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Jetzt gibt es kein Zurück mehr Trumps Vorwahltriumph ist auch ein Hilferuf

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Nochmal vier Jahre mit Donald Trump?

Nochmal vier Jahre mit Donald Trump?

(Foto: REUTERS)

Nach dem Super Tuesday ist klar: Ex-Präsident Trump kann in aller Ruhe seinen Rachefeldzug vorbereiten. Das ist nicht unbedingt Zeichen seiner Stärke. Sondern das Schwächesymptom der anderen.

Im Grunde wollen die Anhänger der beiden großen Parteien in den USA, ihre Fraktionen und Untergruppen das Gleiche: dass all die Versprechen über gesellschaftlichen Aufstieg erfüllt oder zumindest ein Lebenswandel nach individuellen Vorstellungen möglich werden. Die Umstände bestimmen, wer von ihnen welche Mittel zum Zweck wählt. Bei den Republikanern ist das einmal mehr Donald Trump.

Dieses Votum von West bis zur Ostküste ist ein Hilferuf. Das Leben gleicht bei vielen, insbesondere den unteren Einkommensschichten, einem wirtschaftlichen Rattenrennen. Die Unterschiede zu ihren Zuschauern in den höheren Sphären ist seit der Corona-Krise überdeutlich geworden. Noch reichere Superreiche, Übergewinne, aber bestenfalls stabile Reallöhne. Die Entscheidung der Republikaner ist eine Absage an die Vergangenheit der Partei. Und ein Hilferuf nach jemandem, der spürbare Resultate in der Brieftasche bringt.

Der Triumph am Super Tuesday in 14 von 15 Bundesstaaten, dem Höhepunkt der Vorwahlen, ist somit nicht unbedingt Zeichen der eigenen Stärke. Ja, der Ex-Präsident hat die eigene Partei im Griff, spätestens seit dem telefonischen Showdown um die blockierten Ukraine-Hilfen ist wieder klar, wer bei den Konservativen das Sagen hat. Doch es ist vorwiegend die Schwäche der anderen, die sich in den Stimmen für ihn manifestiert.

Dazu kam Trumps Vorteil, als jemand anzutreten, der eine Vergangenheit im Weißen Haus hat: Er muss sich vor den Republikanern nicht neu beweisen. Mit diesen Ergebnissen gibt es kein Zurück mehr - bis zur Präsidentschaftskandidatur. Nikki Haley jedoch, die einzige verbliebene Mitbewerberin, lief langsam, aber sicher gegen die 2016 begonnene und immer dicker gebaute MAGA-Wand. Von den 15 Bundesstaaten holte sie am Dienstag das kleine Vermont. Von den mehr als 1000 Delegierten, die für die Präsidentschaftskandidatur notwendig sind, hat sie bislang nur einen Bruchteil gewonnen. Trumps Delegiertenzähler steht dagegen weit oben.

Trump ist der Liberale

Die Kombination von Wahlergebnissen und Umfragen zeigt eine im Wandel begriffene politische Landschaft. Im Zweiparteiensystem der USA sind Republikaner in der überwältigenden Mehrzahl keine unbelehrbaren Rassisten, Dummköpfe oder Spinner, nur weil sie Trump wählen. So schräg es in Europa klingen mag, für den Kern seiner Wähler ist er kein Extremist, sondern ein "Liberaler", der die Arbeiter und die kleinen Leute da unten im Blick hat. Sie wünschen sich eine stabile Gesundheitsversorgung, weshalb Trump regelmäßig sagt, er werde die bestehenden Sozialprogramme nicht antasten. Bei Abtreibungen gibt er sich ebenfalls flexibel - soll doch jeder Bundesstaat machen, was er will, statt es landesweit vorzuschreiben.

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Haley vertritt dagegen die frühere republikanische Partei des Freihandels und der Globalisierung, des schmalen Staats, der teuren Kriege im fernen Ausland, der verbotenen Abtreibungen, auch der verlorenen Arbeitsplätze und des Niedergangs der amerikanischen Industrie. Haley war in dieser Vorwahl eine von denen da oben, so sehr sie auch ihre Aufstiegsgeschichte als Kind einer Einwandererfamilie betonte. Sie behauptete, die USA bräuchten "eine neue Generation von Anführern" wie sie. Die Mehrheit der Republikaner sah das anders.

Viele Stimmen für Haley kamen von Unabhängigen, von Wählern in den Vorstädten im Allgemeinen und Frauen im Besonderen, die sich von Trumps inzwischen völlig entfesselter Rhetorik abgestoßen fühlen. Die anderen fühlen sich im Zweifel dem Ex-Präsidenten näher. Auch weil sie hoffen, dass er einen Ausgang nach oben bieten könnte. So wie in seiner ersten Amtszeit: Da gingen die Reallöhne über Jahre spürbar nach oben, und erstmals seit 2008 kamen Jobs in der herstellenden Industrie hinzu, für Arbeiter ohne akademischen Abschluss. Das ist es, was für seine Basis zählt.

Fehlendes Geld für ferne Kriege

Trumps harter Wählerkern besteht weiterhin überwiegend aus weißen Arbeitern, Menschen ohne Hochschulbildung und abseits der großen Städte. Die verlangen ihren Teil vom riesigen Kuchen. Vor acht Jahren hatten sie Trump mit der Wut über das radikal gebrochene Versprechen im Bauch gewählt, die Globalisierung und der freie grenzenlose internationale Markt werde ihnen Wohlstand bringen.

Der Kaufkraftverlust durch die Inflation in Bidens Amtsjahren hat den Demokraten viel Vertrauen gekostet; trotz exzellenter Jobdaten und leicht anziehender Reallöhne. Die republikanischen Grenzgänger aus den Vorstädten, die für Haley gestimmt haben, werden sich im November die Frage stellen müssen, ob sie einfach zu Hause bleiben, ihre Abscheu herunterschlucken und bei Trump ihr Kreuz machen, oder sogar gegen ihn stimmen. Insbesondere junge Wähler sind skeptisch: Für Erstwähler etwa ging es in ihrer Jugend unter Trump wirtschaftlich tendenziell bergauf, aber seit Corona ist Achterbahn angesagt. Sie fürchten um das Versprechen der Aufstiegschance an jeden, der sich nur genug anstrengt.

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Das gilt nicht nur für die Arbeiter, sondern auch für Studierende und Akademiker, die unter ihren Studienkrediten ächzen. Unter Schwarzen erreicht Trump in Umfragen inzwischen so große Unterstützung wie kein Republikaner vor ihm; bis zu 20 Prozent nahezu gleichmäßig durch alle Bildungsniveaus würden ihn wählen. Ihre Haushalte sind die mit Abstand einkommensschwächsten des Landes. Eltern haben kaum Geld, um ihren Kindern selbst ein Studium zu finanzieren. Sie kommen nicht voran und gehen Biden von der Fahne.

Auch Trumps Ablehnung des Ukraine-Krieges ist die kanalisierte Unzufriedenheit solcher Probleme: Wenn das Geld schon für uns nicht reicht, warum verpulvern wir es dann in fernen Kriegen? So wie es Biden macht und Haley fortsetzen würde? Die Republikaner sind gespalten zwischen oben und unten. Da sind diejenigen, die keine Aufstiegsversprechen mehr benötigen. Aber es gibt eben auch die zahlreicheren anderen. Und von denen wählen viele Trump.

Quelle: ntv.de

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