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Olympia-Heldin Annett Kaufmann Als eine 18-Jährige Deutschland zu Tränen rührt

Olympia-Heldin Annett Kaufmann überzeugte in Paris nicht nur an der Tischtennis-Platte.

Olympia-Heldin Annett Kaufmann überzeugte in Paris nicht nur an der Tischtennis-Platte.

(Foto: IMAGO/Eibner)

In Paris zaubert sich Annett Kaufmann mit emotionalem Powerplay zum Olympia-Liebling. Ihre größte Leistung ruft die 18-Jährige aber nicht an der Tischtennisplatte ab. Eine herzzerreißende Szene rührt ganz Deutschland zu Tränen - und offenbart eine große Anführerin.

Eigentlich soll sie gar nicht dort stehen. An der Platte. Aber sie steht da - und zaubert. Bei den Olympischen Spielen in Paris ist Tischtennis-Profi Annett Kaufmann eigentlich eine Ersatzspielerin. Doch wegen gleich zwei Verletzungen im deutschen Team rückt die Ende Juni erst 18 Jahre alt gewordene Linkshänderin auf, wird ins kalte Wasser der Weltbesten geworfen und schreibt ein Heldinnen-Märchen, das Deutschland ganz groß träumen lässt.

"Hätte mir jemand vor einem Jahr meine ersten Olympischen Spiele so beschrieben, wie sie dann kamen, wäre ich baff gewesen", sagt Kaufmann nach Olympia im Interview mit ntv.de. Ihren Auftritt in Paris "kann man durchaus als Märchen bezeichnen", findet sie. Weil Rio-2016-Silbermedaillengewinnerin Ying Han sich verletzt und bei Nina Mittelham im Einzelwettbewerb eine Bandscheibenverletzung wieder aufbricht, springt die dem großen Publikum in Deutschland unbekannte Kaufmann im Teamwettbewerb ein. Nicht nur das: Sie entwickelt sich innerhalb weniger Partien zur Anführerin und dem nächsten großen Stern am Tischtennis-Himmel hierzulande.

Ein paar Wochen zuvor büffelt Kaufmann, die schon bei den Jugendweltmeisterschaften 2023 mit drei Medaillen die beste Europäerin war, noch für das Abitur. Dann rockt sie in Paris - wo Tischtennis bei den Sommerspielen vor allem wegen eines weiteren Wunderkinds, dem Franzosen Félix Lebrun, einen regelrechten Hype auslöst - den Hexenkessel in der South Paris Arena 4 vor 6400 ekstatischen und brüllenden Fans, als wäre es die Gymnasium-Turnhalle von nebenan.

"Annett ist ein Wunder, wirklich"

"Ich war lange nicht so entspannt, wie ich bei den Olympischen Spielen war", sagt die Deutsche Meisterin dazu im Interview. "Ich mache mir normalerweise schon ein paar Gedanken vor Spielen, wenn beispielsweise etwas beim Einspielen nicht klappt. Aber in Paris war alles anders. Ich kenne den Grund nicht, aber ich hatte eine totale Ruhe in mir drinnen." Mit dieser Ausgeglichenheit fegt Kaufmann mal eben so fünf gestandene Teams weg. Auf dem Weg ins Halbfinale verliert der damals an Nummer 100 der Weltrangliste geführte Youngster kein einziges ihrer Matches. Unter anderem gegen die Nummern 27, 25 und 22 der Welt. Deutschland reibt sich die Augen und jubelt. Genauso wie Kaufmanns Teamkolleginnen: "Annett ist ein Wunder, wirklich. Sie ist zum ersten Mal bei Olympia. Dass sie so gut spielen kann mit 18", sagt die 41-jährige Altmeisterin Xiaona Shan.

Kaufmann katapultiert sich innerhalb weniger Tage in die Weltspitze. Mit ihren harten Schlägeln mit guten Winkeln und ihrem fast schon furchterregenden Faust-Jubel. Als sie ihren Matchball zum Einzug ins Halbfinale verwandelt, brechen ihre Kolleginnen in Tränen aus. "Ich habe gesehen, wie alle geweint haben und noch in einer Schockstarre waren", erinnert sich Kaufmann. "Ich meinte: 'Leute, warum weint ihr? Wir sind im Halbfinale!' Aber ich habe ihre Emotionen natürlich verstanden, das war ein sehr befreiender Moment."

Anführerin im Tal der Tränen

Im Halbfinale dominiert Kaufmann Miwa Harimoto, die Weltranglisten-Achte aus Japan, mit 3:0. Doch das deutsche Team verliert am Ende und auch im Spiel um Bronze setzt es gegen Südkorea eine Niederlage. Nachdem Kaufmann kurz konsterniert dreinblickt, offenbart sie ihre vielleicht größte Stärke: Minutenlang kümmert sie sich rührend um die bitterlich weinende und in sich zusammengesunkene Xiaona Shan, die den letzten Ball im Medaillenspiel über die Platte gespielt hatte. Nimmt sie in den Arm, herzt sie, spricht auf sie ein. Deutschland ist zu Tränen gerührt.

Als direkt nach der Pleite im ARD-Interview die völlig aufgelöste Yuan Wan bei der ersten Frage kein einziges Wort herausbringt und ihr verweintes Gesicht hinter den Händen verbringt, springt Kaufmann auch ihr zur Seite wie eine wahre Anführerin. Sie legt den Arm um die neun Jahre ältere Kollegin, streichelt ihren Rücken und antwortet tapfer, während ihr selbst die Tränen über die Wangen fließen.

Während sich Tischtennis-Legende Timo Boll in Paris unter Sprechchören und ebenfalls mit Tränen von Olympia verabschiedet, geht die internationale Karriere von Annett Kaufmann dort gerade erst los. Wenig später gewinnt sie die Jugendweltmeisterschaft. Als erste deutsche Frau überhaupt. Die Tischtennis-Euphorie in Deutschland wächst, dank einer coolen, herzlichen und starken Chefin an der Platte. Die Teenie-Sensation selbst sehnt sich derweil nach ganz anderen Dingen, wie sie im Interview mit ntv.de verrät: "Wenn ich irgendwann mit Taylor Swift Beerpong spiele, dann habe ich wirklich alles im Leben erreicht."

Quelle: ntv.de

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