
"Er ist der Chef, er entscheidet", sagt Liminski (r.) über Laschet.
(Foto: imago images/Michael Gstettenbauer)
Sollte Armin Laschet ins Kanzleramt einziehen, würde er wohl NRW-Staatskanzleichef Liminski mitnehmen. Ein Spot der SPD thematisiert dessen vermeintliche Ansichten - und rückt den Mann aus dem Hintergrund ins Rampenlicht.
Fast scheint es, Nathanael Liminski würde jeden Moment mit dem Flammenschwert darniederkommen, um Sünder vom Angesicht der Erde zu tilgen. Diesen Eindruck könnte zumindest bekommen, wer derzeit Twitter-Kommentare zu seiner Person liest. Doch Liminski ist kein Erzengel. Liminski ist Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf.
Als Vertrauter und enger Berater von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bleibt Liminski meist im Hintergrund. Dass er derzeit im Scheinwerferlicht steht, hat mehrere Gründe: Erstens, weil es wahrscheinlich ist, dass er als Mitarbeiter des CDU-Chefs nach der Bundestagswahl mit diesem nach Berlin wechselt, in welcher Rolle auch immer. Zweitens, weil er in einem Wahlkampfspot der SPD genannt wird. Und drittens, weil dieser Wahlkampfspot eine Diskussion um Äußerungen Liminskis und den Einfluss erzkatholischer Kreise auf Laschet ausgelöst hat.
In dem SPD-Spot wird Liminski in Form einer Matrjoschka-Puppe als eine jener Personen beschrieben, die hinter Laschet stehen und bei dessen Wahlsieg an die Macht kämen. Erst kommt der wirtschaftsliberale Friedrich Merz, dann Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen, dann Liminski. "Wer Armin Laschet von der CDU wählt ... wählt erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist", heißt es zu Liminskis Porträt.
Der kurze Videoclip stieß prompt auf scharfe Kritik aus der CDU, vor allem aus dem NRW-Landesverband, aber auch aus der katholischen Bischofskonferenz. Die Sozialdemokraten wollen ihn nun nicht mehr verwenden - betonen aber, sie hätten das ohnehin nicht geplant. Von einem Tabubruch war die Rede, weil die SPD persönliche religiöse Ansichten im Wahlkampf ausgeschlachtet habe. Allerdings hat Liminski selbst seinen Glauben und seine Ansichten in die Öffentlichkeit getragen.
Papst-Fan und Keuschheit
Der 1985 in Bonn geborene CDU-Politiker entstammt einer konservativ-katholischen Familie, als achtes von zehn Kindern. Sein im Juni verstorbener Vater Jürgen Liminski war Journalist, trat bei rechtskonservativen Veranstaltungen auf und gehörte der umstrittenen erzkatholischen Organisation Opus Dei an, der Kritiker fundamentalistische Ziele zuschreiben. Nathanael war zeitweise sein Privatsekretär, mit Opus Dei habe er aber nie geliebäugelt, zitiert ihn die "Zeit".
Kein Wunder, dass der Sohn eine "nahtlose katholische Erziehung" genoss, wie es der "Spiegel" bezeichnete. Hinzu kommt das Engagement in Schüler- und Junger Union. Eng mit der Kirche verbunden war auch Liminskis erstes öffentliches Auftreten: Mit anderen jungen Katholiken gründete er 2005 kurz nach der Papstwahl Joseph Ratzingers und dessen Besuch des Weltjugendtages in Köln das Netzwerk Generation Benedikt, das sich inzwischen Initiative Pontifex nennt. Das Ziel: ein am Glauben ausgerichtetes Leben. Er schrieb für einen Blog von Sven von Storch, Ehemann der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch.
2007 erregte Liminski mit mehreren Medien-Auftritten Aufsehen. In der Sendung "Maischberger" diskutierte er unter dem Titel "Keuschheit statt Porno" über Sexualmoral - und sprach darüber, keinen Sex vor der Ehe haben zu wollen. Dem "Spiegel" wiederum sagte er im selben Jahr, dass er Abtreibungen für "ethisch nicht vertretbar" halte und nur in Ausnahmefällen verstehen könne. Bis heute scharf kritisiert wird eine homophobe Aussage: "Ich kenne viele Homosexuelle und einige tun mir leid. Der Staat muss schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern."
