen zu müssen, denn er wisse nicht, was in Zukunft mit Lampedusa geschehen werde. "Lampedusa sagt Stopp!", rief ein anderer. "Wir wollen keine Zeltlager. Diese Botschaft richtet sich an Europa und die italienische Regierung. Die Bewohner von Lampedusa sind müde."

In diesem Jahr sind laut Innenministerium in Rom rund 126.000 Migranten illegal eingereist, fast doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2022. Für die seit Oktober 2022 regierende rechte Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wird die Lage auf Lampedusa zunehmend zu einem Problem. Der stellvertretende Regierungschef Matteo Salvini hat wiederholt mangelnde Solidarität der anderen EU-Staaten beklagt. Meloni rief die EU auf, gemeinsam und "gegebenenfalls mit einem Marineeinsatz" die Migranten von der Überquerung des Mittelmeers abzuhalten. Einem EU-Vertreter zufolge wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einer Einladung Melonis folgen und die Insel am Sonntag besuchen.

Deutschland hat die freiwillige Aufnahme von Migranten gestoppt, ist laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu aber grundsätzlich bereit. Es sei "natürlich klar, dass wir unseren solidarischen Verpflichtungen auch nachkommen", sagte die SPD-Politikerin in der ARD. Am Mittwoch hatte die Bundesregierung mitgeteilt, den freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus zur Aufnahme von Flüchtlingen mit Italien ausgesetzt zu haben, weil das Land sich weigere, Geflüchtete in Deutschland nach den Dublin-Regeln der EU wieder zurückzunehmen. Nach dem Solidaritätsmechanismus hat sich Deutschland bereiterklärt, EU-Staaten zu helfen, die besonders stark von ankommenden Migranten belastet sind. Generell müssen aber Menschen, die sich etwa in Italien zuerst registrieren ließen, auch dort verbleiben.

Quelle: ntv.de, rog/rts

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