Nachlässe von bis zu 50 Prozent Bei Elektroautos tobt ein Preiskrieg
03.03.2024, 14:45 Uhr Artikel anhören
Tesla-Chef Elon Musk bricht einen Preiskrieg vom Zaun. Eine Folge: Die Marge des Branchenpioniers sackt ab.
(Foto: picture alliance/AP Photo)
Vor rund einem Jahr senkt Tesla in China die Preise für einige seiner beliebtesten Elektroautomodelle. Der Branchenpionier bricht damit einen Preiskrieg vom Zaun, an dem sich immer mehr Hersteller beteiligen. Das hat weitreichende Folgen.
Am Markt für Elektroautos ist ein offener Preiskrieg ausgebrochen. Weltweit. Aber nicht, weil sich die Kunden um begehrte, weil knappe Batterie-Elektroautos (BEV) balgen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Hersteller und Händler bemühen sich verzweifelt, neue Elektroautos und solche von der Halde an Mann und Frau zu bringen. Die Folge: Zeitweise befinden sich die Preise für E-Autos laut dem Branchenblatt "Automobilwoche" "im freien Fall". Aus einer anfänglichen Rabattschlacht ist ein Preiskrieg geworden. Aktuell bieten einzelne Hersteller offen Preisnachlässe bei einzelnen Modellen von bis zu 50 Prozent an. Wie ist das möglich?
Was alle E-Autohersteller im Vorjahr - angeführt von Tesla mit einem 20-Millionen-Absatztraum für 2030 - noch für undenkbar hielten, ist in der Zwischenzeit eingetreten: Auf allen großen Absatzmärkten für Batterie-Elektroautos, mit Ausnahme von China, kam das Wachstum zum Erliegen. In Deutschland etwa ist die Nachfrage nach Batterieautos nach dem abrupten Wegfall der staatlichen Umweltprämie regelrecht eingebrochen. Das bis dahin viel zitierte Hochlaufen des deutschen Marktes für Elektroautos erwies sich als nicht nachhaltig, sondern zum großen Teil nur als von stattlichen staatlichen Kaufprämien genährtes Strohfeuer.
Ökonomisch rational
Für sich genommen war das nichts Aufregendes. Denn als die staatliche Umweltprämie von bisher 4500 bis 6500 Euro im Dezember 2023 quasi über Nacht zurückgezogen wurde, trat das ein, wovor Ökonomen mit Marktexpertise schon lange vorher gewarnt hatten: dass der Markt einbrechen würde, weil Elektroautos nunmehr erheblich teurer, die Kunden sich ökonomisch rational verhalten und Elektroautos fernbleiben würden.
Die Marktexperten hatten recht: In der Tat ist die Nachfrage regelrecht eingebrochen. Was aber die wenigsten erwartet hatten: die Preise für Elektroautos auch. Der E-Auto-Markt fiel in den Krisenmodus. Und die Ökonomen sahen sich in ihren Prognosen bestätigt: Statt ohne Staatsprämien teurer zu werden, übernahmen die Hersteller nicht nur den Ausfall der Kaufprämien, sondern gingen ihrerseits dazu über, zusätzlich immer größere Preisnachlässe auf ihre Elektromodelle zu gewähren. Hielten sich zuvor mit staatlicher Prämie die Verluste je Elektroauto noch in Grenzen, schossen sie jetzt in die Höhe. Damit trat ohne Ausnahme bei allen die paradoxe Situation ein: Je mehr Elektroautos ein Hersteller verkaufte, desto größer wurden seine Verluste, nur bei Tesla und der China-Marke BYD schrumpften als Ausnahme nur die Margen.
Absatzeinbruch zum Jahresstart
Zwar macht ein statistischer Monatswert noch keinen Trend, dennoch lassen Ausmaße von Veränderungen gewisse Rückschlüsse zu. Im Januar 2024 wurden in Deutschland trotz Nachlauf der hohen Nachhol-Bestellungen aus dem Vorjahr nur noch 22.474 BEV und 14.394 Plug-in-Hybride (PHEV) neu zugelassen. Gegenüber dem Vormonat Dezember 2023 brachen die BEV-Zulassungen heftig um 59 Prozent, jene von PHEV um 20 Prozent ein. Der Anteil der reinen Elektroautos (BEV) an den Neuzulassungen sank im Januar 2024 abrupt auf 10,5 Prozent; im Jahresdurchschnitt 2023 hatte er noch, vielbejubelt von den Anhängern der Elektromobilität, bei 18,4 Prozent gelegen.
