
Vollendet er die Zerstörung der CDU?
(Foto: dpa)
Gegen jede Vernunft haben die Christdemokraten Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten gekürt. Der Mann, der seine Partei versöhnen will, pfeift auf die Basis, die für ihn Wahlkampf machen soll. Das Debakel ist absehbar. Freuen dürfen sich die Grünen.
Längst ist bekannt, dass Angela Merkel in Umfragen vernarrt ist. Wie sehr sie sich von der Meinungsforschung leiten ließ, wurde durch den Grünen-Politiker Malte Spitz öffentlich gemacht. Mit einem Sieg vor Gericht zwang er das Bundespresseamt, nach monatelanger Weigerung bestimmte Akten herauszugeben. So erfuhr das Publikum im Herbst 2014, dass das Kanzleramt bis dato jedes Jahr im Schnitt drei Erhebungen pro Woche in Auftrag gegeben hatte. Publik machte die Dokumente seinerzeit der "Spiegel". Er schrieb damals: "Jetzt zeigen 600 geheim gehaltene Umfragen des Bundespresseamts, wie Demoskopen Merkels Denken, Reden und Handeln beeinflussen."
Neuerdings behauptet Merkels CDU, inzwischen geführt von Armin Laschet, Meinungsforschung spiele keine Rolle bei ihren Entscheidungen. Deshalb bestimmte die Führung der Christdemokraten ihren Vorsitzenden zum Kanzlerkandidaten, obwohl seine Umfragewerte bodenlos schlecht sind und klar hinter denen seines CSU-Kontrahenten Markus Söder liegen. Zumindest an dieser Stelle ist der Partei der Bruch mit ihrer Übermutter Merkel geglückt.
Laschet und seine Anhänger betonen tapfer, derlei Volksbefragungen bildeten nur den Moment ab, entscheidend seien Inhalte. Ein Witz in doppelter Hinsicht. Der Augenblick zieht sich seit Wochen hin, in denen der CDU-Chef in der Zustimmungsfrage nicht vom Fleck kam – Trendwende nicht in Sicht. Vor allem aber: Die Union ist – nicht zuletzt auch wegen der Auseinandersetzungen um den CDU-Vorsitz und den Kanzlerkandidaten – inhaltlich blank. Das gilt umso mehr für Laschet.
Nach 16 Jahren Merkel weiß niemand mehr so recht, wofür die Christdemokraten stehen und was sie wollen. Laschet hat daran nichts geändert. Eine zumindest vage, geschweige denn konkrete Vorstellung, wie Deutschland in ein paar Jahren oder Jahrzehnten aussehen soll, fehlt. Gezeigt hat sich das in den Floskeln, die die Bundes-CDU nach den verlorenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz twitterte. "Unsere volle Konzentration liegt jetzt darauf, unser Land gut aus der Krise zu bringen. Wir arbeiten gemeinsam mit aller Kraft dafür." Als "Wegmarken" wurden genannt: "Kreisvorsitzenden- & Ostkonferenz: Wir diskutieren intern über Chancen & Herausforderungen & sammeln Ideen für eine gute Zukunft." Man fragte sich: Geht es um die Wahl 2021 oder 2025?
Die Grünen haben wenigstens eine Idee
Anders die Grünen. Man kann sich über ihr Programm lustig machen, es für unbezahlbar, naiv, unausgegoren, wirtschaftsfeindlich halten und es wie die "Neue Zürcher Zeitung" sehen: Die Partei wolle aus der Bundesrepublik "eine Art Besserungsanstalt" machen, "in dem der regulierende Staat viel und die individuelle Freiheit wenig" zähle. Nichtsdestotrotz haben die Grünen eine Idee, wo sie das Land hinsteuern möchten, die für viele junge und jüngere Wähler hochattraktiv zu sein scheint, die sich konsequentes Handeln etwa gegen den Klimawandel wünschen. Das spricht zwar mehr das Gefühl an als den Verstand. Aber Merkel hat auch eine Wahl mit dem banalen Emo-Satz gewonnen: "Sie kennen mich."
