Zweifel an Strafbarkeit von Gedicht Verfahren gegen Böhmermann eingestellt
04.10.2016, 16:12 UhrDie Anzeige des türkischen Präsidenten Erdogan gegen den Moderator Jan Böhmermann bleibt folgenlos. Das Verfahren ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft Mainz eingestellt. Demnach gibt es Zweifel an der Strafbarkeit von Böhmermanns Schmähgedicht.
- "Nach dem Ergebnis der Ermittlungen waren strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen."
- Gegen ein Beleidigungsdelikt "könnte bereits sprechen, dass der Beitrag vom 31. März 2016 als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte (...)."
- "Überdies dürfte der Schutzbereich der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz eröffnet sein. (...) Dass mit einem Kunstwerk eine bestimmte Meinung zum Ausdruck gebracht wird, nimmt ihm nicht die Eigenschaft als Kunstwerk. (...) Dabei ist es der Kunstgattung der Satire und Karikatur wesenseigen, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten."
- "Insoweit ist bereits zu berücksichtigen, dass der Beitrag Bestandteil einer bekanntermaßen satirischen Fernsehsendung war und ein durchschnittlich informiertes verständiges Publikum mithin davon ausgehen dürfte, dass dort getätigte Äußerungen vielfach mit Übersteigerungen und Überspitzungen einhergehen und ihnen die Ernstlichkeit häufig fehlt."
- "Mit Blick auf die somit bewusst vorgenommenen, in der Tat "unsinnig" und absurd wirkenden Übertreibungen wird mangels entgegenstehender Erkenntnisquellen nicht zu belegen sein, dass der Beschuldigte einen ernstlichen Angriff auf den personalen oder sozialen Achtungs- und Geltungsanspruch des türkischen Staatspräsidenten billigend in Kauf nahm."
Die Staatsanwaltschaft in Mainz hat ihre Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan eingestellt. Wie die Behörde mitteilte, "waren strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".
Wie die Anklagebehörde weiter mitteilte, ist eine Beleidigung Erdogans nicht nachzuweisen, eben weil Böhmermann nicht ausdrücklich eine private Ansicht geäußert habe. Stattdessen habe das Schmähgedicht nur "als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen" sollen. Ferner sieht die Staatsanwaltschaft eine Geltung der Kunstfreiheit. Es sei "der Kunstgattung der Satire und Karikatur wesenseigen, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten", schreibt die Behörde.
Schutzbereich der Kunstfreiheit gilt
Böhmermann sei kein "vorsätzlich beleidigendes Handeln" nachzuweisen, schreibt die Staatsanwaltschaft. Dabei bezieht sich die Behörde auch auf Einlassungen Böhmermanns bei der Staatsanwaltschaft. Demnach war dem Beschuldigten "an einer derart übertriebenen und von der konkreten Person abgelösten Darstellung gelegen gewesen, dass die fehlende Ernstlichkeit und das Fehlen eines ernst gemeinten Bezuges zur persönlichen Ehre der Person jedem Hörer unmittelbar erkennbar sein sollten".
Die Staatsanwaltschaft schloss sich dieser Sichtweise an. Die Beleidigungen seien derart absurd und übertrieben, dass sich gar kein Bezug zu Erdogan herstellen lasse.
Der TV-Satiriker und Grimme-Preisträger Böhmermann hatte sein Gedicht "Schmähkritik" Ende März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragen. Er wollte damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik aufzeigen. Der Text handelt unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie und transportiert außerdem Klischees über Türken.
Der Vorfall führte zu erneuten Spannungen in den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen Ankara und Berlin. Die Mainzer Ermittlungen wurden möglich, nachdem die Bundesregierung eine Ermächtigung wegen des Strafverlangens der türkischen Regierung erteilt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts.
Allerdings soll eine Privatklage Erdogans gegen Böhmermann noch am 2. November in Hamburg vor Gericht kommen. Die Entscheidung in Mainz dürfte an der Alster aufmerksam verfolgt werden. Die Mainzer Staatsanwaltschaft machte deutlich, dass es auch keine Hinweise auf strafbare Handlungen bei den an Produktion und Ausstrahlung der Sendung Beteiligten gebe.
Quelle: ntv.de, shu/AFP