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Jetzt ist er auch noch Märtyrer Das Attentat wird Trump helfen - aber die Wahl ist noch nicht entschieden

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Im eigenen Lager macht Trump sich fast schon unsterblich - aber wie sehr wird das Attentat auf seine Gegner wirken?

Im eigenen Lager macht Trump sich fast schon unsterblich - aber wie sehr wird das Attentat auf seine Gegner wirken?

(Foto: AP)

Das Attentat auf Donald Trump scheitert und das ist eine gute Nachricht. Im Wahlkampf aber könnte es ihm nützen. Doch den Wahlsieg in der Tasche hat der Republikaner keineswegs.

Dieses Foto ist einfach unbezahlbar. Donald Trump, umringt von Secret-Service-Agenten, mit Blut auf der Wange und am Ohr, reckt die Faust in die Höhe. Von unten fotografiert sieht er aus wie ein Held, wie jemand, der sich nicht bezwingen lässt. Instinktiv habe Trump gehandelt, sagte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger bei ntv. Trump ist dem Tod entronnen und das ist ein großes Glück. Doch von einem kann man dabei ausgehen: Seine Wahlkampf-Berater dürften nun jubeln, zumindest innerlich. Das Foto von ihm in Heldenpose dürfte in der Trump-Welt zum Poster- und T-Shirt-Motiv werden.

Dieses Bild könnte Geschichte schreiben.

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(Foto: AP)

Für den Wahlkampf ist dieses Attentat mitsamt dem Bild pures Gold. Es passt genau in Trumps Weltbild und seine Botschaft an seine Basis: "Sie sind hinter mir her, weil ich für euch kämpfe. Sie tun alles, um mich zu stoppen. Erst stellt sich das gesamte Establishment gegen mich. Doch ich gewinne trotzdem. Dann stehlen sie mir den Wahlsieg. Dann strengen sie alle möglichen Gerichtsverfahren gegen mich an. Doch ich werde nur stärker." Den nächsten Satz hat Trump noch nicht gesagt, aber er würde sich logisch anschließen. "Und nun haben sie versucht, mich zu ermorden. Aber ich bin immer noch hier."

Wer hier "sie" sind, die all das angeblich tun, das ist natürlich die Frage. Für den Populisten Trump lautet die simple Antwort: Die da oben, die reichen Liberalen, die sich nicht um die breite Masse kümmern. So einfach ist sein Weltbild-Angebot, viel mehr ist da nicht. In Wahrheit lehnen die meisten Amerikaner Trump ab, weil er so ist wie er ist. Weil sie ihn für gefährlich und egomanisch halten, unqualifiziert zu regieren. Und tatsächlich hat Biden vieles von dem geschafft, was er nur ankündigte - etwa ein großes Infrastrukturprogramm. Doch Trumps Narrativ ist unglaublich kraftvoll. Damit hat er die republikanische Partei zur Trump-Partei gemacht und im Vorbeigehen die erneute Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten eingesammelt. Die Fähigkeit, solche alternativen Sichtweisen aufzubauen, ist Trumps wahre Stärke.

Hand Gottes am Werk?

Das Attentat hilft ihm dabei noch. Für seine Anhänger erhebt sich Trump damit auf eine völlig neue Ebene: Er könnte zum Märtyrer werden. Das wird ihm noch mehr Anerkennung, Bewunderung und Verehrung einbringen. Seine religiösen Wähler könnten gar die Hand Gottes am Werk sehen. Und Respekt gewinnt er bei jenen Konservativen, die meinen, echte Männer hätten hart zu sein, müssten was aushalten können. Dass er stark ist und Biden schwach, ist die Kernbotschaft von Trumps Wahlkampf. In unglaublicher Weise scheint sich das nun aus Sicht seiner Anhänger zu bestätigen. Trump überlebt ein Attentat. Biden hat Mühe, eine Revolte in den eigenen Reihen niederzuhalten.