Und Laschet? Hat weder hohen Bekanntheitsgrad, noch eine Vision oder die nötige Ausstrahlung eines Markus Söder, einer Angela Merkel oder einer Annalena Baerbock. Im Januar konnte Laschet den digitalen CDU-Parteitag mit der Blechmarke seines Vaters auf seine Seite ziehen - wobei sein Sieg selbst gegen den strategisch wenig talentierten Friedrich Merz nur hauchdünn ausfiel. Für die Wählerschaft wird es nicht reichen, in die Kamera zu sagen: "Vertrauen Sie mir." Schon gar nicht die Ankündigung eines "Modernisierungsjahrzehnts nach der Pandemie", als hätte der Zustand Deutschlands nichts mit Merkels 16-jähriger Regierungszeit zu tun.
Viel zu sehr steht der CDU-Vorsitzende für ein "Weiter so". Nicht umsonst wird Laschet - auch in den eigenen Reihen - als Merkelianer betrachtet, was man über Söder kaum behaupten kann. Wie sehr Laschet den Stil der Regierungschefin verinnerlicht hat und nachahmt, zeigt sich in seinem Beharren auf die Kanzlerkandidatur, mit der er einerseits demonstriert, dass auch er ein machtbewusster Politiker ist, dessen Reden vom "Wohle meiner Partei" und Deutschlands am Ende nur Phrasen sind - sonst hätte er den Job Söder überlassen und die CDU nicht gezwungen, ihm gegen alle Vernunft zu folgen.
Wahlkampf mit Söder im Hinterkopf
Andererseits zerstört der CDU-Vorsitzende damit seinen Ruf als Versöhner. Laschet torpediert seine Bemühungen, die Lager wieder zu vereinen. Der Parteichef zeigte bei erstbester Gelegenheit, dass er auf die Basis pfeift, wenn sie ihm im Weg steht - auch das ist ein politischer Ansatz, der in der Bevölkerung nicht mehr goutiert wird. Da kann der Kanzlerkandidat noch so oft beteuern, er habe "nicht zugegriffen", sondern sei durch eine zutiefst demokratische Entscheidung des Vorstands auserkoren worden, gegen Baerbock anzutreten - glauben tut das niemand. Was die Frage aufwirft: Für wie blöd hält Laschet eigentlich die Basis von CDU und CSU sowie die Bevölkerung, dass er meint, ihm werde das abgenommen?
Zu spüren bekommen wird der Parteichef seine Missachtung der Basis spätestens im Wahlkampf, wenn die CDU-Mitglieder für ihn werben sollen, aber ständig im Hinterkopf haben: Hätten wir doch den Söder zur Nummer eins gekürt.
Wie selbstverständlich folgten die zu Ritualen verkommenen Appelle, nun müsse man - jetzt aber ganz, ganz wirklich - zusammenstehen. Dazu hat Laschet zu sehr den Egomanen raushängen lassen. Beliebter wird der CDU-Vorsitzende dadurch sicher nicht - und es ist schleierhaft, wie er und seine Partei darauf kommen, dass sich dies bis zur Wahl groß ändern sollte. Auf gruselige 21 Prozent sackte die Union im RTL/ntv-Trendbarometer ab. Noch fataler ist, dass 63 Prozent der Meinung sind, dass sich die Wahlchancen für die Union durch die Nominierung Laschets verschlechtert haben. Den Trend will der Mann noch drehen?
Schwer vorstellbar. Zumal die Grünen mit Baerbock eine echte Alternative aufbieten und alles dafür tun werden, ihre Spitzenkandidatin ins Kanzleramt zu bringen. Dann käme es zu einer grün-schwarzen, vielleicht auch einer grün-schwarz-gelben Koalition. Die CDU würde das erleben, was die SPD leider schon hinter sich hat: von einer Kanzlerin platt gemacht zu werden. Zynisch gesagt, würde Laschet dann Merkels Werk vollenden: die Zerstörung der CDU.
Quelle: ntv.de