Politik

ntv-Experte klärt auf Wie unterscheiden sich Taliban, Al-Kaida und der IS?

Zeichen des Siegs über den Westen: Nahe der evakuierten US-Botschaft in Kabul verteilen die Taliban Flaggen und hängen Plakate auf.

Zeichen des Siegs über den Westen: Nahe der evakuierten US-Botschaft in Kabul verteilen die Taliban Flaggen und hängen Plakate auf.

(Foto: picture alliance / AA)

Die Lage in Afghanistan wird immer unübersichtlicher. Neben den Taliban treten in dem Land auch die Terrorgruppe "Islamischer Staat" und das radikal-islamische Netzwerk Al-Kaida gewaltsam in Erscheinung. So unterschiedlich ihre Ziele und Strategien sind, eint sie doch der gemeinsame Feind.

Explosionen, Schüsse, Schreie, mindestens 85 Tote. Afghanistan ist von einem Anschlag am Kabuler Flughafen erschüttert worden. Unter den Toten waren auch 13 US-Soldaten. Doch nicht die herrschende Taliban, sondern die Terrororganisation "IS" hat sich zu den Gräueltaten bekannt, reklamiert den Anschlag für sich.

Sie verfolgt in Afghanistan andere Interessen als die Taliban, das Terrornetzwerk Al-Kaida versucht in der Region ebenfalls wieder Einfluss zu gewinnen. Aber wer sind diese Organisationen überhaupt? Wie unterscheiden sie sich und wie gefährlich sind sie? Auch für Deutschland? RTL-Terrorismusexperte Michael Ortmann klärt auf.

Wer sind die Terrororganisationen?

  • Taliban: Erstmals in Erscheinung getreten sind die Taliban im Jahr 1984. "Sie sind eine Sammlungsbewegung aus den beiden Ländern Afghanistan und Pakistan", erklärt Ortmann. Innerhalb der Taliban gibt es unterschiedliche Gruppierungen. "Das macht auch die Gespräche und Verhandlungen mit ihnen so schwierig".
    Ein Kämpfer posiert mit der Taliban-Flagge in Kabul

    Ein Kämpfer posiert mit der Taliban-Flagge in Kabul

    (Foto: picture alliance / AA)

    Ihr Ziel: regionale Einflussnahme. "Sie wollen nicht den Islam in die Welt bringen, sondern in erster Linie in Afghanistan allein sein, ohne Fremde Einwirkung", beschreibt Ortmann.
  • Al-Kaida: Die Organisation wurden im Kampf der USA gegen den Kommunismus eingesetzt, um in Afghanistan die Kommunisten zu verdrängen. Ihr bekanntestes Gesicht: Osama bin Laden. Ihre bekannteste Tat: Die Terroranschläge am 11. September auf das World Trade Center. Ähnlich wie der "IS" ist auch Al-Kaida eine "transnationale terroristische Bewegung", wie Ortmann erklärt. Ihr Kampf gilt den Feinden Gottes, zu denen die USA als auch mit Washington verbündete arabische Führungen und Israel gehören.
  • IS: Die Terrororganisation Islamischer Staat – auch "IS" genannt – ging einst aus Teilen von Al-Kaida hervor. "Selbst Osama bin Laden hat diese Organisation als äußerst brutal beschrieben", sagt Ortmann. Das Ziel des "IS": "Sie wollen Europa und am besten die Welt erobern. Und um dieses Ziel zu erreichen hat der IS auf die höchstmögliche Brutalität gesetzt." Die Macht und die Einflussnahme des IS war 2014/2015 auf einem Höchststand, ist in den vergangenen Jahren aber gesunken. Dennoch "gab es ein Überbleibsel dieser Gruppierung, die sich in den Untergrund zurückgezogen hat und sich jetzt in Teilen wieder neu formieren", klärt Ortmann auf.

Was sind die Gemeinsamkeiten?

"Es gibt einen gemeinsamen Nenner. Sie sind gegen westliche Werte", sagt Ortmann und erklärt: "Westliche Werte, das ist die Demokratie, das sind Wahlen, das ist die Gleichberechtigung der Geschlechter, das ist die Trennung von Re ligion und Politik, das ist eine unabhängige Justiz. Das finden alle drei ganz schrecklich."

Sie wollen die Scharia - das islamische Rechtssystem - als die Grundlage gesellschaftlichen Lebens. Wichtigste Quellen der Scharia sind der Koran sowie die Sammlung überlieferter Sprüche des Propheten Mohammed. Von den Gelehrten der Terrorgruppen werden sie in radikaler Art und Weise gedeutet. "Alle Organisationen verbieten sich auch jegliche Einmischung durch Nationen, die sie als demokratische Nationen wahrnehmen, weil das überhaupt nicht ihren Werten entspricht", sagt Ortmann.

Was sind die Unterschiede?

Während der "IS" und die Al-Kaida laut Ortmann eine "transnationale Agenda" verfolgen, also die Errichtung eines Gottesstaates, der über die Grenzen des Mittleren Osten hinausführt, verfolgen die Taliban regionale Ziele, wollen also die Macht in Afghanistan sichern und ausbauen.

Wie gefährlich sind die Gruppierungen?

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Der "IS" habe in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren. Anschläge wie in Paris 2015 seien zwar immer noch denkbar, "aber bei weitem nicht mehr so einfach durchzuführen." "Al-Kaida hat dagegen im Windschatten der Jagd nach dem IS, die Möglichkeit gehabt, sich wieder aufzufrischen und neue Strukturen zu schaffen." Wie stark die Organisation aber in Zukunft aufgestellt sein wird, bleibe abzuwarten.

Fest steht: Nach dem Abzug der US-Truppen, wittern alle Terrorgruppen wieder verstärkt die Möglichkeit, Einfluss zu gewinnen und ihre Macht auszubauen. Im schlimmsten Fall könnte das auch für Europa und Deutschland fatale Konsequenzen haben.

Quelle: ntv.de

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