Dieser BEV-Markteinbruch erfolgte, obwohl die Hersteller unisono nicht nur den staatlichen Umweltbonus durch Eigen-Rabatte voll ersetzten, sondern darüber hinaus ihre Verkaufspreise zusätzlich teilweise drastisch senkten. Was wiederum sehr negativ auf die Käufe der Flottenbetreiber zurückwirkte, bei denen plötzlich die Restwerte ihrer Elektroautos, obwohl in den Jahren zuvor ohnehin mit hohen Preisnachlässen erworben, in die Verlustzone abdriften ließen.
Ein Teufelskreis: Da bislang der Elektroauto-Absatz in Deutschland zu 75 Prozent und mehr von gewerblichen Kunden, nicht von privaten getätigt worden war. Mehr noch: Kauforder von reinen Elektroautos in sechsstelliger Höhe wurden storniert, drastisch verkleinert oder auf noch preisgünstigere chinesische Hersteller wie Geely umgeleitet.
Exakt wie in der Wirtschaftstheorie beschrieben, mutierte die Rabattschlacht zum Preiskrieg, in dem jeder Hersteller versucht, seinen Marktanteil zu verteidigen und die sinkende Auslastung seiner Kapazitäten zu stoppen. Bislang ohne Erfolg, aber mit zunehmenden Verlusten - und auch bereits zahlreichen Insolvenzen bei chinesischen Herstellern. Einzig Weltmarktführer BYD aufgrund der schlanken Kostenstruktur und Tesla wegen der hohen Ausgangsmarge zeigen sich robust. Wobei von der einst kolportierten 50-Prozent-Marge bei Tesla nicht mehr viel übrig ist. Aber noch arbeitet der Elektroautopionier mit schwarzen Zahlen.
Tesla legt vor, VW zieht doch nach
Dabei hat Tesla-Chef Elon Musk den Preiskrieg ausgelöst - zunächst in China, wo das Wachstum des Elektroautomarktes im Frühjahr 2023 zu schwächeln begann und Musk seine ambitionierten Jahresziele von zwei Millionen BEV gefährdet sah. Tesla begann zur Verkaufsförderung die Preise für die gängigsten Modelle zunächst um 3000 Dollar, später um 10.000 Dollar stufenweise zu senken. Das dann auch auf dem US-Heimatmarkt und in Europa. Aus der anfänglich lokalen chinesischen Rabattschlacht wurde so rasch ein globaler Preiskrieg um Elektroautos bis in die Gegenwart hinein. Tesla hat dabei aufgrund seiner aggressiven Preispolitik den Nimbus als Premium-Marke eingebüßt.
Auch deutsche Hersteller sind mitten im Rabatt-Getümmel. Alle Premiumhersteller gewähren in der Regel verkappte hohe Preisnachlässe. VW kündigte nach dem Wegfall der staatlichen Umweltprämie erhebliche vorübergehende Rabatte an, obwohl Vorstandschef Oliver Blume noch im Frühjahr betont hatte, sich in keinem Fall in eine Preisschlacht mit Tesla begeben zu wollen. Produktionskürzungen, stehende Bänder, das Streichen von Arbeitsplätzen bei Leiharbeitskräften und dauerhaft von ganzen Schichten haben einen Sinneswandel erzwungen. VW hat die Preise für seine ID-Modelle um teilweise fast 8000 Euro gesenkt.
Fragt man nach den Ursachen für diesen ungewöhnlichen Preiskrieg, so gibt es also derer zwei: Zum einen zeigt er, dass die Nachfrage nach E-Autos überall zuvor über die staatlichen Kaufprämien stark künstlich gepuscht war. Im Durchschnitt sind Elektroautos der kostspieligen Batterien wegen um rund ein Drittel teurer als Verbrenner. Die fehlende öffentliche Ladeinfrastruktur sowie auch offene Fragen bezüglich des Zeitwertverlust etwa schreckten potenzielle Käufer ebenfalls ab.
Zum anderen hat gegenläufig zur Nachfrage nach E-Autos das Angebot stark zugenommen. Weltweit und fast bei allen westlichen Herstellern schossen Batteriefabriken und neue Werke zum Bau von E-Autos aus dem Boden. Überkapazitäten sind die Folge. Und die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage droht also auf den westlichen Elektroauto-Märkten in Zukunft noch größer zu werden. Ein Teufelskreis, Insolvenzen inklusive.
Quelle: ntv.de