Es sind diese Äußerungen, die das Bild Liminskis bis heute prägen - auch seine Darstellung im Wahlkampfspot der SPD. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Liminski mindestens teilweise von seinen Aussagen distanziert hat. Dass die Sozialdemokraten ihm ausgerechnet vorwerfen, er sehe Sex vor der Ehe als Tabu, wirkt schon deshalb kurios, weil Liminskis erstes von vier Kindern vor der Hochzeit geboren wurde.
Dass er sein Zitat zu Homosexuellen heute so nicht mehr sagen würde, hat Liminski auch mehrfach mitgeteilt. "Für die soziale Stabilität einer Gesellschaft ist wichtig, dass Menschen in einer Partnerschaft verbindlich und verlässlich füreinander Verantwortung übernehmen", sagte er im April der "Süddeutschen Zeitung", "und das gilt selbstverständlich unabhängig von ihrem Geschlecht". Ähnlich wurde Liminski dieser Tage bei einer Veranstaltung der Lesben und Schwulen in der Union zitiert: "Natürlich werden in homosexuellen Partnerschaften Werte gelebt, die wichtig sind für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt." Unions-Aktivist Frank Sarsfeld dankte dem Staatskanzleichef für seinen Einsatz für queere Projekte in NRW.
"Maschinist der Macht" und "Laschetmacher"
Trotz der Relativierungen früherer Aussagen ist aber klar, dass Liminski - auch im Gegensatz zu seinem eher liberalen Chef Laschet - zum konservativen Teil der CDU gehört. Das wird auch an seinen beruflichen Stationen deutlich. 2010 wurde er Redenschreiber für den damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Später ging er ins Verteidigungsministerium, wo er unter Thomas de Maizière aufstieg und mit diesem ins Innenressort wechselte. Von hier ging es 2014 nach Nordrhein-Westfalen, als CDU-Fraktionsgeschäftsführer und Laschets Büroleiter. Mit diesem wechselte er 2017 von der Oppositions- auf die Regierungsbank, als einflussreicher Chef der Staatskanzlei.
Viele Stationen, auch in Büros von Abgeordneten und eines evangelikalen US-Politikers, bedeuten auch: zahlreiche Kontakte. Liminski gilt als begnadeter Netzwerker mit vielen Verbindungen, vor allem zu konservativen Katholiken. Und als talentierter Politiker. Er wurde als "politische Präzisionsmaschine", "Maschinist der Macht" und "Laschetmacher" beschrieben. "Nathanael ist jemand, der in unserem Land noch ganz andere Sachen machen kann", sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bereits 2018 über ihn. Beide sind befreundet, Ziemiak ist Patenonkel eines Liminski-Kindes.
Vielleicht war es die Mischung aus strategischem und politischem Talent, die Laschet dazu bewog, den 28-jährigen Liminski nach Düsseldorf zu holen - er soll händeringend um ihn geworben haben. Beide verbindet der katholische Glauben, auch der CDU-Chef hat eine nahezu nahtlose katholische Biografie, über die Familie seiner Frau auch Verbindungen zu Opus Dei. Die Rollenverteilung zwischen Ministerpräsident und Staatskanzleichef ist aber klar: "Er ist der Chef, er entscheidet", sagte Liminski einmal. Er koordiniert, berät und löst Probleme innerhalb der Landesregierung - im Landtag sitzt er direkt hinter Laschet.
Wie weit auseinander beide in politischen Fragen sitzen, ist dagegen schwer einzuschätzen. Liminski hat aus der Kritik an früheren Aussagen gelernt, nur noch selten äußert er sich öffentlich. Dabei geht es nicht um seine persönliche Haltung zu Sex vor der Ehe, sondern um politische Themen wie das Abtreibungsrecht. Liminski hatte in seinen beruflichen Stationen immer wieder Kontakte zur Lebensschutz-Bewegung. Bis 2020 saß er im Stiftungsrat der "Stiftung Familienwerte", die Verbindungen zu reaktionären, christlich-fundamentalistischen Gruppen hat. Wie er heute dazu steht, ist unklar. Das hat den Vorteil, dass liberale CDU-Wähler nicht verschreckt werden, konservative aber auch nicht enttäuscht. Davon profitiert auch Laschet.
Quelle: ntv.de