Person der Woche Elon Musk - ein Egomane außer Kontrolle
02.10.2018, 11:30 Uhr
Elon Musk führt Tesla abenteuerlich und sein Milliardenmonopoly überdreht zuweilen. Nun greift die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC ein. Die Kifferzahl 420 spielt dabei eine kuriose Rolle.
Es ist der wohl teuerste Tweet aller Zeiten: "Ich erwäge, Tesla zum Preis von 420 Dollar zu privatisieren. Finanzierung gesichert." So tönte Elon Musk am 7. August um 18.48 Uhr, als der Aktienkurs weit unter den anvisierten 420 Dollar lag. Doch der angebliche Privatisierungsplan war eine Angeberei. Nun müssen er und Tesla für diesen Tweet jeweils 20 Millionen Dollar Strafe zahlen. Außerdem muss Musk vom Amt des Tesla-Chairman zurücktreten und den Verwaltungsrat an eine unabhängige Person übergeben.
Damit kommt Musk noch glimpflich davon, denn die mächtige US-amerikanische Börsenaufsicht SEC stand kurz davor, den Tesla-Chef auch als CEO des Elektroautobauers zu feuern und ihn sogar auf Lebenszeit aus Chefetagen börsennotierter US-Unternehmen zu verbannen. Die SEC wirft Musk vor, Investoren mit dem Tweet in die Irre geführt und betrogen zu haben, nur um den Aktienkurs hochzutreiben.
Während Börsenspekulanten die für Musk verkraftbare Strafe im Tesla-Milliardenmonopoly nun mit wilden Zukäufen feiern, wachsen nicht nur bei der Börsenaufsicht die Sorgen um die Zurechnungsfähigkeit der Person Elon Musk. Denn beim frei aufgerundeten Wunschkurs von 420 Dollar orientierte sich der Tesla-Chef demonstrativ an Drogen-Symboliken. Die Zahl 420 ist eine Kult-Zahl bei Kiffern, ein in den USA gebräuchliches Codewort für den regelmäßigen Konsum von Cannabis. Die SEC wirft Musk ganz offiziell vor, er habe die Zahl gewählt "wegen der Bedeutung dieser Zahl in der Marihuana-Kultur". In den USA wird unter Kiffern gerne gegen 4.20 Uhr nachmittags Cannabis geraucht, und der 20. April (US-Datum 4/20) gilt als inoffizieller "Marihuana-Feiertag", an dem ausgiebig mit Drogen gefeiert wird. Musk wollte damit seine Freundin amüsieren, behauptet der SEC-Ermittler Steven Peiking.
Rotwein und Schlafmittel
Nach Ansicht der SEC ist der größte Börsenskandal des Jahres damit eine Art Kifferspiel eines enthemmten Milliardärs. Peiking erinnert auf einer Pressekonferenz an Musks Vertrauensposition als Chef eines Milliarden-Dollar-Unternehmens und die damit einhergehende Verantwortung gegenüber den Aktionären: "Ein Prominentenstatus oder die Reputation als Technologie-Innovator gibt jemandem nicht die Lizenz, diese Verantwortung auf die leichte Schulter zu nehmen."
Der Vorgang reiht sich ein in eine Serie sonderbarer, drogenbezogener Auftritte des Tesla-Chefs. In einem Interview mit der "New York Times" beschrieb er seine 120-Stunden-Arbeitswoche, er arbeite täglich mindestens 17 Stunden. Die immer neuen Ideen in seinem Kopf seien wie "nicht endende Explosionen", erklärte er einem irritierten Publikum. Er erlebe das "schlimmste Jahr seiner Karriere" voller Überlastung. Ruhe finde er nur, indem er regelmäßig das Schlafmittel Ambien nehme. In einem Tweet gestand er zudem: "Ein wenig Rotwein, eine alte Schallplatte, etwas Ambien ... und wunderbar!"
