Ein Jahr Kaiser's-Aufteilung "Alle Kollegen profitieren von dem Deal"
02.12.2017, 16:28 Uhr
Die Marke Kaiser's gibt es nicht mehr. Die Arbeitsplätze konnten jedoch alle erhalten werden.
(Foto: REUTERS)
Monatelang stritten sich Unternehmenschefs sowie Politiker, Kartellrechtler und Gewerkschafter um die Zukunft der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann und ihrer 15.000 Mitarbeiter. Vor einem Jahr gelang unter Vermittlung der Gewerkschaft Verdi der Durchbruch: Rewe, Tengelmann und Edeka einigten sich auf einen Deal zur Aufteilung des Unternehmens, der den Erhalt der Filialen und der Arbeitsplätze für fünf Jahre sicherstellte. Verdi-Gewerkschaftssekretärin Petra Ringer handelte für Berlin und Brandenburg die Verträge mit aus, die die Übernahme ermöglichten.
n-tv.de: Vor einem Jahr, nach teils dramatischen Verhandlungen, beschlossen die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe, die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann aufzuteilen. Verdi hat diesen Deal aktiv mitvermittelt. Welche Bilanz ziehen Sie?
Petra Ringer: Die Arbeit am Fall Kaiser's ist für uns als Gewerkschaft noch längst nicht abgeschlossen. Laut den im Zuge der Übernahmen geschlossenen Tarifverträgen müssen die neuen Eigentümer über alle Veränderungen im Unternehmen informieren, die die ehemaligen Kaiser's-Tengelmann-Mitarbeiter betreffen. Die Tarifkommission prüft dann, dass dabei keiner der Kollegen und Kolleginnen schlechter gestellt wird als zuvor, und dann schließen wir einen neuen Vertrag.
Diese Vereinbarungen zum Schutz der übernommenen Mitarbeiter funktionieren?
Ja, für unseren Bereich hier kann ich sagen: Die Unternehmen halten sich bislang hundertprozentig an die Vereinbarungen. Keiner der Kollegen steht schlechter da als zuvor.
Und die bisherige Belegschaft von Edeka und Rewe? Es wurde befürchtet, dass die Unternehmen beispielsweise andere Mitarbeiter entlassen könnten, wenn sie in den nächsten Jahren bei Kaiser's keine Stellen abbauen oder Filialen schließen dürfen.
Diese Befürchtung hat sich bislang überhaupt nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Wir sehen, dass sogar neue Mitarbeiter eingestellt werden. Denn laut der Ministererlaubnis, mit der der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Verkauf von Kaiser's Tengelmann trotz kartellrechtlicher Bedenken ermöglichte, muss in den übernommenen Betriebsteilen die Mitarbeiterzahl von 2015 fünf Jahre lang gehalten werden. Während des monatelangen Streits um die Zukunft des Unternehmens haben aber einige Mitarbeiter gekündigt. Diese Stellen müssen neu besetzt werden. Zudem gibt es einen weiteren Vorteil für manche Teile von Edeka und Rewe: Aus der Bedingung, dass kein ehemaliger Kaiser's-Mitarbeiter schlechter gestellt werden darf, ergibt sich auch, dass für sie der geschlossene Tarifvertrag gelten muss und es in ihrem Betrieb eine Arbeitnehmervertretung geben muss. Im Zuge der Integration der Kaiser's-Mitarbeiter wollte Edeka nun einige von ihnen versetzen und musste dafür in mehreren Betriebsteilen, wo es das bislang nicht gab, Tarifverträge und Betriebsräte neu einführen. Davon profitieren natürlich alle Kollegen.
Sie ziehen insgesamt also eine sehr positive Bilanz. Sehen das die betroffenen Kollegen denn auch alle so?
Auch wenn sie finanziell und arbeitsrechtlich nicht schlechter dastehen, war die Übernahme für manche mit Stress und Härten verbunden. Nach der Aufteilung fanden sich einige langjährige Kollegen plötzlich in unterschiedlichen Unternehmen wieder. Vor Ort in den Filialen mussten sich die Mitarbeiter teilweise innerhalb von 24 Stunden auf ein komplett neues System von der Technik an der Kasse bis zum Sortiment umstellen. Insgesamt aber haben die meisten Kollegen nach der jahrelangen Hängepartie positiv auf die Übernahme und die dabei geschlossenen Tarifverträge reagiert. Zu Weihnachten haben uns viele Karten und Briefe geschrieben. Das kommt sonst nicht so oft vor bei einer Gewerkschaft.
Die Bedingungen der Ministererlaubnis gelten für fünf Jahre nach der Übernahme. Danach dürfen Rewe und Edeka Stellen abbauen, Filialen schließen oder an kleinere, nicht tarifgebundene Kaufleute weiterreichen. Das erste Jahr ist schon vorbei. Befürchten Sie einen Kahlschlag in vier Jahren?
Dann gibt es zumindest keine Garantien mehr. Im Moment gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass es zu einem massiven Stellenabbau kommen könnte. Derzeit suchen die Unternehmen eher qualifizierte Mitarbeiter - und die Kaiser's-Tengelmann-Kollegen sind hoch qualifiziert. Aufgrund des hohen Altersdurchschnitts der Belegschaft dürfte der Bedarf an neuen Mitarbeitern eher steigen. Gleichzeitig wird das Angebot auf dem Arbeitsmarkt durch die demografische Entwicklung geringer. Ich habe schon den Eindruck, dass die Arbeitgeber im Handel verstanden haben, dass sie, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, die Arbeitsbedingungen in ihrer Branche verbessern müssen.
Mit Petra Ringer sprach Max Borowski
Quelle: ntv.de