Ein kleiner Schritt in Nahost Eines der Probleme ist Friedensstifter Trump selbst
09.10.2025, 13:49 Uhr Artikel anhören
Frieden durch Ultimaten und Zwang: Das ist Donald Trumps Art der Diplomatie.
(Foto: REUTERS)
Es gibt eine Einigung. Die Geiseln kommen frei, Israel will sich zurückziehen, den Gazastreifen aber nicht verlassen. Das ist eine gute Nachricht. Doch zentrale Fragen bleiben unbeantwortet. Trumps Jubel ist ausgiebig, aber er kommt zu früh.
Endlich: Nach langen Verhandlungen und unter massivem Druck von US-Präsident Donald Trump einigen sich Israel und die Terrorgruppe Hamas auf einen Deal. Die letzten 20 überlebenden Geiseln sollen nach zwei Jahren Verschleppung freikommen, die Leichen von 28 toten Geiseln übergeben werden. Zudem zieht sich Israel innerhalb des Gazastreifens zurück. Im Gegenzug werden 2000 palästinensische Häftlinge freigelassen, palästinensische Flüchtlinge dürfen in den Norden des Küstengebiets zurückkehren.
Das Sterben soll aufhören, der Krieg im Gazastreifen enden - das ist wahrlich eine gute Nachricht. Und die Beteiligten haben Applaus verdient. Endlich endet das Leiden der Geiseln, und auch die Palästinenser im Gazastreifen dürften aufatmen. Doch es könnte ausgerechnet der Deal-Maker Trump sein, der einem Frieden im Weg steht. Denn das ist eine Langstrecken-Aufgabe. Dafür ist der US-Präsident nicht gemacht.
Auf dem Geiselplatz in Tel Aviv jubeln die Menschen über die Einigung zwischen Israel und der Hamas. ntv-Korrespondentin Raschel Blufarb spricht von einer Riesenerleichterung, von einem historischen Morgen und riesengroßer Freude bei den Familien der Geiseln. Auch im Gazastreifen gibt es Jubelszenen. Die Menschen feiern das Ende des Beschusses, wollen in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren, so diese noch stehen.
Wo bleibt die Überzeugung?
Der US-Präsident stimmt in den Jubel ein. Trump schreibt von "ersten Schritten hin zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden". Doch diese ersten Schritte sind eben nur das: ein Anfang, eine erste Phase. Gespräche zur zweiten Phase haben noch gar nicht begonnen. So sehr Trump seinen Deal auch feiert: Er steht auf wackeligen Füßen, denn zentrale Fragen sind ungeklärt.
Der Gaza-Krieg, der vom beispiellosen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde, mag enden. Doch ein Frieden in Nahost ist damit noch nicht erreicht. Schon die Art, wie der Deal zustande kam, ist kein gutes Vorzeichen: unter Zwang, mit Ultimaten. Trump drohte Netanjahu mit dem Ende der Unterstützung Israels durch die USA. Zur Hamas sagte er, die Hölle werde losbrechen, sollten die Islamisten der Einigung innerhalb weniger Tage nicht zustimmen. Klar, Druck gehört in gewisser Weise zu Verhandlungen dazu. Aber wenn die Überzeugung fehlt, wird ein dauerhafter Frieden umso schwieriger.
Auf der einen Seite steht eine Terrorgruppe, die sich die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben hat. Langfristig soll die derzeit geschwächte Hamas ihre Macht im Gazastreifen abgeben. Wird sie dazu noch bereit sein, wenn sie sich neu formiert hat? Und wer soll dann eigentlich die Macht übernehmen? Eine palästinensische Autonomiebehörde, der - wie der Hamas - seit Langem die demokratische Legitimation fehlt?
Eigenlob in biblischer Manier
Auf der anderen Seite steht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dessen Regierung von rechtsextremen Ministern abhängig ist - und dessen Koalition jetzt zerbrechen könnte. Schon gibt es ersten Dissens: Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich will dem Deal im israelischen Kabinett nicht zustimmen. Er wolle sich nicht an kurzsichtigen Feierlichkeiten beteiligen, sagt er. Kann diese Regierung einen Friedensprozess begleiten, die rechte Siedlergewalt im Westjordanland stoppen und ein Land einen, das über die Gaza-Politik tief gespalten ist?
Um es mit Bertolt Brecht zu sagen: Nach den Mühen der Berge liegen die Mühen der Ebenen. Sind die beteiligten Parteien dafür gemacht? Bei allen Seiten sind Zweifel angebracht, erst recht bei Trump, der für seine Sprunghaftigkeit bekannt ist. Der US-Präsident hat seinen Deal, nun erwartet er, dass der immerwährende Frieden ausbricht. "SELIG SIND DIE FRIEDENSSTIFTER!", schreibt er in biblischer Manier.
Doch die Wahrheit ist komplexer. Ein Funke reicht, um das jetzt geschlossene Abkommen hinfällig zu machen und die Kämpfe neu zu entflammen. Zumal Israelis und Palästinenser schon vor Jahrzehnten an einem solchen Punkt waren: Frieden wurde geschlossen, Hände geschüttelt, Nobelpreise verteilt. Dann wurde Jitzchak Rabin von einem rechtsradikalen Israeli erschossen. Im Gazastreifen kam die Hamas an die Macht. Der Konflikt flammte wieder auf. Die Schuld daran gaben sich beide Seiten gegenseitig.
Quelle: ntv.de