Minnesotas wundersame Wikinger Hass-Duell als Auftakt für "wichtigste Spiele der Saison"
29.12.2024, 15:38 Uhr
Justin Jefferson schürt den Hass vor dem Spiel gegen die Green Bay Packers.
(Foto: IMAGO/Imagn Images)
Die Minnesota Vikings sind die Überraschung der Saison, haben mit Sam Darnold den Aufsteiger der Saison und stellen mit Kevin O'Connell wohl den Trainer der Saison. Sie können sogar noch den Vereinsrekord einstellen - aus der magisch, tragischen Saison 1998.
Justin Jefferson hat Bock, richtig Bock. "Ich liebe diese Art von Spielen", sagt der Wide Receiver der Minnesota Vikings vor dem Topspiel gegen die Green Bay Packers (22:25 Uhr). "Das sind die Spiele, die du wirklich brauchst. Spiele, auf die sich jeder freut, sie zu sehen", betont Jefferson. Und dann wollte der 25-Jährige noch was loswerden. Etwas, das bei diesem Duell allerdings so selbstverständlich ist, wie Lichter am Weihnachtsbaum: "Jeder weiß, wir hassen sie - und sie hassen uns."
Das 129. Aufeinandertreffen der Divisionsrivalen ist eines von großer Bedeutung. Beide sind bereits für die Playoffs qualifiziert. Doch für Minnesota geht es noch um den möglichen Titel der NFC North, ja vielleicht sogar noch darum, die Conference zu gewinnen. Die Vikings haben eine Bilanz von 13:2 - genauso, wie die in der Division und der Conference führenden Detroit Lions. Und auf die Löwen aus der Autostadt trifft Minnesota in einer Woche zum Vorrunden-Abschluss.
Seit mehr als zwei Monaten nicht mehr verloren
Die Rechnung ist einfach: zwei Siege - und die Vikings wären Erste. In Minnesotas größter Tageszeitung, der "Minnesota Star Tribune", ist deshalb von den "wichtigsten Spielen der Saison" die Rede. Und was für eine Saison es bislang schon gewesen ist. Fünf gewonnene Spiele zu Beginn. Dann zwei Niederlagen (29:31 gegen Detroit und 20:30 bei den Los Angeles Rams) und seitdem acht Siege nacheinander. Kein anderes NFL-Team hat so lange nicht mehr verloren.
Kevin O'Connell gilt als Favorit für die Auszeichnung zum "Trainer des Jahres". Denn Kevin O'Connell hat Sam Darnold reanimiert. Er hat dem völlig verunsicherten, weil zuvor bei den New York Jets und den Carolina Panthers kläglich gescheiterten, Quarterback wieder ein Rückgrat gegeben, ihm Selbstvertrauen und Zuversicht eingeflößt - und somit dafür gesorgt, dass Darnold eine dieser Aufsteiger-Storys des Jahres liefert.
"Big-time Football" endlich auch für Darnold
Er spielt seine siebte NFL-Saison, und es ist seine mit Abstand beste. Darnold hat mit seinen Würfen einen Raumgewinn von 3776 Yards erzielt, 32 Pässe führten zu einem Touchdown und 67,2 Prozent seiner Anspiele kamen an - alles Karriere-Bestwerte für den 27-Jährigen. Es mache Spaß, "bedeutungsvolle Partien am Ende der Saison zu spielen", sagt Darnold. Er spricht vom "Big-time Football" - und endlich ist er auch dabei.
Nun gibt es bei dieser Wohlfühlgeschichte dieses Samuel Richard Darnold allerdings auch eine Schattenseite. Denn es könnte sein, dass dies heute sein letztes Hauptrunden-Heimspiel im Vikings-Trikot wird. Sein Vertrag gilt nur für diese Saison - u nd sein Vertrag ist ein vereinsfreundlicher. Darnold spielt derzeit für zehn Millionen Dollar. Das mag im Frühjahr gerechtfertigt gewesen sein, denn da kam er als tief Gefallener nach Minnesota. Doch seit September hat sich Darnold als einer der top Quarterbacks der Liga etabliert. Und somit wird sein großer Zahltag im Frühjahr kommen. Unklar ist nur noch, wo? Ob in Minnesota oder woanders. Am Samstag war bei "The Athletic" zu lesen, dass die Vikings weiterhin mit Darnold zusammenarbeiten wollen.
