Wirtschaft

Defizitverfahren eingeleitet EU-Kommission zählt Frankreich und Italien an

Wegen der Corona-Krise und der Folgen des Ukraine-Kriegs waren die Regeln ausgesetzt worden. Frankreichs Präsident Macron und Italiens Ministerpräsidentin Meloni gehören zu den ersten, die sie wieder zu spüren bekommen.

Wegen der Corona-Krise und der Folgen des Ukraine-Kriegs waren die Regeln ausgesetzt worden. Frankreichs Präsident Macron und Italiens Ministerpräsidentin Meloni gehören zu den ersten, die sie wieder zu spüren bekommen.

(Foto: IMAGO/Independent Photo Agency Int.)

Gleich sieben EU-Staaten verstoßen gegen die Neuverschuldungsregeln der Europäischen Union, zu den Sündern zählen auch Frankreich und Italien. Wegen der übermäßigen Defizite eröffnet die EU-Kommission nun Strafverfahren gegen die Länder.

Die Europäische Kommission leitet gegen Frankreich, Italien und fünf weitere EU-Länder ein Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung ein. Auch Belgien, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei weisen aus Sicht der EU-Kommission übergroße Haushaltslöcher auf, die ein Defizitverfahren erfordern, teilt die für die Einhaltung von EU-Schuldenregeln zuständige Brüsseler Behörde mit. Gegen Rumänien ist bereits ein Verfahren anhängig. Deutschland steht in diesem Jahr mit einer erwarteten Defizitquote von 1,6 Prozent kein Ärger mit Brüssel ins Haus.

Frankreich steht derzeit an den Finanzmärkten unter besonderer Beobachtung: Die Neuwahlentscheidung des Präsidenten Emmanuel Macron hat Turbulenzen ausgelöst, da über einen Sieg der europaskeptischen Rechten bei der Parlamentswahl spekuliert wird. Finanzminister Bruno Le Maire hat davor gewarnt, dass das Land im Zuge der Neuwahlen in eine Finanzkrise schlittern könnte.

Ende April war der reformierte EU-Stabilitätspakt in Kraft getreten. Er erlaubt den Mitgliedsländern eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Empfehlung der EU-Kommission, ein Defizitverfahren einzuleiten, muss im Juli noch von den EU-Finanzministern gebilligt werden, was als Formalie gilt. Im November wird Brüssel dann Vorschläge dazu vorlegen, wie schnell das Defizit gesenkt werden soll.

Die Defizitverfahren waren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine zuletzt ausgesetzt. Wird ein Strafverfahren eingeleitet, muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken. Damit soll vorrangig die Stabilität der Eurozone gesichert werden. Ziel des Defizitverfahrens ist es, Staaten zu solider Haushaltsführung zu bringen. Theoretisch sind bei anhaltenden Verstößen auch Strafen in Milliardenhöhe möglich. In der Praxis wurden diese aber noch nie verhängt.

Reform trat gerade erst in Kraft

Die EU-Kommission beaufsichtigt, ob die EU-Länder die Regeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden einhalten. Nach Angaben der Behörde haben zuletzt zwölf EU-Staaten die Obergrenze für ihr Defizit im vergangenen Jahr nicht eingehalten oder werden diese laut Prognose in diesem Jahr übertreten.

Dass nur gegen sieben Länder neue Verfahren eingeleitet wurden, liegt daran, dass die Kommission verschiedene Faktoren berücksichtigt. Dazu gehört etwa, ob das Übertreten der Defizitgrenze nur sehr gering ist, aufgrund besonderer wirtschaftlicher Umstände als außergewöhnlich gesehen werden kann oder auch ob mehr Investitionen in Verteidigung getätigt wurden.

Das Regelwerk für Staatsschulden und Defizite, das auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt wird, wurde jüngst nach jahrelanger Debatte reformiert. Grundsätzlich gilt aber weiterhin, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch Kredite zu deckende Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts - unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gehalten werden.

Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Land gemeinsam mit der für die Aufsicht zuständigen EU-Kommission einen vierjährigen Haushaltsplan aufstellen. Unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn ein Land sich zu wachstumsfördernden Reformen und Investitionen verpflichtet, kann der Plan auf sieben Jahre ausgeweitet werden. Auch kann die EU-Kommission übergangsweise bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen den Anstieg der Zinszahlungen berücksichtigen.

Quelle: ntv.de, jog/dpa/rts/AFP

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