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Esken und das AfD-Verbot Billig und blöd

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Ein AfD-Verbot ist der falsche Weg, meint unser Kommentator.

Ein AfD-Verbot ist der falsche Weg, meint unser Kommentator.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die SPD-Chefin redet einem AfD-Parteiverbot das Wort. Das klingt wacker und demokratisch. Ist aber das Gegenteil.

Die älteste im Bundestag vertretene Partei Deutschlands möchte die jüngste gern verbieten. So lässt sich lesen, was die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken in einem Interview gerade in Aussicht gestellt hat. Wenn, oder besser gesagt: weil die AfD rechtsextrem und damit verfassungsfeindlich ist, soll ein Parteiverbot angestrebt werden. Meint Frau Esken allen Ernstes und scheint stolz darauf, dass sie den größtmöglichen Knüppel rausgeholt hat.

Aber was herrlich wacker und aufrecht klingt, ist in Wahrheit denkfaul und politisch, ja, feige. Da möchte sich jemand als Retterin der deutschen Nachkriegsdemokratie aufspielen. Und stellt eben diese Demokratie kurzerhand in Frage.

Die AfD will eine andere Republik, ein anderes Deutschland, das ist offenkundig. Das Deutschland der AfD stünde ohne EU und NATO da, hätte alle Klimaschutz-Abkommen gekündigt und würde den Wehrdienst wieder einführen, wozu auch immer. Viele der hier lebenden Ausländer würden besser das Weite suchen und Zuwanderung gäbe es kaum noch, weil biodeutsche Frauen genug Kinder gebären, um den deutschen Firmen genug Fachkräfte zuzuliefern.

Das kann man als Politikerin durchaus verfassungsfeindlich nennen oder rechtsextrem. Aber von einem politischen Urteil bis hin zu einem vor dem Bundesverfassungsgericht ist es ein sehr weiter Weg - selbst Frau Esken sollte wissen: Einmal feste mit dem Fuß aufstampfen, lässt nicht jene hohen Hürden einstürzen, die in Deutschland vor einem Parteiverbot stehen. Und auch wenn es paradox klingt - die fürchterlichen Erfahrungen der Nazi-Zeit haben zu diesen Vorbehalten geführt. Sie schützen jetzt eine Partei, in der das Denken von Neonazis immer öfter die Oberhand gewinnt. Aber vor den Richtern sind alle gleich.

Die SPD-Vorsitzende tut niemandem einen Gefallen - außer der AfD selbst. Größer kann eine Schadensbilanz kaum sein. Zum einen weckt Frau Esken Hoffnungen, die sich nicht erfüllen lassen, schon gar nicht durch ihr Zutun. Das billig Wohlfeile an ihrer Forderung bringt stattdessen staatliche Institutionen in Erklärungsnot, die anders als Frau Esken ein bisschen Acht auf die eigenen Worte geben müssen.

Lieber auf AfD-Etikettenschwindel hinweisen

Außerdem kann die AfD dank der Forderung zurück in ihre komfortabelste Rolle: die des "System"-Opfers, dessen Anziehungskraft nicht zu brechen ist. Diese Anmutung war der Partei in Teilen abhanden gekommen, weil sich jüngst beim Europawahl-Parteitag die Radikalen und die Irren unverhohlen durchgesetzt hatten und zugleich deutlich wurde, was sie aus EU-Europa machen möchten: Hackfleisch.

Die AfD-Pläne hätten tatsächlich radikale Umwälzungen im Alltag aller zu Folge. Es ginge den Leuten, alt wie jung, ans Portemonnaie, an die Rente, den Job, die Sicherheit und die Sommerferien. An dieser Stelle könnte die SPD zupacken, die sonst nicht müde wird, die Anwältin der sogenannten "kleinen Leute" sein zu wollen. Eine SPD-Vorsitzende sollte also nicht im Parteienrecht dilettieren, sondern stattdessen die Worte finden, den Wählern klarzumachen, wie sehr die AfD vom Etikettenschwindel lebt: den Bürgern nämlich Schutz vor dem rasanten Wandel zu versprechen, aber zugleich alles abschaffen zu wollen, was Deutschland nach innen und außen stabil hält.

Dazu müsste die SPD-Vorsitzende freilich wissen, wo gerade auch ihre Wähler der Schuh drückt. Mehr noch: Sie müsste akzeptieren, dass es auch Probleme mit der schlecht bis gar nicht gesteuerten Zuwanderung sind, die viele umtreiben. Oder der Ärger über herablassende Großstadt-Gruppen, die dem Rest der Republik auf dem flachen Land erklären, wie ein wertvolles Leben auszusehen hat - weshalb Diesel fahren oder Nackensteaks essen auf dem Moral-Index stehen. Wenn das Ziel der AfD ist, diese Gruppen gegeneinander aufzuhetzen, dann ist die Aufgabe der SPD, Brücken zu bauen.

Kurzum: Statt den vermeintlich kurzen Weg zum Verfassungsgericht zu suchen, sollte Frau Esken ihre Partei dahin führen, wo es weh tut. Dort entscheidet sich die Zukunft der AfD und die Frage, ob die demokratischen Parteien sie wieder kleinkriegen.

Quelle: ntv.de

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