Fußball

Druck auf Bundestrainer wächst Steinmeier macht Ansage, Kanzler muss weg, Flick bleibt noch

Immerhin eins ist sicher: Eine europäische Nation wird die Europameisterschaft 2024 gewinnen.

Immerhin eins ist sicher: Eine europäische Nation wird die Europameisterschaft 2024 gewinnen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Exakt ein Jahr vor dem Anpfiff der Heim-EM kann von Euphorie um die Fußball-Nationalmannschaft keine Rede sein. Daran ändert auch eine T-Shirt-Aktion mit dem Kanzler nichts. Der hat ohnehin wenig Zeit. Deutschland hat momentan ganz andere Baustellen. Der Druck auf die DFB-Elf wächst.

Der Kanzler war für Hansi Flick auch keine Hilfe. Nach gut 15 Minuten mit maximal protokollarischer Vorfreude verabschiedete sich Olaf Scholz in Berlin vom Countdown-Termin exakt ein Jahr vor der Heim-EM zur Kabinettssitzung. Zur selben Zeit bereiteten sich der Fußball-Bundestrainer und seine aus der Spur geratenen Nationalspieler im sonnigen Frankfurt/Main auf das Training vor. Die etwas mehr als eine Stunde dauernde Einheit auf dem DFB-Campus noch ohne Triple-Champion İlkay Gündoğan mit intensiven Passspielen wirkte wie jede andere - wie Alltag im Stimmungstief.

Wie es zwölf Monate vor dem Anpfiff in München um die EM-Euphorie steht, bekam DFB-Sportdirektor Rudi Völler zwei Tage vor dem nächsten Testspiel in Warschau gegen Polen live im Radio zu hören. Zwischen von ihm ausgewählten 80er-Jahre-Songs wurden dem 63-Jährigen am Mittwochmorgen bei Hit Radio FFH Hörerfragen vorgelesen. Die erste ging nicht um den Lieblingssong von Youngster Jamal Musiala, oder darum, was Niclas Füllkrug am liebsten isst - die Hörerin wollte wissen, ob Hansi Flick trotz allem Trainer bleibe.

Bundestrainer und Sportdirektor: Hansi Flick (l) und Rudi Völler.

Bundestrainer und Sportdirektor: Hansi Flick (l) und Rudi Völler.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

"Ja, natürlich", antwortete der einstige Teamchef im ihm eigenen Brustton der Überzeugung, der auch nach Beiläufigkeit wegen einer eigentlich unnötigen Frage klingen kann. Flick sei "ein absoluter Top-Trainer, der alles dafür tut, dass wir in den nächsten Spielen die Begeisterung zurückholen nach Deutschland", sagte Völler und versprach für die deshalb bedeutsamer als geplant gewordene Partie am Freitag (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf ntv.de) gegen Polen und Flicks früheren Bayern-Topspieler Robert Lewandowski eine Leistungssteigerung.

Flick trifft auf Torjäger aus besseren Zeiten

"Wir wollen es besser machen, und wir wissen ja, dass wir die Spieler haben, die die Menschen begeistern können", sagte Völler, wissend, dass das am Montag bei dem die Tristesse verstärkenden 3:3 in Bremen gegen die Ukraine genauso wenig gelungen war wie Flicks System-Experiment mit der Dreierkette. Es war die zehnte sieglose Partie aus den vergangenen 14 Länderspielen. Die Mannschaft wurde zwischendurch ausgepfiffen. Das verunsichere zusätzlich, sagte der Mönchengladbacher Jonas Hofmann: "Da sind wir auch nur Menschen auf dem Platz."

Den Frust spielten sich die DFB-Profis am Dienstag beim gemeinsamen Bowlingabend von der Seele. Am Donnerstag reist der DFB-Tross nach Warschau. "Das Ergebnis ist im Endeffekt das, was zählt. Es ist unser Job, Ergebnisse zu liefern", sagte Hofmann nach dem Training. Champions-League-Sieger Gündoğan von Manchester City und auch Robin Gosens vom Final-Verlierer Inter Mailand und der weiterhin verletzte Timo Werner fehlten. Gündoğan und Gosens könnten trotzdem bei Flicks Veränderungsideen für Freitag schon eine Rolle spielen. Am kommenden Dienstag folgt dann noch Partie Nummer drei gegen Kolumbien.

Auf seine Dreierkette, deren Besetzung der Bundestrainer auf den Prüfstand stellen muss, kommt im Nationalstadion neben Lewandowski eine schwer einzuschätzende, verjüngte polnische Auswahl zu. Es werde "viele Emotionen geben, nicht nur sportliche, sondern auch private", sagte Lewandowski vor dem Wiedersehen mit vielen alten Bekannten. Dass der Stürmer, der maßgeblichen Anteil an Flicks Triple-Triumph 2020 mit dem FC Bayern München hatte, jetzt die Lage rund um den Bundestrainer noch verschlechtern kann, ist eine Anekdote dieser Länderspielphase.

Bundespräsident fordert mehr Herz

Die aufkommende Kritik am Bundestrainer gehöre "ein bisschen zu unserem Geschäft", sagte Völler. "Das muss man ernst nehmen, klar. Aber man darf es auch nicht überbewerten. Das ist auch aus einer gewissen Enttäuschung heraus." Flick trage noch "die Hypothek" vom Vorrunden-Aus bei der WM Ende 2022 in Katar auf den Schultern. Er habe aber zuvor und auch schon bei den Bayern gezeigt, "welch toller Trainer er ist. Er macht sich jeden Tag Gedanken, wie wir ein paar Dinge verbessern können, und das werden wir auch".

Kurz nach Völlers Stand-jetzt-Jobgarantie für Flick bezeichnete Bundeskanzler Scholz in Berlin die Heim-EM als "ganz wichtiges Ereignis" für Deutschland. Viele Menschen würden auf das Turnier "hinfiebern", und "viele begreifen das als ein großes Fest in Europa". Ob er sich beim Hinfiebern einbezog, blieb im Kanzlergarten offen. Scholz zeigte sich unter anderem neben Turnierchef Philipp Lahm und Turnier-Botschafterin Celia Sasic mit einem weißen T-Shirt mit der Aufschrift "Heimspiel für Europa". Das EM-Motto der Politik war auch auf dem Sockel zu lesen, auf dem der silberne Pokal stand.

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Bundespräsident Walter Steinmeier meldete sich via Welt-TV aus Eckernförde. "Ich hoffe sehr darauf, dass mehr Herz und mehr Leidenschaft in das deutsche Spiel hineinkommen", sagte er: "Da ist noch Luft nach oben. Ich bin, glaube ich, nicht der Einzige, der das so beurteilt."

In Frankfurt stand für Flick, Eintracht-Torwart Kevin Trapp, Emre Can und Leroy Sané am Nachmittag ein Besuch beim Jahrestag-Fest der EM-Gastgeberstadt auf dem Programm. Das Quartett schrieb eine gute halbe Stunde lang etliche Autogramme und erfüllte Selfie-Wünsche. Auch das war in der Mainmetropole aber nicht unbedingt das Tages-Highlight. Tausende Menschen nahmen am Mittwoch am großen Firmenlauf teil, der die Stadt in Teilen lahmlegte.

Quelle: ntv.de, sue/dpa

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