Neues Nadelöhr im KI-RennenDen USA fehlt Strom für neue Rechenzentren, in China ist er kostenlos
Christian Herrmann
Bei der Fertigung von High-End-Chips hinkt China den USA hinterher. Dennoch warnt Nvidia-Chef Huang öffentlich vor einem chinesischen Sieg im KI-Wettrennen der Supermächte. Denn den USA geht der Strom für neue Rechenzentren aus.
Rechenzentren sind derzeit die wertvollsten Gebäude der Welt. Für viele Milliarden Dollar haben die amerikanischen Tech-Konzerne ultraschnelle KI-Chips von Nvidia gekauft und sie in den unscheinbaren Klötzen aus Beton und Stahl aufgestellt. In langen, kahlen und kühlen Reihen füttern sie Chatbots wie ChatGPT mit Informationen. Eigentlich. "Rechenzentren in der Heimatstadt von Nvidia stehen leer und warten auf Strom", berichtet das Wirtschaftsportal Bloomberg. Oder auch: "Amazon wirft Stromversorger vor, Stromversorgung von Rechenzentren nicht zu gewährleisten."
Den USA offenbart sich im KI-Wettrennen mit China ein neues Nadelöhr: Erst waren die Chips von Nvidia knapp, jetzt fehlt Strom für die Rechenzentren. Nicht nur bei Nvidia-Chef Jensen Huang wächst die Sorge: China wird das Rennen gewinnen.
Geld spielt keine Rolle
Rechenzentren sind Stromfresser. Das war bis vor wenigen Jahren kein Problem, obwohl die Nachfrage nach Computern und Digitalisierung weltweit stieg. Dank effizienterer Technologien blieb der Stromverbrauch von Rechenzentren zwischen 2010 und 2018 nahezu konstant.
Diese Entwicklung hat sich mit der Veröffentlichung von ChatGPT vor drei Jahren schlagartig geändert. Unternehmen wie Amazon, Google oder Microsoft werfen seitdem mit Geld um sich, um in der großen Computer-Revolution nicht abgehängt zu werden. Die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass die großen Tech-Konzerne bis Ende nächstes Jahres 737 Milliarden US-Dollar für neue Rechenzentren ausgeben werden. Laut dem "Wall Street Journal" werden für den Betrieb 80 Gigawatt Strom benötigt: mehr als ganz Deutschland in Spitzenzeiten verbraucht.
Die Zeche zahlen schon jetzt amerikanische Privathaushalte: In der Nähe von Rechenzentren haben sich die Strompreise in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht.
"In China ist Strom kostenlos"
Denn die amerikanische Energieinfrastruktur stößt an ihr Limit: In der Nvidia-Heimat in Santa Clara in Kalifornien könnten zwei vergleichsweise kleine Rechenzentren in Betrieb genommen werden. Bloomberg zufolge scheitert jedoch die Anbindung an das öffentliche Stromnetz: Der örtliche Energieversorger Silicon Valley Power sagt, dass die neuen Leitungen erst in drei Jahren fertig sind. Bestenfalls können die Rechenzentren ihren Betrieb also Ende 2028 aufnehmen. Silicon Valley Power gibt der kalifornischen Bürokratie Schuld an dem Schneckentempo.
Jensen Huang und anderen amerikanischen Tech-Bossen schwant angesichts von Berichten wie diesem Übles. Der Nvidia-Chef erwartet einen erbitterten Zweikampf, in dem die Volksrepublik derzeit zwei entscheidende Vorteile hat: Chinesische Unternehmen müssen weniger Vorschriften für KI-Anwendungen beachten und können mit Chatbots und anderen Projekten schneller am Markt herumexperimentieren. Anders als US-Unternehmen haben sie auch keinerlei Probleme mit der Energieversorgung, im Gegenteil. "In China ist der Strom kostenlos", sagt Huang in der "Financial Times".
Ganz konkret bieten lokale Regierungen chinesischen Tech-Konzernen wie ByteDance, Alibaba und Tencent folgenden Deal an: Wenn sie ihre Rechenzentren in dieser oder jener Provinz bauen und mit heimischen Chips betreiben, werden die Stromkosten um bis zu 50 Prozent gesenkt. Besonders wichtige Projekte werden mit weiteren Zuschüssen gelockt. Laut der "Financial Times" reichen einige Angebote aus, um ein Rechenzentrum etwa ein Jahr lang kostenlos zu betreiben.
Riesige Reservekapazitäten
Die notwendige Energie ist im Überfluss vorhanden: China baut seine Kapazitäten vorsorglich aus. Allein 2024 waren es nur bei den erneuerbaren Energien 356 Gigawatt. Das ist mehr als die USA, die Europäische Union und Indien zusammen. Laut dem US-Magazin "Fortune" betragen die Reservekapazitäten der Volksrepublik 80 bis 100 Prozent. Die Führung in Peking erwartet demnach, dass die Energieversorger jederzeit doppelt so viel Strom bereitstellen können, wie eigentlich benötigt wird.
Speziell in abgelegenen Provinzen wie Gansu, Guizhou oder der Inneren Mongolei sind deshalb gigantische Solar- oder Windparks entstanden, die inzwischen Hotspot für Hunderte neue Rechenzentren sind. Dort kann China leistungsstarke Projekte unterstützen, ohne sein Budget zu sprengen oder die Bürgerinnen und Bürger in großen Städten mit steigenden Strompreisen zu belasten. Im Gegenteil: Es sei so viel Strom verfügbar, dass China Rechenzentren nicht als Bedrohung für Stabilität des Stromnetzes betrachte, sondern als bequeme Möglichkeit, "Überkapazitäten aufzufangen", sagt ein amerikanischer Experte für den chinesischen Energiemarkt dem "Fortune"-Magazin.
Mit der zentralistischen Planung und den Stromsubventionen möchte die Führung in Peking zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie weiß, dass günstige Energie vielleicht der entscheidende Vorteil chinesischer KI-Unternehmen im Kampf mit der amerikanischen Konkurrenz ist. Gleichzeitig wird die chinesische Chipindustrie angekurbelt, wenn in den Rechenzentren heimische Chips verwendet werden müssen, um die Subventionen zu erhalten.
"Glorreiche Zeiten"
Denn zur Wahrheit gehört auch: Bei der Entwicklung und Fertigung von High-End-Chips haben die USA einen großen Vorteil. Branchenexperten vermuten im "Wall Street Journal", dass die Volksrepublik etwa zehn Jahre hinterherhinkt. Der Rückstand sorgt dafür, dass chinesische Unternehmen KI-Modelle langsamer als die amerikanische Konkurrenz trainieren können. Diesen Rückstand müssen sie anderweitig ausgleichen: beim Betrieb und der Versorgung der Rechenzentren.
Welche der beiden Großmächte das KI-Wettrennen gewinnen wird, ist bisher nicht absehbar. Nur ein Gewinner steht amerikanischen Analysten zufolge bereits fest: Erneuerbare Energien in den USA. Die amerikanische Investmentbank Jeffries sagt ihnen "glorreiche Zeiten" voraus, obwohl US-Präsident Donald Trump Wind- und Solarprojekte reihenweise torpediert.
Der Energiehunger der amerikanischen Rechenzentren ist allerdings so groß, dass er mit den bestehenden Gas- und Atomkraftwerken nicht gedeckt werden kann und neue sind so spät fertig, dass China das KI-Wettrennen dann bereits gewonnen haben könnte.