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​Taurus-Debatten im Bundestag Union führt Ampel mit einfacher Frage vor

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Pistorius war der einzige Minister, der sich der Debatte stellte - Kanzler Scholz kam nicht in den Bundestag.

Pistorius war der einzige Minister, der sich der Debatte stellte - Kanzler Scholz kam nicht in den Bundestag.

(Foto: picture alliance/dpa)

CDU und CSU sind dafür, Grüne und FDP auch: Der Ukraine sollte der Marschflugkörper Taurus geliefert werden. In der SPD sieht es anders aus. Das führt zu einer mehrstündigen Debatte im Bundestag. Die ist überdurchschnittlich spannend und teilweise schmerzhaft für die Ampelfraktionen.

Als Verteidigungsminister Boris Pistorius im Bundestag die Ukraine-Hilfen der Bundesregierung verteidigt, fragt ihn Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: "Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?" Die kommt aus den Reihen der Union. CDU-Verteidigungsexperte Jürgen Hardt fragt den SPD-Minister, ob mit den "weitreichenden Waffensystemen" im Antrag der Ampelfraktionen der Marschflugkörper Taurus gemeint sei - ja oder nein?

Genau darum geht es an diesem Vormittag: Taurus, ja oder nein. Darüber debattiert die deutsche Politik nicht erst seit heute. Schon im Mai des vergangenen Jahres erbat die Ukraine die Lieferung der weitreichenden Waffe aus dem Bestand der Bundeswehr. Kanzler Olaf Scholz ließ lange "prüfen", bis er im Oktober entschied, der Taurus werde "vorerst" nicht geliefert. Seitdem hat die Union mehrfach Anträge zum Thema gestellt, die die Ampelfraktionen immer abgelehnt haben.

So auch an diesem Vormittag. Unionsfraktionschef Friedrich Merz sagt, die Ukraine bekomme nicht, was sie brauche, um sich zu verteidigen. "Ich bitte Sie alle, sich auch unserem Antrag anzuschließen und die Bundesregierung aufzufordern, der Ukraine endlich den Marschflugkörper Taurus zu liefern", betont er in seiner Eröffnungsrede. Das Drängen der Union hat einen ersten Erfolg: FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stimmt wie angekündigt für den Antrag der Opposition. Eine Mehrheit findet er dennoch nicht.

Ampel vermeidet Begriff Taurus

An diesem Vormittag diskutieren die Abgeordneten rund vier Stunden über das Thema - und es ist eine überdurchschnittlich emotionale Debatte. Technisch gesehen waren es zwei, weil nicht nur Antrag der Union, sondern auch ein ähnlicher Antrag der Ampelfraktionen besprochen wurde. Der auffälligste Unterschied ist, dass im Antrag der Union der Taurus ausdrücklich genannt wird, in demjenigen der Ampelfraktionen dagegen nur von "weitreichenden Waffen" die Rede ist. Das Wort Taurus kommt darin nicht vor.

Das hatte die SPD durchgesetzt und schützte damit den Kanzler und sein Zögern in der Frage. Sein Regierungssprecher hatte am Donnerstag bereits behauptet, es sei "zwangslogisch", dass mit den Beschreibungen im Ampelantrag nicht der Taurus gemeint sei. Der Antrag der Ampel wird schließlich angenommen - die Entscheidung über eine Taurus-Lieferung liegt aber weiter allein beim Bundeskanzler. Was eigentlich auf der Tagesordnung stehen müsse, dass der Bundeskanzler an einer Debatte teilnehme, fragt CDU-Verteidigungsexperte Johann Wadephul. Der habe bis heute nicht erklärt, warum er den Taurus nicht liefern wolle. Darauf hätten Deutschland, die Ukraine und der Bundestag aber ein Recht. Scholz ist tatsächlich nicht anwesend, das einzige Regierungsmitglied, das sich an der Debatte beteiligte, war Pistorius.

