Zweimal Gold, "ein bis sieben Bier" Doppelvierer mutieren zu Partybooten
11.08.2016, 16:05 Uhr
Die deutschen Ruderer bejubeln in Rio innerhalb von gut zehn Minuten zweimal Olympia-Gold. Erst siegt der Doppelvierer der Männer, kurz danach ziehen die Frauen nach. Dabei sind beide Boote erst seit wenigen Wochen endgültig aufgestellt.
Nach ihrem goldenen Doppelschlag wurden die Doppelvierer zu Partybooten. Karl Schulze riss sein schwarz-rot-goldenes Ruder hoch, Lauritz Schoof stand nach dem sensationellen Gold-Coup triumphierend mit ausgebreiteten Armen auf seinem Rollsitz. Als die Frauen 13 Minuten später ihrer Favoritenrolle gerecht wurden, standen sie den inzwischen auf dem Siegersteg feiernden Männern in nichts nach. Annekatrin Thiele lief in einem wagemutigen Balanceakt durch das ganze Boot und sprang dann im Überschwang der Gefühle ins Wasser.
Cheftrainer Marcus Schwarzock verfolgte das Treiben mit "Gänsehaut am ganzen Körper". Dafür hätten alle vier Jahre hart gearbeitet, meinte Schwarzrock: "Das sind Sportler, auf die man sich verlassen kann." Die Doppelvierer sorgten mit ihren furiosen Goldfahrten auf der Lagoa Rodrigo de Freitas nicht nur im Deutschen Ruderverband für Hochstimmung, sie polierten auch die bisher so enttäuschende deutsche Medaillenbilanz in Rio de Janeiro kräftig auf. Als Hans Gruhne aus Potsdam, Schulze aus Dresden, Schoof aus Rendsburg und Philipp Wende aus Leipzig die deutsche Nationalhymne nach ihrem Parforceritt inbrünstig mitsangen, dachten sie daran aber nicht. Die Weltmeister des vergangenen Jahres hatten nach einer Saison mit vielen Problemen auf ein solches Happy-End kaum noch zu hoffen gewagt. "Davon haben wir vielleicht geträumt, aber nicht damit gerechnet", sagte Wende.
"Aus dem letzten Loch gepfiffen"
Im richtigen Moment war der Männer-Doppelvierer aber da. Mit einem furiosen Start zog das DRV-Boot in Front, baute seinen Vorsprung aus und wehrte am Ende auch den Angriff der favorisierten Australier - dank seiner guten Physis bei Gegenwind - ab. "Da haben wir aus dem letzten Loch gepfiffen", sagte Schulze: "Wir haben von Beginn an das Herz in die Hand genommen. Wer uns schlagen wollte, hätte mitgehen müssen." Das tat, das konnte aber niemand. So durften Schulze, Wende und Schoof wie schon vor wir Jahren in London über Gold jubeln, damals noch mit Schlagmann Tim Grohmann an Bord. Grohmann saß auch zu Saisonbeginn noch im Doppelvierer, doch vor dem Weltcup-Finale in Posen Mitte Juni wurde er durch Gruhne ersetzt. Damit war die WM-Crew von 2015 wieder beisammen.
"Das Projekt drohte mehrmals in dieser Saison zu scheitern. Aber wir haben bewiesen, dass wir es können", sagte Schulze und kündigte für die Feier am Abend den Genuss von "ein bis sieben Bier" an: "Dann sehen wir weiter." Auf die Party ins Deutsche Haus mussten sie nicht alleine gehen - der Frauen-Doppelvierer mit Thiele, Carina Bär aus Heilbronn, Julia Lier aus Halle/Saale und Schlagfrau Lisa Schmidla aus Krefeld war nach dem Triumph vor den Niederlanden und Polen ebenfalls in bester Feierstimmung. Thiele konnte ihr Glück kaum fassen: In Peking 2008 (Doppelzweier) und London (Doppelvierer) hatte es "nur" zu Silber gereicht. "Aller guten Dinge sind drei", sagte die 31-Jährige, die trotz der bedenklichen Wasserqualität in die Lagune sprang. "Ich bekomme im Boot ohnehin das meiste Wasser ab", erklärte sie mit einem breiten Grinsen.
Bis 500 Meter vor dem Ziel lag das favorisierte Boot hinter Polen nur auf Rang zwei, doch mit einem unwiderstehlichen Schlussspurt sorgte das Quartett für großen Jubel unter den deutschen Fans - und das erste deutsche Ruder-Gold im Frauenbereich seit zwölf Jahren. "Unsere Schlagfrau kann ein super Endspiel fahren, und da sind wir alle mitgegangen", sagte Bär. Schmidla meinte, es habe sich angefühlt, "als ob man auf Schienen gleitet". Durch die beiden Goldmedaillen wurde überdeckt, dass der DRV in Rio nur in drei der 14 Finals vertreten ist. Letzte Medaillenhoffnung ist der Deutschland-Achter, der im Finale am Samstag ab 16.24 Uhr unserer auf Weltmeister Großbritannien, Rekord-Olympiasieger USA, die Niederlande, Neuseeland und Polen trifft.
Quelle: ntv.de, Oliver Mucha, sid