Wirtschaft

Es war einmal ... Märchen rund um die Automobilindustrie

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"Märchenonkel" Elon Musk?

"Märchenonkel" Elon Musk?

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Tesla will 2030 20 Millionen Fahrzeuge absetzen. Geht es nach der Bundesregierung, sollen 2030 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen fahren. Große Ziele. Oder doch nur reine Märchenstunde?

"Es war einmal …", so beginnen Märchen in der Regel. Die der Brüder Grimm sind hierzulande die wohl bekanntesten und Jahrhunderte alt. Die Märchen rund um die Automobilindustrie sind jünger, aber nicht weniger unterhaltsam. Die folgenden Beispiele mögen als Beweis für diese These gelten.

Die EU und die Verbrenner

So erzählt etwa die EU-Umweltpolitik in Brüssel das Märchen, dass nur ein Verbrennerverbot ab 2035 das Klima retten könne. Zudem seien Mobilität und eine florierende Autoindustrie auch nach 2035 in Europa noch möglich.

Der europäische Branchenverband ACEA hat daran allerdings seine Zweifel: 12,9 Millionen Europäer arbeiten aktuell in der Automobilbranche. Das entspricht 8,3 Prozent aller Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe. Mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU werden von der Automobilindustrie erwirtschaftet. Beeindruckende Zahlen. Das Problem dabei: Selbst ohne Importkonkurrenz durch chinesische Autohersteller würde die Wertschöpfung der europäischen Autobranche allein durch die Umstellung von Verbrenner- auf Elektroantrieb um 40 Prozent sinken. Allein für Deutschland würde das hochgerechnet einen Verlust von rund 300.000 Arbeitsplätzen bedeuten. Da floriert nichts mehr!

Die Bundesregierung und ihre Zahlen

Auch die Bundesregierung pflegt märchenhafte Wunschvorstellungen. Sie will im Jahr 2030 insgesamt 15 Millionen Fahrzeuge mit vollelektrischem Antrieb (sogenannte BEV) auf deutschen Straßen fahren sehen. Wogegen Autoexperten wie etwa Fritz Indra bestenfalls fünf Millionen BEV für denkbar halten. Der Gesamtbestand an E-Autos belief sich am Jahresende 2023 auf rund 1,4 Millionen und umfasste damit lediglich drei Prozent der gesamten deutschen PKW-Flotte von 48,8 Millionen Autos. Ein BEV-Flottenbestand von 15 Millionen Einheiten 2030 ist völlig utopisch!

Denn: Im Gesamtjahr 2023 wurden in Deutschland 524.000 reine Elektroautos neu zugelassen. Ein Bestand von fünf Millionen wäre nach sieben Jahren 2030 also theoretisch erreichbar. Soll der Bestand aber auf 15 Millionen wachsen, wie von der Bundesregierung angestrebt, müssten jährlich im Durchschnitt zwei Millionen BEV hierzulande neu zugelassen werden. Das würde zwei Drittel der 2023er-Gesamtzulassungen bedeuten. Zudem müssten, um diese Größenordnung zu erreichen, die Produktionskapazitäten deutlich steigen. Insgesamt vier Fabriken in der Größenordnung von Tesla in Grünheide wären dafür etwa nötig.

Dafür fehlt es an allem! Vor allem an Nachfrage nach Elektroautos. Die euphorischen Planzahlen verdecken den Einbruch bei den Neuzulassungen von Elektroautos ab September 2023. Und dass, obwohl im Herbst lediglich die Reduzierung der Förderprämie in Kraft getreten ist. Ab diesem Zeitpunkt ist der E-Markt (BEV und Plug-In-Hybride) in Deutschland regelrecht zusammengebrochen: Allein im Dezember 2023 lagen die BEV-Zulassungen mit 54.650 um 48 Prozent unter dem Wert des Vorjahresmonats. Bei den Plug-in-Hybriden (PHEV) stellen 17.890 Neuzulassungen einen Rückgang auf Jahressicht von 74 Prozent dar. Auch wenn die Werte vom Dezember 2022 durch vorgezogene Käufe etwas verzerrt sind, lässt der nunmehr beschlossene Wegfall der Kaufprämie für den Markt im laufenden und in den kommenden Jahren Schlimmes befürchten. Kein Wunder, dass die Hersteller reihenweise nun mit eigenen Prämienzahlungen die Nachfrage retten wollen.

Musks Märchen

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Aber nicht nur die Politik hängt märchenhaften Zielen an, auch so mancher Hersteller kommt mit schier unglaublichen Zahlen um die Ecke. Tesla beispielsweise. Mitgründer und Vorstandschef Elon Musk wird nicht müde, immer wieder zu erwähnen, dass der US-Elektroautobauer im Jahr 2030 einen Absatz von 20 Millionen Fahrzeugen erreichen wird. Das wäre rund ein Viertel des heutigen jährlichen Weltmarktabsatzvolumens.

2023 hat Tesla zwar sein eigenes Absatzziel von 1,8 Millionen Einheiten erreicht. Allerdings musste Musk dafür mehrfach die Preise senken und das nicht nur in China. Gleichzeitig erwächst dem E-Auto-Pionier immer mehr Konkurrenz im Reich der Mitte, dem größten Automarkt der Welt. Größter Elektroautohersteller ist Tesla bereits nicht mehr. Der E-Branchenprimus heißt BYD, auch wenn der Hersteller im Gegensatz zum voll elektrisch fahrenden Tesla-Konzern auch Hybride verkauft. Von den insgesamt knapp drei Millionen abgesetzten BYD waren 2023 immerhin schon 1,5 Millionen BEV. Das Momentum liegt zudem auf Seiten der Chinesen: Im Abschlussquartal lieferte BYD mehr als 525.000 BEV-Elektroautos aus - und damit erstmals mehr als Tesla. Damit dürften sich auch die Tesla-Absatzziele als Märchen erweisen. "Und wenn sie nicht gestorben sind …"

Quelle: ntv.de

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