Diese uneindeutige Haltung zwang die Ampelfraktion mit ihrem Antrag zu etwas, was man kaum anders bezeichnen kann als Herumeiern. Denn Grüne und FDP sind ebenfalls für die Lieferung, der Großteil der SPD, mitsamt Kanzler, aber eben nicht. Damit öffneten sie der Opposition eine Flanke, die diese genussvoll ausnutzte. Denn besagte Frage, Taurus - ja oder nein, stellten Unionsabgeordnete nicht nur Pistorius, sondern immer wieder Rednern und Rednerinnen der Ampelfraktion.

Strack-Zimmermann: Kind beim Namen nennen

Pistorius mogelte sich um eine Antwort herum, indem er sagte, er habe den Antrag gelesen und die Antragssteller wüssten sicher, wie das gemeint sei. Er sei aber nicht Teil der Fraktion. Agnieszka Brugger von den Grünen sagte, ihre Position und die der Fraktion sei ja bekannt. Ähnlich äußerten sich andere Grünen-Abgeordnete, die zusehends genervt reagierten, wenn wieder jemand von der Union diese einfache Frage stellte. Vorwürfe, CDU und CSU würden dem Ernst der Sache nicht gerecht, wirkten aber etwas hilflos, da es ja tatsächlich darum ging, das "Kind beim Namen" zu nennen, wie Strack-Zimmermann in ihrem Redebeitrag sagte.

Noch im Januar hatte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses einen ähnlichen Antrag der Union abgelehnt. Nun brachten die Ampelfraktionen also einen eigenen Antrag ein, um die Ukraine ihrer Solidarität zu versichern. Der Antrag geht tatsächlich weit, fordert etwa eine Mitgliedschaft in der NATO und die Einhaltung der Grenzen von 1991, also inklusive Krim. Aber das Wort Taurus fehlt eben und das scheint Strack-Zimmermann so frustriert zu haben, dass sie beiden Anträgen zustimmte.

Als die SPD-Abgeordnete Gabriele Heinrich gefragt wurde, ob mit den Beschreibungen im Ampel-Antrag der Marschflugkörper Taurus gemeint sei, sagte sie: "Nicht zwingend." Das sei eine Interpretationsfrage. Ihr zufolge hat Scholz sich noch gar nicht entschieden. Er prüfe immer noch. "Wir stehen für umfassende Hilfe, humanitär, diplomatisch und natürlich auch mit Waffen", sagte sie.

Stegner zieht Debatte an Rand der Lächerlichkeit

Zuvor, in der ersten Debatte um den Unionsantrag, hatte SPD-Politiker Ralf Stegner den Ruf nach Taurus an den Rand der Lächerlichkeit gezogen: "Die dritte Wunderwaffe soll endlich die Realität auf dem Schlachtfeld umkehren", sagte er. Es ist ein rhetorischer Kniff, den SPD-Politiker seit nunmehr fast zwei Jahren anwenden: Sie unterstellen den Befürwortern von Waffenlieferungen, zu glauben, die gerade diskutierte Waffe sei ein endgültiger Game Changer. Tatsächlich behauptet wurde das weder vom Kampfpanzer Leopard noch vom Taurus. Stegner beklagte dann noch, dass der Ruf nach Verhandlungen und diplomatischen Initiativen lächerlich gemacht würde. Ein Beispiel nannte er nicht.

CDU-Chef Merz dagegen betonte, die Forderung nach Waffenlieferungen fielen auch der Union nicht leicht. Aber "Beschwichtigungen und Besänftigungen" bewirkten beim Putin-Regime "das Gegenteil von dem, was wir uns alle wünschen, nämlich ein Leben in Frieden und Freiheit".

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Pistorius lavierte zwar wie andere Ampel-Vertreter auch, wirkte mit seinen Äußerungen aber näher an Merz als an Stegner. Man müsse den Menschen ehrlich sagen, dass es jetzt darum gehe, "Abschreckung- und Verteidigungsfähigkeit" und auch "Kriegstüchtigkeit" zu gewährleisten, forderte er. Es nütze nichts, das zu beschönigen.

Die Debatte zeigte eine gute und eine schlechte Nachricht für die Ukraine. Die Gute: Die Regierung und die größte Oppositionsfraktion in Deutschland überbieten sich darin, wer der größere Freund der Ukraine ist. Die Schlechte: Der Taurus wird immer noch nicht geliefert.

Quelle: ntv.de

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