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Ego-Shooter der großen Fragen "Immortals of Aveum" scheitert an seinen kreativen Schöpfern

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Ein paar epische Momente gibt es schon in "Immortals of Aveum".

Ein paar epische Momente gibt es schon in "Immortals of Aveum".

(Foto: Electronic Arts/Screenshot)

Videospiele können politisch sein, meist lässt sich aber eine Aussage erst auf den zweiten Blick erkennen - oder dritten. "Immortals of Aveum" drückt sich hingegen deutlich klarer aus. Leider schießt der Fantasy-Ego-Shooter dabei etwas übers Ziel hinaus.

Es hätte so schön werden können: Ein paar Electronic-Arts-Veteranen gründen ein neues Studio (Ascendant). Mit dabei sind einige "Call of Duty"-Ballergurus und die preisgekrönten Geschichtenerzähler des mittlerweile aufgelösten Telltale-Studios, bekannt für die mehrfach ausgezeichnete "Walking Dead"-Adventure-Reihe. Sie alle arbeiten gemeinsam an einem Spiel. Irgendwas zwischen Action und Epos, zwischen Schießerei und Heldenreise, zwischen Adrenalinschub und Heulkrampf – so die Hoffnung. Dem wird der nun veröffentlichte Fantasy-Ego-Shooter "Immortals of Aveum" leider nicht gerecht.

Brzzzzz!

Brzzzzz!

(Foto: Electronic Arts/Screenshot)

Dabei fängt es gut an. Protagonist Jack schlägt sich zusammen mit einer Handvoll Straßenkinder durch Seren, eine Stadt, erbaut an Brückenpfeilern, eine gewaltige Landschaft aus morschem Holz. Unter ihren Füßen klafft ein endloser Abgrund. Die Welt um sie herum befindet sich im Krieg, ein grausamer Despot droht alles zu zerstören, so sagen es jedenfalls die Soldaten in der Umgebung. An jeder Ecke der chaotischen Siedlung werben sie um Streitkräfte, schmettern nationalistische Rattenfängersprüche im majestätischen Tonfall. Jacks Begleiterin will sich anschließen, er ist dagegen. Viel Raum für eine Coming-of-Age-Geschichte in einer Militärdiktatur.

In nur wenigen Minuten hechten, springen, stibitzen sie sich durch die Gassen, diskutieren in Verschnaufpausen, vertragen sich im Sprint. Wow! Doch dann wird Seren zerstört. Der Protagonist tritt dem Militär bei, schluckt artig die Propagandapillen, es gilt den fiesen Despoten zu bezwingen. Die Siedlung, die guten Ideen, alles weg. Es wird generisch. Auf einmal wandert Jack durch eine tolkieneske Fantasy-Standardwelt. Plötzlich geht es um Heldentum, um "lässige" Sprüche, Charaktere und Geschichte schmecken nun nach Marvelmikrowellenfraß.

Pew, Pew!

Pew, Pew!

(Foto: Electronic Arts/Screenshot)

Auch spielerisch ändert sich der Kurs. Statt gerannt wird gekämpft. Jack kann Schilde beschwören, Projektilen via Teleport ausweichen und, natürlich, zurückschießen. Mitunter ist nicht zu übersehen, dass sich "Immortals of Aveum" fleißig an Blockbustergames bedient hat - hinsichtlich der Dynmaik bei "Doom Eternal", hinsichtlich des Arsenals bei "Ghostwire: Tokyo". Letzteres tauscht wie auch "Immortals of Aveum" Schießeisen gegen bunte Zaubersprüche. Und da kaum ein Spiel mehr ohne Progression auskommt, lernt Jack mit der Zeit neue Fähigkeiten, bewegt sich geschmeidiger, feuert mit mehr Wumms. Alles solide, gelegentlich auch spaßig, doch wirkliche Höhepunkte gibt es bei den Ballerorgien nicht.

Verschenktes Potenzial

Es ist bitter, denn das Spiel kommt ambitioniert daher. Es versucht sich zum Beispiel an großen gesellschaftspolitischen Themen. Die Magie etwa, eine Ressource, deren Verbrauch den Planeten verwüstet, ihn langsam abtötet, liest sich als Allegorie auf den Klimawandel; dass die Nationen an der Zauberei festhalten, um wirtschaftliche und militärische Machtpositionen zu halten, als Kritik auf unser Wirtschaftssystem, auf einen Wachstums- und Wettbewerbszwang auf Kosten der Umwelt. Spannend, nur wird eine Geschichte, die einen Helden, den Weltretter, in den Mittelpunkt rückt, dem Thema nicht gerecht. Eher zeigt es die Sehnsucht nach autoritärer Führung, wie sie Comicgeschichten seit Jahrzehnten zelebrieren.

Da hört es aber nicht auf. Nicht alle können Magie wirken. Wer es kann, lebt je nach Fertigkeitsgrad im Wohlstand und hat Führungspositionen inne. Geburtsrecht! Länder, die das akzeptieren, fluorieren. Kommt hingegen die Sehnsucht nach Gleichberechtigung auf, zerbricht die gesamte Landschaft. Nicht von außerhalb. Ganz organisch geht alles den Bach runter - die Menschen verelenden, die Umgebung verfällt. Eine Sozialismuskritik aus dem Handbuch libertärer Blitzbirnen. Zusätzlich gibt es noch lieblos angerissene ideologische Fragestellungen, etwa, ob in der Gegenwart etwas Unheil nötig ist, damit es den Menschen in der Zukunft besser geht - das Schlauwort dafür ist Longtermismus. Kurzum: "Immortals of Aveum" ist gnadenlos überfrachtet.

Vielleicht hätten sich die Autoren nur auf einen Themenkomplex konzentrieren sollen oder aber die Ideen noch ein wenig besser durchdenken. So aber werfen sie den Spielern ein Knäuel an den Kopf - und die bleiben verwirrt zurück. Die langweiligen Spielmechaniken ziehen den Titel nur noch weiter runter. "Immortals of Aveum" ist voll mit Defiziten. Und dennoch: Es ist Acendants Erstlingswerk. Vielleicht muss sich das Team noch einspielen, dazu lernen, sich eingrooven. Genug kreative Köpfe sind ja vor Ort.

Quelle: ntv.de

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