Deutscher gewinnt bei Darts-WM Kurioses und Drama: Erst zerbricht der Pfeil, dann der Schotte
17.12.2024, 06:19 Uhr
Kai Gotthardt liebt die große Bühne, aber ohne Drama geht's beim Sieg gegen Alan Soutar nicht.
(Foto: PDC/Taylor Lanning)
Ein gebrochener Dartpfeil, ein in Tränen aufgelöster Schotte und ein souveräner Sieg des "Iceman". Das war Tag 2 bei der Darts-Weltmeisterschaft in London. Aus deutscher Sicht wurde eine Traum-Bilanz weiter verbessert.
Der deutsche Dartspieler Kai Gotthardt hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern der Darts-Weltmeisterschaft sicher. Der durchaus überraschende wie überzeugende Sieg gegen den leicht favorisierten Schotten Alan Soutar ist aber nicht der alleinige Grund dafür. Vielmehr wird das Spiel wegen eines gebrochenen Dartpfeils bis in alle Ewigkeit einen Platz im Kuriositätenkabinett der Weltmeisterschaft sicher haben.
Was ist passiert? Im ersten Satz führt Alan Soutar mit 2:1, als Gotthardt im vierten Leg plötzlich nicht mehr weiterspielt. Der Barrel von einem seiner drei Dartpfeile ist in zwei Teile zerbrochen. Das Verbindungsstück hält üblicherweise Spitze und Schaft des Pfeils zusammen. Aber nicht mehr in diesem Moment. Gotthardt wirkt kurz verdutzt, zeigt seinem Gegner Alan Soutar den gebrochenen Pfeil und geht dann zum Schiedsrichter, der sofort Verständnis zeigt. So kann es nicht weitergehen.

Das hat die Darts-WM noch nicht gesehen: Ein Dartpfeil von Kai Gotthardt zerbricht mitten im Spiel in zwei Teile.
(Foto: picture alliance / empics)
Das Problem: Gotthardt hat keinen Ersatz-Dart mit auf die Bühne genommen, was eigentlich Usus ist. Manche Spieler bringen ein ganzes Arsenal an Pfeilen mit zum Spiel.
Nicht aber Kai Gotthardt. "Ich spiele diese Darts seit viereinhalb Jahren. Es ist nie etwas passiert. Ich habe vor dem Spiel noch mit meinem Sponsor gesprochen, ob ich nicht Ersatz mitnehmen sollte", sagte der 29-jährige Esslinger (Baden-Württemberger) nach seinem Sieg mit jeder Menge Drama.
Starke deutsche Debüt-Bilanz
Einen Ersatz-Barrel montiert Gotthardt stattdessen hinter der Bühne. Die Partie geht nach etwa vier Minuten Unterbrechung weiter. Gotthardt startet mit 97 Punkten, setzt direkt eine 140 nach, verliert den ersten Satz aber trotzdem mit 2:3. Doch davon lässt sich der WM-Debütant nicht nachhaltig beeindrucken. Drei Sätze nacheinander gehen anschließend an Gotthardt, der seinen Sieg lautstark mit einigen Freunden im Publikum feiert und am Freitag den Weltranglisten-Achten Stephen Bunting in der zweiten Runde fordern wird.
Mit dem Sieg beim Premieren-Spiel im legendären Londoner Alexandra Palace untermauert Gotthardt eine beeindruckende deutsche Bilanz. Von den nun 18 Deutschen, die seit 2006 bei der Darts-WM debütiert haben, gewannen 12 ihr Debüt-Spiel. Die Serie begann mit dem in diesem Sommer verstorbenen Tomas "Shorty" Seiler, der bei der Weltmeisterschaft 2006 sein Auftaktmatch gegen Jamie Harvey mit 3:0 gewann. Ihn und Gotthardt eint jetzt, dass sie beide einen Schotten beim Debüt geschlagen haben.
Die starke Debüt-Bilanz der deutschen Dartspieler kann am Donnerstag sogar noch weiter verbessert werden. Dann trifft der 24-jährige Niko Springer auf Vorjahres-Halbfinalist Scott Williams. Der Mainzer ist das derzeit vielversprechendste deutsche Darts-Talent und hat sich durch seine Leistungen in diesem Jahr nicht nur erstmals einen Startplatz bei der WM, sondern auch auf der Profitour gesichert.
