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Ukraine gelingt Vorstoß Zeichnet sich in Bachmut eine Wende ab?

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Ein Krieg ist immer auch ein Informationskrieg.

Ein Krieg ist immer auch ein Informationskrieg.

(Foto: REUTERS)

Die Ukraine macht an Bachmuts südlicher Flanke überraschend Geländegewinne. Wagner-Chef Prigoschin fürchtet sogar eine Einkesselung. Schnell drängt sich der Eindruck auf, dass sich in Bachmut das Blatt wendet. Doch diese Annahme wäre verfrüht.

Lange sah es so aus, als stehe Bachmut kurz vor dem Fall. Truppen der russischen Söldnermiliz Wagner hatten ihre Angriffe in den letzten Wochen nochmal verstärkt und Stück für Stück - und mit hohen Verlusten - die Stadt zu 90 Prozent erobert. Dann drehte sich plötzlich der Wind: Erst beschwerte sich Wagner-Chef Jewegni Prigoschin über eine schlechte Zusammenarbeit mit der regulären russischen Armee, dann drohte er den Rückzug seiner Truppen an, weil die versprochene Munition aus Russland fehle.

Die Wagner-Gruppe bleibt nun, vorgeblich wegen eingetroffener Munition, vorerst doch in Bachmut, den Ukrainern gelingt aber südwestlich der Stadt ein Durchbruch. Gut zwei Kilometer konnten sie Einheiten einer russischen Brigade und Wagner-Kämpfer laut eigenen Aussagen zurückdrängen. Prigoschin bestätigt den Vorstoß prompt mit den Worten, der "Fleischwolf" würde sich jetzt "in die umgekehrte Richtung drehen". Er geht sogar noch einen Schritt weiter und erklärt, bei Bachmut habe die Gegenoffensive der Ukrainer begonnen.

Gleichzeitig betonte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit der BBC, dass für eine Gegenoffensive noch mehr Zeit und Ausrüstung nötig seien. Beides sind Aussagen, auf die kein Verlass sind. Denn der Erfolg einer Gegenoffensive besteht in großen Teilen aus einem Überraschungsmoment und Täuschung. Gut möglich also, dass Selenskyj lediglich erreichen will, dass die Russen sich noch in Sicherheit wiegen, während Prigoschin seine Gefolgsleute auf den Gegenangriff vorbereiten will.

US-Panzer Bradley bei Bachmut im Einsatz

Hinweise, dass die Gegenoffensive zumindest in Teilen schon läuft, gibt es. In Videoaufnahmen südwestlich von Bachmut bei Bila Hora, die auf Twitter und Telegram kursieren, sind nicht nur ukrainische Soldaten zu sehen, sondern auch der US-Schützenpanzer Bradley. In einem Ausschnitt ist die Heckklappe und andere charakteristische Besonderheiten des Panzers klar zu erkennen. Der Einsatz von Schützenpanzern sei ein klarer Indikator für eine sogenannte Schwergewichtsbildung für die Offensive, sagt Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheers, ntv.de. Auch im Donbass sind vom Westen gelieferte Schützenpanzer bereits gesichtet worden, außerdem Pioniergeräte wie Brückenlegepanzer und Panzer zur Minenräumung.

Der Einsatz des US-Panzers Bradley in Bachmut lässt vermuten, dass die Offensive zumindest punktuell begonnen hat. Dafür spricht auch, dass zur Bedienung des Panzers speziell ausgebildete Soldaten gebraucht werden. "Das sind Einheiten, die auch am britischen Challenger und am deutschen Leopard ausgebildet und speziell für die Offensive bereitgestellt wurden", so Reisner. Gleichzeitig hat die Ukraine auch andere Eliteeinheiten, wie Soldaten der internationalen Legion, zu der ausgebildete ausländische Freiwillige gehören, nach Bachmut geschickt, nachdem sich die Situation dort zugespitzt hatte.

Dass die Ukrainer bei Bila Hora Gelände zurückerobert haben, lässt sich anhand mehrerer Videos und Aufnahmen im Netz verifizieren. Dort sei es den Truppen gelungen, russische Verteidigungslinien zu durchbrechen, wo eine Einheit an eine andere grenzt, sagt Reisner. "Die Schwäche eines Verteidigers ist immer dort, wo es so eine sogenannte Nahtstelle gibt." Es sei üblich, an dieser Stelle anzugreifen, weil jede Einheit davon ausgehe, dass die Grenze überwacht werde. "Man muss sich vorstellen, dass die Einheiten wie eine Perlenkette zusammenhängen", erklärt Reisner. Jede Perle ist eine Einheit. "Wenn dann zwischen zwei Perlen eine Lücke entsteht oder sogar eine fehlt, dann ist das der Moment, an dem man angreift."

"Fleischwolf" dreht sich in beide Richtungen

Die Ukraine hat genau das gemacht und in einem günstigen Geländeabschnitt Wagner-Truppen erfolgreich zurückgedrängt. Dort hatte die 72. Schützenbrigade der Russen den Anschluss verloren, so Reisner. Zuletzt machten Schwierigkeiten zwischen Wagner-Truppen und dem russischen Militär immer wieder Schlagzeilen. Beide Gruppen machten sich gegenseitig Vorwürfe, die jeweils andere Einheit nicht ausreichend zu schützen und schlecht zusammenzuarbeiten. Vor allem auf den Wagner-Truppen herrscht ein großer Druck, Bachmut gänzlich einzunehmen. Das haben sie auch fast geschafft - letztlich fehlt ihnen nur noch ein kleiner Teil im Westen, an dem die Ukrainer verbissen festhalten.

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Doch die Wagner-Truppen bilden ein sogenanntes Schwergewicht, wie massive Luftangriffe auf die Gegner zeigen. Dabei werden seit neuestem extrem gefährliche Waffen eingesetzt, wie Gleitbomben oder der TOS-1, ein gepanzerter Mehrfachraketenwerfer, der Raketen mit thermobarischen Sprengköpfen abfeuert. "Der Einschlag eines derartigen Geschosses verursacht eine Wirkung von 1400 Grad in einem Radius von 25 Metern in 1,4 Sekunden", so Reisner. Beide Waffen sind zudem nur schwer abzufangen.

Es sei deshalb wichtig zu verstehen, dass sich der "Fleischwolf" in Bachmut ohnehin immer in beide Richtungen drehe, sagt Reisner. Der Vorstoß der Ukrainer an der südlichen Flanke habe zwar begrenzte Geländegewinne gebracht, gleichzeitig aber nicht durchgeschlagen, "wie man beim Militär sagen würde". Von einer Wendung in Bachmut könne man daher noch nicht sprechen. Es sei aber nicht auszuschließen, dass das noch passiert, wenn die Ukrainer weitere Erfolge erzielen.

Quelle: ntv.de

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