Die Stinkblüten der Sprache Politikerin trägt Kriegsbotschaft auf einem T-Shirt - ist das stimmig?


Marie-Agnes Strack-Zimmermann trug ein Taurus-T-Shirt auf der Sicherheitskonferenz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die liberale Marie-Agnes Strack-Zimmermann verstört mit einem Taurus-Spruch auf der Kleidung. Aber sie hat dem Bundeskanzler eines voraus: Sie sagt, was sie will.
Die Politik hat einen schlechten Ruf und ihr Personal erst recht. Dafür gibt es einen Strauß Gründe, aber eine besonders prächtige Stinkblüte darin ist die Sprache der Politik. Mal ist sie infantil, wenn die Regierung ein "Gute-Kita-Gesetz" verkündet oder auch den "Doppel-Wumms", oft aber ist sie sperrig und absichtlich verklausuliert, etwa wenn es um einen nach einem Stier benannten Marschflugkörper geht: den "Taurus".
Der Taurus ist nicht schwer zu verstehen: Er sieht aus wie ein grünes Riesenzäpfchen, fliegt weit und am Ziel knallt’s gewaltig. Fachleute behaupten, dieses Gerät könnte einen wesentlichen Beitrag leisten, um russische Versorgung hinter den Linien zu treffen. Das wiederum, behaupten andere, sei nötig, damit Russland nicht gewinne. Wenn Russland gewinne, dann sei auch die europäische Freiheit bedroht, sagen die Strategen. Müsste man sich eine Kampagne ausdenken, sie würde wohl "ohne Taurus keine Freiheit" lauten.
Noch einfacher sagte es FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes "Strazi" Strack-Zimmermann, eine Politikerin, die ihre Kernbotschaft auf einem T-Shirt über die Münchner Sicherheitskonferenz spazieren trug: Darauf strahlte ein Comic-Stierkopf (weil: Mino-taurus, Zwinkerzwinker), dem die Wutwölkchen aus den Nüstern schießen, knallblau auf knallgelb - und knallen soll es ja auch, am besten hinter der Frontlinie. Slogan: "Taurus für die Ukraine", "zusammen bis zum Sieg".
"Ausbund an Geschmacklosigkeit"
Das ist einerseits schlecht, denn es sieht ein bisschen aus wie Wacken Open Air oder Coachella, wie ein Kollege der "Welt" anmerkte. In der "Weltwoche" meldet wiederum Ulrike Guérot, das Kleidungsstück sei gar "ein Ausbund an Geschmacklosigkeit!". Was Genscher wohl sagen würde, fragt die Publizistin. Nun, Genscher hat die ganze Zeit die FDP-Farbe auf dem Pullunder getragen, er schien mir das Konzept textiler Botschaften nicht komplett abzulehnen.
Und immerhin, beim Strazi-Shirt blieb nicht offen, ob es auch den Taurus umfasse. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen einem T-Shirt und dem Bundestag: Als letzterer nämlich über Waffen für die Ukraine abstimmte, war die Sache erstaunlich undurchsichtig.
Der erfolgreiche Antrag der Ampel ist nämlich ausgerechnet dort wischiwaschi, wo es um die angeblich wichtigste Waffe gehen könnte. Der Kanzlersprecher sagt, Taurus sei nicht drin, das sei "zwangslogisch" - womit wir schon wieder bei Politsprech wären. Der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD sagte wiederum, er wisse nicht, ob Taurus gemeint sei. Die Fraktionen, denen er ja nicht angehöre, würden sich schon etwas dabei gedacht haben. Man sieht ihm ein wenig an, dass er sich bei diesen Worten fühlt wie mit einer Clownsnase auf einer Beerdigung - unstimmig.
Stimmigkeit im Fladenbrot
Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun bezeichnet mit "Stimmigkeit", wenn jemand in Übereinstimmung mit dem eigenen Wesen sowie der Situation spricht. Stimmigkeit führt zu purer Freude. Mein sich sehr italienisch gebendes türkisches Café etwa, wo diese Kolumnen überwiegend entstehen, hat die Sucuk-Panini nun auf Sucuk-Fladenbrot umgestellt. "Ist gut?", fragt mich die türkische Chefin vorsichtig und ich sage, oh ja, Fladenbrot passe ja viel besser zu Sucuk. Sie strahlt: "Stimmt!" Schulz von Thun hätte es nicht treffender formulieren können.
Man muss kein Psychologieprofessor sein, um Stimmigkeit zu erkennen. Wenn Politiker sagen, was sie nicht sagen wollen, macht das auch etwas mit dem Publikum: Wir sind gelangweilt, abgestoßen, verdrossen. Aber es macht auch was mit den Rednern, den Politikern selbst: Wenn sie sagen müssen, was sie selbst nicht verstehen, klingen sie - eben wie Politiker oft klingen.
Unstimmigkeit schlägt unmittelbar durch auf die Art, wie wir uns ausdrücken. Einmal führte ich eine Diskussion mit einer Vorständin, die auf Geheiß ihrer Marketingabteilung den eigenen Laden als Pionier im digitalen Vertrieb präsentieren sollte. Wieder und wieder gingen wir ihr Skript durch und wieder und wieder war es ein wirklich schlimmes Gestammel. Die Frau verfügte über Charisma und Witz, aber sie wusste, sie sollte kleine Lügen erzählen: Ihr Unternehmen war nämlich nicht Pionier, sondern Nachzügler. Sie wurde zum Sprechroboter.
Was ist denn mit Laschet passiert?
Wie sehr vermeintlich miese Redner aufblühen, wenn die Stimmigkeit stimmt, zeigt gerade der gescheiterte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Mit seinen Reden gegen Rechtsextremismus feiert er dieser Tage große Publikumserfolge, die F.A.Z. bat verwundert zum Interview. Warum kann Laschet das auf einmal? Womöglich, weil er jetzt denkt, was er sagt, und sagt, was er denkt - frei von Kandidatensprech. Nun hört ihm die Öffentlichkeit zu. Es sind stimmige Auftritte.
Was zwei Fragen aufwirft: Musste er im Wahlkampf womöglich kleine Lügen erzählen, weil das CDU-Marketing es so wollte? Und: Leidet auch Olaf Scholz, das Schwarze Loch politischer Redekunst, womöglich nur an Unstimmigkeit? Es gibt sie immerhin, die guten Momente des Kanzlers. Er blüht auf, wenn er von Störern unterbrochen wird oder die Opposition ihn provoziert, wenn er zurückbrüllen kann. Sein Aufruf zum Impfen bei ProSieben war durchaus charismatisch. In beiden Fällen war Scholz’ Auftritt stimmig - weil das Ziel klar war.
Ist Scholz stimmig, bei der Ukraine? Draußen weiß tatsächlich niemand genau, was der Bundeskanzler eigentlich ultimativ vorhat. Der "Sieg" der Ukrainer ist nicht sein Ziel - jedenfalls sagt Scholz das nach wie vor nicht. Verlieren soll sie natürlich auch nicht. Da hält es Scholz ein bisschen wie mit der Frage nach St. Pauli oder HSV: Beides!
Geht es wirklich grad um alles?
Es war an einem Amerikaner, etwas sehr Treffendes zur paneuropäischen Unstimmigkeit in Sachen Ukraine zu sagen. Der US-Senator J. D. Vance sagte auf der Münchner Sicherheitskonferenz, so berichtet es die "Zeit"-Journalistin Mariam Lau, wenn die Freiheit Europas wirklich durch einen Sieg Putins bedroht würde - dann stimme unser Verhalten nicht mit dieser Erkenntnis überein.
Und so ist das T-Shirt der Strack-Zimmermann unstimmig und stimmig zugleich. Ja, es passt nicht zur gediegenen Stimmung im Land, zu der "deutschen Kriegsmüdigkeit", wie wir unsere Schockstarre manchmal beschönigen. Es passt nicht zur deutschen Angst vor schierer russischer Gewalt, die wir in Pietät hüllen und deshalb eine Politikerin wegen ihrer textilen Ausdrucksweise rügen.
Das Shirt passt aber durchaus zu dem, was die FDP-Frau vermutlich denkt: Ohne Taurus keine Freiheit. Das wiederum passt zur Realität wie Sucuk aufs Fladenbrot.
Quelle: ntv.de