Künftige Aufschläge aber möglich EU verschont Chinas E-Auto-Bauer vor rückwirkenden Zöllen
20.08.2024, 16:36 Uhr Artikel anhören
Sollte die EU Strafzölle gegen chinesische E-Auto-Bauer erheben, käme BYD vergleichsweise gut davon.
(Foto: picture alliance / CFOTO)
Chinas E-Auto-Bauer verkaufen immer mehr Fahrzeuge. Die EU fährt verbal die Krallen aus und droht Strafzölle an, künftige und rückwirkende. Letztere kassiert die Kommission nun aber. Und auch in der Zukunft müssen BYD, Geely und Co. wohl nicht so tief in die Tasche greifen, wie befürchtet.
Die EU wird keine vorläufigen Zusatzzölle auf chinesische E-Autos erheben. Eigentlich war vorgesehen, dass in bestimmten Fällen rückwirkend hohe Ausgleichszölle von bis zu 37,6 Prozent gezahlt werden sollten, weil E-Autos aus China nach EU-Angaben von wettbewerbsverzerrenden Subventionen profitieren und der EU-Industrie deswegen ein Schaden droht. Der EU-Kommission zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der Union hergestellte Modelle. Wie die Kommission nun mitteilte, würden aber die rechtlichen Voraussetzungen für eine rückwirkende Erhebung von Zöllen nicht erfüllt.
Hintergrund ist nach Angaben eines Kommissionsbeamten, dass noch kein materieller Schaden für EU-Unternehmen festgestellt worden sei. Derzeit bestehe lediglich die Gefahr eines Schadens, wie sich in den vergangenen Monaten ergeben habe.
Die EU-Kommission wirft China unzulässige Subventionen für seine Hersteller vor und fürchtet Schäden für europäische Anbieter wie Firmenschließungen oder Entlassungen. Es seien aber immer noch Verhandlungen mit Peking möglich, um die Zölle abzuwenden, betonten Kommissionsmitarbeiter. Diese hatten bisher kein Ergebnis gebracht. Stattdessen rief China in dem Streit Anfang August die Welthandelsorganisation (WTO) an.
Chinesische Anbieter verkaufen deutlich mehr E-Autos
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Untersuchung damit begründet, die Weltmärkte würden von "billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt". Tatsächlich legten die Verkäufe im vergangenen Jahr deutlich zu: Laut der US-Denkfabrik Atlantic Council stiegen sie weltweit um 70 Prozent auf einen Wert von 34,1 Milliarden Dollar (rund 31,2 Milliarden Euro). Fast 40 Prozent dieser E-Autos gingen demnach in die EU.
Die chinesische Handelskammer bei der EU (CCCEU) verurteilte die geplanten Zölle erneut scharf und warf der Kommission einen "protektionistischen Ansatz" vor. Es gebe keine hinreichenden Beweise, dass Elektroautos aus China europäischen Herstellern schadeten, betonte die Handelskammer.
Höchstsatz von 36,6 Prozent Zusatzzoll
Die EU-Kommission teilte auch mit, dass die Zollsätze leicht angepasst wurden. Sie wurden in den meisten Fällen etwas abgesenkt. Konkret sollte für den Hersteller BYD etwa ein vorläufiger Strafzoll von 17,4 Prozent, für Geely 19,9 Prozent und für SAIC 37,6 Prozent gelten. Diese Sätze wurden nun auf 17,0 Prozent, 19,3 Prozent und 36,3 Prozent abgesenkt. Tesla bekommt demnach einen individuellen Zollsatz von neun Prozent. Firmen, die mit der EU zusammenarbeiten, werden mit 21,3 Prozent (ursprünglich 20,8) belastet, für unkooperative Unternehmen wird der Höchstsatz von 36,3 Prozent fällig.
Wie hoch der Zollsatz am Ende ausfällt, hängt auch davon ab, wie hoch die Subventionen sind, von denen die einzelnen Firmen profitieren. Geely produziert unter anderem die elektrischen Smart-Modelle #1 und #3 sowie den Volvo EX30. SAIC baut den in Deutschland populären MG4, der in den Zulassungsstatistiken aus Flensburg im Mai unter den E-Autos knapp hinter dem VW ID.3 auf dem zweiten Platz landete.
Ein Gemeinschaftsunternehmen von BMW mit Great Wall Motors in China wurde nach BMW-Angaben nun in den Kreis kooperierender Unternehmen aufgenommen und wird nun unter einem niedrigeren Zollsatz geführt. Der deutsche Autobauer bezeichnete dies als folgerichtig. Grundsätzlich sieht er, ebenso wie der Verband der Automobilindustrie (VDA), Zölle auf E-Autos aus China kritisch. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ist skeptisch. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte dagegen Verständnis für das Brüsseler Vorgehen geäußert, wie auch andere Industrieverbände. Durch die Maßnahme wächst laut VDA das Risiko eines globalen Handelskonfliktes weiter. Die Handelsmaßnahme sei auch nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken.
Endgültige Entscheidung fällt Ende Oktober
Die Entscheidung, ob tatsächlich irgendwann Strafzölle gezahlt werden müssen, soll bis Ende Oktober bekannt gegeben werden. Die Kommission muss diese Entscheidung aber unter den 27 EU-Staaten abstimmen lassen. Wenn sich eine Mehrheit dagegen ausspricht, kann sie die Ausgleichszölle nicht einführen. Die Hürde, um die Zölle noch zu kippen, ist sehr hoch: Nötig wäre eine qualifizierte Mehrheit von 15 EU-Staaten, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung umfassen. Sollten die Strafzölle kommen, sollen die für zunächst fünf Jahre bestehen. Es wird auch darauf gehofft, dass mit Peking noch eine diplomatische Lösung gefunden wird.
Autohersteller, aber auch andere betroffene Parteien haben nun die Möglichkeit, Anhörungen bei der Kommission zu beantragen und innerhalb von zehn Tagen Stellungnahmen abzugeben. Die Kommission schaut sich diese an und legt dann den Mitgliedstaaten ihren Vorschlag für eine endgültige Entscheidung vor.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP