Nächstes "Drama" für den DSV Goggia schafft das Wunder - und ist stinksauer

Der Zielschrei!

Der Zielschrei!

(Foto: AP)

Sofia Goggia tritt nach ihrem Horrorsturz vor ein paar Wochen beim Heimrennen in Italien in der olympischen Abfahrt an - und schafft tatsächlich das Medaillenwunder. Den Sieg allerdings verpasst sie - und ist zunächst stinksauer. Für den DSV wird es wieder bitter.

Zwischen der grenzenlosen Erleichterung und der gigantischen Enttäuschung bei diesen Olympischen Spielen liegen für Sofia Goggia nur wenige Minuten. Als die Italienerin in der Abfahrt über die rote Linie fährt, leuchtet tatsächlich die Eins auf der digitalen Anzeige auf. Ein Märchen. Vielleicht sogar ein alpines Wunder. Denn noch vor drei Wochen lief die 29-Jährige an Krücken. Beim Heimrennen in Cortina d’Ampezzo hatte es ihr im Super-G brutal die Beine verschlagen. Die bittere Diagnose: Ein Anriss im vorderen Kreuzband, ein kleiner Bruch im Wadenbein und ein schwer verstauchtes Gelenk. Die Hoffnung auf die große Gold-Show in Peking, sie war extrem gefährdet.

Und nun das. Mit Startnummer 13 hatte sich Goggia die Piste am Olympia-Berg Xiaohaituo auf ihre so besondere Weise heruntergestürzt. Hart am Limit, immer auf der Suche nach der aggressivsten Linie. Gefunden hat sie diese oft, aber nicht immer. Hin und wieder allerdings schlichen sich kleine Unsicherheiten ein. Eine Folge ihres heftigen Einschlags in Cortina? Körperlich nicht voll belastbar? Oder vielleicht doch einfach ein My weniger Vertrauen in die Stabilität ihres Knies? Wie erleichtert sie nach ihrer Fahrt war, das war für jeden im Zielraum (und am TV-Gerät) unüberhörbar. Goggia schrie wild. Und laut. Sehr laut. Dann schnappte sie sich die Kamera und schickte Küsse in die Heimat.

Ein ganz kurzes Glück

Die Hoffnung war groß, dass Goggia die Goldspur gefunden hatte. Wie so oft in den vergangenen Jahren. Sie ist einfach die dominante Speedfahrerin. In der Abfahrt noch stärker als im Super-G. Um sich für den Triumph in der Königsdisziplin zu schonen, hatte sie auf die Teilnahme im zweitschnellsten Wettbewerb der Alpinistinnen verzichtet. In diesem Moment schien der Plan aufzugehen. Doch das Glück der Italienerin währte eben nur wenige Minute. Oder aber exakt zwei Fahrerinnen. Mit Nummer 15 donnerte Corinne Suter den Hang herunter. Ein Hundertstel-Krimi von Zwischenzeit zu Zwischenzeit. Mit dem knapp besseren Ende für die Schweizerin, 0,16 Sekunden rettete sie über die Ziellinie. Ungläubiges Staunen. Verhaltene Freude. Noch.

Und ein paar Meter weiter? Die gigantische Enttäuschung. Stocksauer über das verpasste Gold stapfte Goggia aus der Leadersbox. Erst verzweifelt, dann augenscheinlich stinksauer. An der Schulter einer Kollegin suchte sie Trost. Ihr Traum, geplatzt. Ihr Erfolg dennoch ein Märchen. Niemand, auch ihre Konkurrentinnen, hatte geglaubt, dass es die Italienerin mit ihrer Geschichte tatsächlich nach Peking schafft. Dabei waren ihre Kämpfer-Qualitäten hinlänglich bekannt. Goggia ist eine, die es auf ihrer Linie am Limit immer wieder übertreibt. Heftig stürzt. Die "Neue Züricher Zeitung" schrieb vor ein paar Jahren: Wenn die Italienerin stürzt, greift sie gedanklich zum Radiergummi. Eine bessere Beschreibung ihres zerstörerischen Irrsinns auf Skiern gibt es wohl nicht.

"Ich bin gestürzt und habe zu meinem Trainer gesagt: 'Das schaffe ich nicht.' Wie soll ich die Abfahrt bestreiten? Ich hatte große Schmerzen im Knie", erzählte die Italienerin bei Eurosport. Aber aufgeben? Aufgeben, das tat sie nie. "Ich habe wirklich daran geglaubt, selbst an den dunkelsten Tagen", zitierte sie der italienische Verband. "Ich widme diese Medaille mir selbst, weil ich im Starthaus stand, und all den Menschen, die an mich geglaubt und mich auf diesem Weg, der sich nach Cortina in Luft aufzulösen schien, an die Hand genommen haben."

In anderen Sphären unterwegs

Bisweilen dringt die 29-Jährige mit ihrem Ski-Spektakel in die Sphären der legendären Amerikanerin Lindsey Vonn vor. Die war irgendwann so überlegen, dass sie sich lieber mit den Männern in einem echten Rennen duelliert hätte. Und so stellt sich auch bei Goggia oft genug nur die Frage: Wer wird die Beste vom Reste? Dass es ausgerechnet bei den Spielen anders kommt, man kann den Frust der Speed-Queen durchaus nachvollziehen.

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Frust schob auch Kira Weidle. Deutschlands schnellste Frau auf Skiern hatte nach sehr starken Trainingsfahrten offensiv mit einer Medaille geflirtet. Und verpasste diese als Vierte hauchzart. Für den DSV das zweite bittere Erlebnis dieser Spiele. Schon im Slalom hatte Lena Dürr das Stockerl nach Führung in Durchgang eins um einen Rang verpasst. "14 Hundertstel ist halt doch ein Stück", sagte sie zu ihrem Rückstand auf Rang drei, auf den Nadia Delgado aus Italien fuhr. "Hätte man besser machen können. Aber Rennen ist halt was anderes, und heute hat's halt leider nicht ganz perfekt funktioniert." Vor einem Jahr bei der WM in Cortina d'Ampezzo war das noch anders gewesen: Da brachte sie die beste Leistung ihrer Karriere im entscheidenden Moment, 0,20 Sekunden Rückstand auf Suter reichten zum Sensationssilber.

Wieder am Start war auch Mikaela Shiffrin. Die geschlagene Heldin dieser Spiele. Auch in der Abfahrt brachte sie ihre Qualität nicht auf die Bretter. Mit einem Rückstand von fast zweieinhalb Sekunden landete die Amerikanerin auf Rang 18. Immerhin: Sie lächelte im Ziel. "Lektion Nummer eins, die viele Leute bei den Olympischen Spielen lernen, ist, dass es keine Garantie für irgendwas gibt", sagte Shiffrin, die im Riesenslalom und Slalom als Gold-Kandidatin jeweils früh ausgeschieden war. "Jeden Tag, an dem ich auf diese Strecke gehe, habe ich das Gefühl, einen soliden Lauf runterbringen zu können. Das gibt mir die Chance, in meinem Kopf ein bisschen ruhiger zu werden", so Shiffrin. Lächeln konnte nach dem Rennen dann übrigens auch Sofia Goggia - und "biss" sogar noch vergnügt auf die zweitschönste Medaille. "Wie das Leben mir einen Streich gespielt hat, war zum Verzweifeln. Aber ich habe nicht aufgegeben und bin mental stark geblieben. Ich bin sehr stolz auf diese Leistung." Plötzlich war er verraucht, all der Ärger. Und das Wunder das, was es im Wortsinn auch sein soll: wunderbar.

Quelle: ntv.de

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