Seit 1991 ohne Playoff-Sieg Die zahnlosen Tiger aus Cincinnati
15.01.2022, 11:01 Uhr
Hoffnungsträger Joe Burrow.
(Foto: imago images/UPI Photo)
Die Cincinnati Bengals warten seit 31 Jahren - so lange wie kein anderer Football-Profiverein in Nordamerika - auf einen Playoff-Sieg. Nun nehmen sie einen neuen Anlauf. Ausgerechnet gegen den Verein, gegen den alles begann.
Ist es Pech, Unvermögen oder gar ein Fluch? Oder vielleicht eine Mischung aus allem? Wie ist es zu erklären, dass die Cincinnati Bengals nach mitunter sehr guten Punktrunden in den Playoffs der National Football League seit mittlerweile 31 Jahren kein Spiel mehr gewonnen haben? Kein anderer Verein im nordamerikanischen Profisport wartet so lange auf einen Sieg.
Möglichkeiten hatten sie durchaus. Zwar nicht so viele, wie andere Organisationen, aber dennoch genug. Siebenmal waren die Bengals seit dem letzten K.o.-Runden-Erfolg, einem 41:14-Heimsieg am 6. Januar 1991 gegen die Houston Oilers, in den Playoffs. Siebenmal haben sie verloren. Das sorgt für Frust, Enttäuschung, Wut - und natürlich auch Gespött.
Dumme Niederlage gegen Pittsburgh
Es war alles dabei. Verdiente Niederlagen, schmerzvolle Niederlagen - und auch, wie am 9. Januar 2016, dumme Niederlagen aufgrund eigener Undiszipliniertheit. Cincinnati führte daheim gegen die Pittsburgh Steelers 16:15. Die Gäste waren an der 47-Yard-Linie der Bengals, also fast auf Höhe der Mittellinie - und sie hatten nur noch 21 Sekunden Zeit, die Partie zu drehen. Ein First-Down-Pass von Steelers-Quarterback Ben Roethlisberger auf Wide Receiver Antonio Brown war etwas zu hoch und der Spielzug somit vorbei.
Doch Bengals Linebacker Vontaze Burfict hatte Brown anschließend regelrecht umgemäht, erwischte ihn mit voller Wucht und dem Helm voran am Kopf, sodass dieser regungslos liegen blieb. Der Schiedsrichter bestrafte diese "übertriebene Härte" sowie ein "unsportliches Verhalten" von Cornerback Adam Jones mit insgesamt 30 Yards Raumverlust. Pittsburgh rückte somit bis zu Cincinnati's 17-Yard-Linie vor. Und von dort traf Kicker Chris Boswell 14 Sekunden vor Schluss per Field Goal mühelos zum 18:16-Steelers-Sieg.
Perfekte Heimbilanz, starke Abwehr - trotzdem verloren
Egal, ob die bengalischen Tiger Favorit waren oder eher Außenseiter, verloren haben sie immer. Von 2012 bis 2016 sogar fünf Jahre nacheinander. Dabei war die Zuversicht vor dem Heimspiel gegen die San Diego Chargers am 5. Januar 2014 besonders groß. Die Bengals hatten alle acht Heimspiele der Punktrunde gewonnen und dabei in den Partien vier bis acht im Schnitt 41,4 Punkte erzielt. Zudem war ihre Abwehr war die drittbeste der Liga.
Und zur Pause lag "Cincy" 10:7 vorn - doch am Ende gab es "eine der erstaunlichsten Playoff-Niederlagen der Vereinsgeschichte", wie ESPN urteilte. Quarterback Andy Dalton, der bereits großen Anteil an den Niederlagen in den beiden Jahren zuvor gegen die Houston Texans hatte, brachte die Chargers durch zwei Interceptions und einem Fumble dreimal in Ballbesitz. Die Kalifornier nutzten dies zu 20 Punkten und gewannen 27:10.