"Iceman" Price profitiert von Doppel-Desaster
Bevor es für Springer ernst wird, startet aber heute erstmal Ricardo Pietreczko ins Turnier. Die Nummer 34 der Weltrangliste zog voriges Jahr beim Debüt in die dritte Runde ein und hatte den späteren Weltmeister Luke Humphries am Rande einer Niederlage. Gegen den Chinesen Xiao Chen Zong (ca. 21 Uhr, Sport1/Dazn) ist Pietreczko, der als einer von sechs Deutschen bei der WM dabei ist, klarer Favorit.
Später am heutigen Dienstagabend wird dann auch der Weltmeister von 2020 und 2022 ins Turnier einsteigen. Peter Wright ist aufgrund einer miserablen Form allerdings nur Außenseiter bei dieser WM. Schon heute Abend könnte ihm gegen den Niederländer Wesley Plaisier das Aus drohen.
Am Montagnachmittag hatte nach dem Gotthardt-Drama bereits ein anderer Niederländer für Furore gesorgt. Jermaine "Machine Gun" Wattimena bezwang den Weltranglisten-16. James Wade deutlich mit 3:0. Damit ist der erste gesetzte Spieler bereits am zweiten Turniertag ausgeschieden.
Besser machte es am Abend Gerwyn Price. Der 2021er-Weltmeister hatte gegen Keane Barry auf dem Papier keine Probleme, gibt beim 3:0-Satzerfolg nur zwei Legs ab. Doch zur Wahrheit gehört auch: Der junge Barry, am Vortag noch beeindruckend stark unterwegs gewesen, erlebt ein unfassbares Doppel-Desaster. Von 24 Versuchen trifft der 22-jährige Ire nur zweimal das acht Millimeter schmale Doppelfeld. Eine grotesk schlechte Bilanz. Price, auch nicht berauschend unterwegs, zieht mühelos in die nächste Runde ein. Weiter geht's für den "Iceman" aber erst nach Weihnachten.
Cameron Menzies weint bittere Tränen
Noch bemitleidenswerter war am Abend allerdings das Spiel von Cameron Menzies. Der Schotte hatte in diesem Jahr seinen Durchbruch in die erweiterte Weltspitze geschafft und war demnach mit hohen Erwartungen zur WM gereist. Doch Menzies, der neben dem Darts weiterhin in Teilzeit als Klempner arbeitet, zerbrach an den Erwartungen, dem Druck und privaten Sorgen um seinen gesundheitlich angeschlagenen Vater, der sich gerade von einer Operation erholt.

Cameron Menzies bricht nach der Niederlage gegen Leonard Gates in Tränen aus.
(Foto: picture alliance/dpa/PA)
Gegen Außenseiter Leonard Gates aus den USA liegt Menzies mit 1:2 in den Sätzen und 1:2 in den Legs zurück, als ihn die negativen Emotionen regelrecht übermannen. Plötzlich stehen Menzies die Tränen ins Gesicht. Mit glasigen Augen schafft es Menzies, den Satz noch auszugleichen, doch im Entscheidungsleg des vierten Durchgangs geht überhaupt nichts mehr. Gates hat keine Mühe, den Sieg unter Dach und Fach zu bringen.
Menzies ist in dieser Situation nur noch ein Häufchen Elend. Gates, 54-jähriger LKW-Fahrer aus Texas, feiert überschwänglich. Das Publikum, kein bisschen empathisch, hat für den Schotten auch keinerlei Mitleid übrig. Der 35-Jährige verlässt die WM-Bühne als gebrochener Mann.
Gates fühlt anschließend auf der Pressekonferenz mit seinem geschlagenen Gegner mit. "Cameron ist ein großartiger Typ. Ich hoffe, ich konnte ihm einige Dinge sagen, die ihm im Spiel und möglicherweise auch in seinem Leben helfen. Er muss selbst herausfinden, ob er sich vielleicht besser professionelle Hilfe holen sollte."
Heute dürfte Menzies aber trotz des Ausscheidens erstmal zurück in den "Ally Pally" kommen, wenn er am Abend seine Freundin Fallon Sherrock anfeuert. Die "Queen of the Palace" trifft im Duell der beiden gelernten Friseure auf Ryan Meikle (ca. 22 Uhr, Sport1/Dazn). Der Sieger trifft dann am Wochenende auf Darts-Wunderkind Luke Littler, den 17-jährigen Vize-Weltmeister.
Quelle: ntv.de