Während des Podcast-Gesprächs mit dem Komiker Joe Rogan paffte Musk schließlich eine ihm angebotene Zigarette mit einer Tabak-Marihuana-Mischung. Das öffentliche Ziehen des Tesla-Chefs an einem Joint drückte tags darauf den Aktienkurs. Immerhin ist der Cannabis-Konsum in Kalifornien nicht illegal. Doch die Häufung der drogenbezogenen Auftritte beschädigt zusehends die Reputation des ohnehin angeschlagenen Managers.
Für seine Bewunderer ist Elon Musk nach wie vor der Thomas Edison des 21. Jahrhunderts: ein genialer Elektrifizierer, mutiger Unternehmer, der Avantgardist unserer Tage. Und ein cooler Anti-Spießer, der offen über Drogen rede. Für Kritiker hingegen gilt Musk inzwischen als Blender, überdrehter Börsenzocker, dem ein Drogenproblem zusehends öffentlich schade.
Justizministerium ermittelt gegen Musk
Die SEC verlangt von Tesla ausdrücklich, dass die Kommunikation Musks mit Investoren künftig überwacht werden müsse. Für den Tesla-Chef sind die Folgen des "420-Skandals" ohnedies nicht ausgestanden: Neben der SEC führt auch das US-Justizministerium eigene Untersuchungen durch, die in Strafermittlungen münden könnten.
Obendrein sieht sich der E-Auto-Pionier zusehends harter Konkurrenz der klassischen Autokonzerne ausgesetzt. Insbesondere Audi, Porsche, Mercedes, BMW, alle vier deutschen Premiumhersteller haben soeben neue E-Modelle präsentiert und die Frontal-Attacke auf Tesla eröffnet. Eine Auswertung des Beratungsunternehmens McKinsey ergab, dass schon in diesem Jahr insgesamt 71 verschiedene Elektroauto-Modelle eingeführt werden sollen, zusätzlich seien 32 neue Plug-in-Hybrid-Modelle geplant, die neben einem elektrischen Antrieb auch noch einen Verbrennungsmotor besitzen.
Banken verlieren die Geduld
Der Elektro-Pionier Tesla bekommt es also mit massiver Konkurrenz der Platzhirsche zu tun. Die Offensive der Wettbewerber trifft Tesla in einem Moment, da sich die Probleme ohnedies häufen. Elon Musk stellt immer wieder in naher Zukunft die Profitabilität des Unternehmens in Aussicht, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Im zweiten Quartal stieg der Verlust auf 717 Millionen US-Dollar gegenüber 336 Millionen US-Dollar im Vergleichsquartal des Vorjahres an. Hektisch werden die Kreditlinien Teslas verlängert, doch einige Banken sind skeptisch.
Mit den Eskapaden des Konzernlenkers wollen einige Führungskräfte offenbar auch nicht mehr leben. Teslas Chefbuchhalter Dave Morton hat spektakulär seinen Posten aufgegeben - nach nur einem Monat in dem Job. Dann suchte aus dem Finanzressort mit Justin McAnear ein weiterer hochrangiger Manager das Weite. Auch Personalchefin Gabrielle Toledano erklärte ihren Rückzug. Und ebenso Shen Jackson, Teslas Leiter der Fertigungstechnik.
In den USA wird der impulsive Elon Musk inzwischen häufiger mit Donald Trump verglichen. Beide seien unberechenbare, twitterwütige Egomanen. In Konferenzen werden Analysten von Musk schon einmal in Trump-Manier wegen angeblich langweiliger Fragen arrogant zurechtgewiesen. Die Analysten der US-Bank JP Morgan - immerhin die größte Bank der USA - haben es nun satt. Sie warnen offen vor den hohen Risiken der Tesla-Situation und ihres schillernden Chefs. Auch nach der Einigung mit der US-Börsenaufsicht solle man die Aktie meiden, das faire Kursziel liege bei nur 195 Dollar - nicht einmal halb so hoch wie die 420 Dollar.
Quelle: ntv.de