Leute vergessen erfolgreiche Bengals-Tage
"Immer, wenn sie in den Playoffs gespielt haben, dachtest du, 'diesmal gewinnen sie.' Und dann haben sie ihr schlechtestes Spiel gemacht", zitiert das Online-Portal "The Athletic" Ex-Defensive-Lineman John Thornton, der von 2003 bis 2008 das Bengals-Trikot trug. Chris Crocker spielte von 2003 bis 2013 in der NFL, die Hälfte davon in Cincinnati. Noch heute bekomme er oft zu hören, dass er "nie ein Playoff-Spiel gewonnen" habe, sagt der ehemalige Defensive Back.
Ken Anderson ärgert, dass die vergangenen 31 Jahre für viele als Sinnbild der Bengals gelten. Dabei stand der Verein mit ihm als Quarterback und "wertvollstem Spieler der Saison" (MVP) 1982 im Super Bowl, unterlag den San Francisco 49ers nur knapp 21:26. Sieben Jahre später das gleiche Duell, diesmal verlor Cincinnati 16:20. "Die Leute vergessen diese Tage. Das nervt", so Anderson.
Ist ein Fluch Schuld?
Laut "The Athletic" haben seit dem letzten Playoff-Sieg 681 Profis und 97 Trainer (sämtliche Assistenz- und Spezialtrainer eingerechnet/Anm. d. Red.) für die Bengals gespielt und gearbeitet. Keiner konnte die Serie beenden. Einige reden in Cincinnati deshalb von einem Fluch. Und der soll am 13. Januar 1991 begonnen haben. Im Playoff-Spiel bei den Los Angeles Raiders.
Deren Runningback Bo Jackson war ein Phänomen. So talentiert, dass er gleichzeitig in der NFL und der Major League Baseball spielte - und als Einziger in beiden Ligen zum All Star gewählt wurde. Seine herausragende Football-Karriere wurde jedoch an jenem 13. Januar 1991 beendet - durch Bengals-Linebacker Kevin Walker. Der hatte Jackson zwar regelkonform getackelt, der Superstar sich aber trotzdem verletzt. Sein Oberschenkelknochen war aus der Hüftpfanne gesprungen.
Trainer Taylor schaut nur nach vorn
Dass Cincinnati die Partie 10:20 verlor, war aufgrund von Jacksons Verletzung zunächst nur eine Randnotiz. Da die Bengals seitdem jedoch kein Playoff-Spiel mehr gewonnen haben, ist daraus der "Fluch des Bo Jackson" geworden. Als er das erste Mal davon gehört habe, da habe er noch gelacht und es witzig gefunden, betont Kevin Walker. Aber je länger die Sieglos-Serie andauere, desto mehr sei ihm der Gedanke gekommen, so Walker, "dass an dem Fluch vielleicht tatsächlich was dran" sei.
Zac Taylor interessieren derlei Theorien nicht. Der Trainer der Bengals beschäftigt sich nicht mit irgendwelchen höheren Mächten aus der Vergangenheit, sondern ausschließlich mit der sportlichen Gegenwart. Das 31-jährige Warten auf einen Playoff-Sieg. Die sieben Niederlagen in der K.-o.-Runde. Egal. "Wir reden überhaupt nicht darüber. Das hier sind die 2021 Bengals - und nur das zählt", betont Taylor.
Quarterback Burrow als Hoffnung
Er kommt aus Nebraska. Sein Quarterback, Joe Burrow, ist in Ohio aufgewachsen. Cincinnati liegt in Ohio und Burrow kennt somit die Stories um die Playoff-Probleme seines Vereins zur Genüge. "Ich weiß genau, wie die Leute hier über die Bengals reden." Der Spielmacher ist im Dezember 1996 geboren, knapp fünf Jahre nach Cincinnatis letztem Playoff-Sieg. Er bestreitet nun, genauso wie Trainer Taylor, sein erstes Playoff-Spiel. Die beiden sind die Hauptgründe dafür, dass sie in Cincinnati glauben, die negativen K.-o.-Runden-Kapitel endlich beenden zu können.
Gegner sind die Las Vegas Raiders, gegen deren Vor-Vorgänger (von 1994 bis 2019 waren es die Oakland Raiders/Anm. d. Red.) die Tristesse begann. Es wäre der ideale Kontrahent und die perfekte Gelegenheit, die Pech-Strähne, die Sieglos-Serie, den Fluch endlich zu beenden. Nach 11325 Tagen.
Quelle: ntv.de