Vom Lückenfüller zum Leader
Allerdings hatten sie ihn eigentlich nur als Platzhalter eingeplant. Denn Rookie J.J. MCarthy sollte ursprünglich der Starting Quarterback sein. Deshalb hatte Minnesota ihn bei der Talenteverteilung Draft im Frühjahr bereits an zehnter Stelle ausgewählt. Doch dann zog sich McCarthy im ersten Vorbereitungsspiel einen Meniskusriss im rechten Knie zu. Seitdem fehlt er - und seitdem hat Darnold gezeigt, dass er mehr als nur ein Lückenfüller ist. Und sein Preis dürfte steigen, wenn er in den beiden verbleibenden Hauptrunden-Partien, sowie in den anschließenden Playoffs so weitermacht wie bisher.
Gewinnt Minnesota gegen Green Bay und in Detroit, hätte das Team den Vereinsrekord von 15 Siegen aus dem Jahr 1998 eingestellt. Und was wäre das für ein Statement. Denn 1998 hatten die Vikings eine magische Mannschaft. Eine, von der die Minnesotans noch heute schwärmen. Quarterback Randall Cunningham spielte die beste Saison seiner Karriere. Er führte eine Offensive an, die mit 556 Punkten einen damaligen NFL-Rekord aufstellte, der heute, 26 Jahre später, immer noch der Fünftbeste der Liga-Geschichte ist.
Magische Saison endet brutal im Halbfinale
Jener Vikings-Angriff produzierte in keiner der 16 Partien weniger als 24 Zähler. Cunningham hatte Anspielstationen wie Runningback Robert Smith, der den Football für einen Raumgewinn von 1187 Yards durch Amerikas Arenen trug. Oder den erfahrenen Wide Receiver Cris Carter (1011 Yards/12 Touchdowns) und den jungen, 21 Jahren alten Randy Moss, der gerade neu in die Liga gekommen war, aber mit 17 Touchdowns gleich einen Rookie-Rekord aufstellte und bei der Wahl zum wertvollsten Spieler (MVP) sofort Dritter wurde.
Zehn Vikings-Spieler waren beim Pro Bowl dabei, also dem Allstar-Spiel. 15 Siege in 16 Spielen - das war zuvor nur den San Francisco 49ers (1984) und den Chicago Bears (1985) gelungen. Und beide waren anschließend auch Meister geworden. Die Titelträume der 98er-Vikings hingegen zerplatzten brutal im Halbfinale, als sie trotz einer zwischenzeitlichen 20:7-Führung im zweiten Viertel gegen die Atlanta Falcons noch 27:30 nach Verlängerung verloren.
Vom Helden zur tragischen Figur
Wer heute noch Vikings-Fans auf jene Partie anspricht, kommt am Namen Gary Anderson nicht vorbei - und an einem fassungslosen Kopfschütteln. Anderson hatte 1998 alle 35 Field Goals verwandelt - und auch alle 59 extra Punkte. Der Südafrikaner war somit der erste Kicker der NFL-Geschichte mit einer Trefferquote von 100 Prozent. Ausgerechnet im wichtigsten Spiel der Saison, gegen Atlanta, verpasste er dann jedoch vier Minuten vor Spielende einen Field-Goal-Versuch aus 39 Yards. Es war sein einziger Fehlschuss der Saison - aber es war der entscheidende. Eine Aktion, mit der die Sehnsüchte von einem warmen Super-Bowl-Wochenende in Miami für die wintererprobten Vikings und ihre Fans abrupt endeten - und die Saison von einer magischen zu einer tragischen wurde.
Quelle: ntv.de