"Nur sie kann sowas" Abfahrerin Weidle überzeugt bei filmreifem Goggia-Coup
17.12.2022, 14:19 Uhr
Sofia Goggia (Mitte) und Kira Weidle (rechts) stehen zum ersten Mal gemeinsam auf dem Podest.
(Foto: picture alliance/dpa/KEYSTONE)
Skifahrerin Kira Weidle erlebt am Freitag einen bitteren Rennnachmittag, einen Tag später läuft es dramatisch besser: Deutschlands beste Abfahrerin rast aufs Podest. Den Sieg sichert sich Sofia Goggia - nach aufregenden, schmerzhaften 24 Stunden.
Mit Wut im Bauch stürzte sich Ski-Ass Kira Weidle aus dem Starthäuschen von St. Moritz, rund eineinhalb Minuten später jubelte die Starnbergerin über ihren ersten Podestplatz in diesem Winter. Deutschlands beste Abfahrerin zeigte sich nach ihrem Katastrophenritt vom Vortag wie verwandelt und setzte mit Platz drei ihr erstes Ausrufezeichen in dieser Speed-Saison. "Ich bin heute mit einem freien Kopf an den Start gegangen", sagte die Olympia-Vierte in der ARD. Kaffeetrinken mit den Eltern, Spazierengehen und bisschen Yoga, also "ein Nachmittag für die Seele", hätten ihr geholfen, den "inakzeptablen" 24. Platz vom Freitag zu vergessen.
Den Sieg holte sich die italienische Ausnahmeathletin Sofia Goggia vor Ilka Stuhec aus Slowenien. Goggia hatte sich beim Rennen am Freitag die Hand gebrochen und war noch am Nachmittag in Mailand operiert worden. Am Samstag startete die 20-malige Weltcupsiegerin mit einer "Triple-Hand", wie Goggia ihre geschwollenen Finger scherzhaft bezeichnete. "Manchmal denke ich, mein Leben ist wie ein Film. Ich muss allen Ärzten danken", sagte die Italienerin, die den Skistock mit Klebeband an ihrem Handschuh befestigt hatte. Mit einer Verbeugung zollte Weidle ihrer italienischen Kontrahentin Respekt, dann fielen sich die Freundinnen in die Arme. "Unglaublich, nur sie kann so was, weil sie so abgezockt ist und ihren Kopf ausschalten kann", kommentierte die gebürtige Stuttgarterin Goggias wilde Schussfahrt.
"Nicht nach einer Goggia die eins oder zwei sein"
Die Italienerin hatte bereits in der Vergangenheit diverse verrückte Ritte hingelegt: Beim Heimrennen in Cortina d’Ampezzo hatte es ihr drei Wochen vor Olympia in Peking im Januar im Super-G brutal die Beine verschlagen. Die bittere Diagnose: Ein Anriss im vorderen Kreuzband, ein kleiner Bruch im Wadenbein und ein schwer verstauchtes Gelenk. Die Hoffnung auf die große Gold-Show in Peking, sie war extrem gefährdet. Später holte sie frisch zusammengeflickt doch Silber in der Abfahrt. "Ich widme diese Medaille mir selbst, weil ich im Starthaus stand, und all den Menschen, die an mich geglaubt und mich auf diesem Weg, der sich nach Cortina in Luft aufzulösen schien, an die Hand genommen haben", sagte sie hinterher.
Weidle zeigte sich zufrieden, aber längst noch nicht am Ziel ihrer Träume. "Ich will nicht nach einer Goggia die eins oder zwei sein. Ich will mich mit ihr messen. Das ist der Anspruch an mich selber", formulierte die WM-Zweite als Vorgabe für die kommenden Wochen. Und der erste Sieg im Weltcup, der steht immer noch an. In St. Moritz hatte Weidle 0,52 Sekunden Rückstand auf die Italienerin.
Trotzdem: Die Formkurve von Deutschlands größter Speed-Hoffnung zeigt rund zwei Monate vor der WM in Frankreich nach oben. Aggressiv, angriffslustig und mit weiten Sprüngen demonstrierte Weidle eindrucksvoll, dass an guten Tagen mit ihr zu rechnen ist. Emma Aicher überraschte erneut und sammelte als 23. weitere Punkte in der Abfahrt. Die 19-Jährige startete bis zu dieser Saison im Weltcup ausschließlich in den Technik-Disziplinen. Katrin Hirtl-Stanggaßinger verpasste als 31. die Punkteränge knapp. Am Sonntag (11.30 Uhr) steht für die Damen in der Schweiz noch ein Super-G an.
Quelle: ntv.de, ter/dpa