Und noch etwas zeichnet sich ab: Das Attentat gibt den Trump-Anhängern auch eine moralische Unterstützung. Nun können sie den Demokraten das vorwerfen, was sie sich selbst jahrelang anhören mussten. Dass deren Dauerwarnungen vor Trump direkt zu dem Mordversuch geführt haben sollen. Das ist ziemlich platt, ja. Aber die Zeiten, in denen das eine Rolle spielte, sind in den USA lange vorbei. Ein Resultat des Ganzen: Geschlossenheit der Republikaner. Die war ohnehin schon gegeben, aber jetzt wird sie sich noch verstärken. Geschlossenheit aber ist eine Grundvoraussetzung für einen Wahlerfolg.

Doch so sehr Trump sich nun im eigenen Lager dem Heiligen-Status nähern mag - die Präsidentschaftswahl ist deswegen noch nicht entschieden. Keineswegs werden seine bisherigen Gegner nun in Scharen zu ihm überlaufen. Dafür polarisiert Trump viel zu sehr. Man ist entweder für ihn oder gegen ihn. Dazwischen gibt es nur wenig. Die Mehrheit der Amerikaner lehnt ihn ab - das haben die Wahlen 2016 und 2020 gezeigt. Beide Male stimmte eine Mehrheit gegen den Republikaner. 2016 gewann er aufgrund des US-Wahlsystems dennoch. Auch jetzt stützt sich Trump maximal auf die Hälfte der Amerikaner.

Kein Erdrutsch nach Bidens Katastrophen-Abend

Wie sehr Trump auch seine Gegner motiviert, zeigte sich gerade erst nach dem TV-Duell mit Präsident Joe Biden vor zwei Wochen. Der erlebte einen Katastrophen-Abend. Umfragen zeigten anschließend, knapp 70 Prozent der Demokraten-Anhänger halten ihn für zu alt und wünschen seinen Rückzug. Doch deswegen gehen sie ihm nun nicht in Massen von der Fahne. Erste Umfragen zeigen zwar hier und da minimale Zuwächse für Trump von ein oder zwei Punkten. Auch in den umkämpften Swing States baute er teils seinen Vorsprung aus. Aber von einer erdrutschartigen Verschiebung im Umfragebild kann keine Rede sein. Offenbar sind sie weiter hoch motiviert, eine zweite Präsidentschaft Trumps zu verhindern. Auch wenn sie dafür noch einmal den alten Biden wählen müssen.

Einen Vorteil könnte Trump dagegen bei den Unabhängigen, den wenigen Wechselwählern, gewonnen haben. Es gibt ja einige von ihnen, die erst Obama, dann Trump und dann Biden wählten. Da sie Trump nicht rundheraus ablehnen, könnten sich manche von ihnen von der Begeisterung über den Ex-Präsidenten anstecken lassen. Das Attentat war jedenfalls ein hochemotionaler Moment. Trump wirkte stark und das ist in den USA viel wert. Ex-Präsident Bill Clinton sagte einmal: "strong and wrong" schlage "weak and right". Frei übersetzt: Stark wirken ist wichtiger als recht zu haben.

Andererseits: Bisher sagten viele der Unentschlossenen Dinge wie: "Ja, Trump ist kein netter Mann und ich mag ihn nicht - aber unter ihm lief die Wirtschaft besser." Die wirtschaftliche Lage entscheidet US-Wahlen immer mit, das wird auch im November so sein. Trump profitiert dabei in hohem Maße von Bidens Schwäche. Der hat zwar auf dem Papier viele Erfolge auch in der Wirtschaft vorzuweisen. Aber viele Menschen spüren noch immer die dramatischen Auswirkungen der Inflation, bei jedem Einkauf, bei jedem Tanken. Das eigene Portemonnaie ist vielen Wählern immer noch wichtiger als Mitleid mit Anschlagsopfern.

Wünschenswert wäre, wenn das Attentat zu etwas Nachdenklichkeit führen würde. Dazu, die Betriebstemperatur im Wahlkampf etwas zu senken. Bei Trump ist allerdings eher das Gegenteil zu erwarten.

Quelle: ntv.de

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