Versorgungskollaps befürchtet Deutschland gehen die Lkw-Fahrer aus
19.10.2021, 16:13 Uhr
Auch die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein großes Problem der Branche.
(Foto: picture alliance / JOKER)
Ein schlechter Ruf und unterdurchschnittliche Löhne: Der Beruf des Lkw-Fahrers ist in Deutschland alles andere als attraktiv. Das könne schon bald schwerwiegende Folgen haben, warnt der Spitzenverband der Kraftfahrer. Der Blick auf Großbritannien sei der in die Zukunft.
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) warnt vor einem beständig zunehmenden Mangel an Lkw-Fahrern in Deutschland. "Großbritannien ist einfach nur der Blick in die Zukunft", sagte der BGL-Vorsitzende Dirk Engelhardt. Aktuell fehlten in Deutschland zwischen 60.000 und 80.000 Fahrern, jedes Jahr gingen 30.000 in Rente - und das bei jährlichen Nachwuchszahlen zwischen 13.000 und 17.000.
Eine BGL-Umfrage unter rund 4500 Lkw-Fahrern habe im Wesentlichen drei Gründe ergeben. "Der erste liegt auf der Hand, das ist die Entlohnung", sagte Engelhardt. Problematisch sei zweitens der schlechte Ruf der Branche. Und drittens seien die Rahmenbedingungen des Berufs oft schwer erträglich: Die schlechte Planbarkeit von Verkehr, die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die fehlenden Parkplätze machten den Job für viele unattraktiv.
Laut Engelhardt fehlen in Deutschland 40.000 Lkw-Parkplätze, in Europa mehr als 100.000. Lkw-Fahrer verdienten im Jahr 2020 im Durchschnitt 14,21 Euro die Stunde, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In der Wirtschaft insgesamt lag der durchschnittliche Stundenverdienst für Fachkräfte dagegen bei 19,97 Euro brutto, für Angelernte bei 16,02 Euro. Im Monat bekamen Lkw-Fahrer demnach im Schnitt 2623 Euro brutto; Beschäftigte mit vergleichbarer Ausbildung und Berufserfahrung dagegen verdienten 3286 Euro.
Wenig Chancen auf bessere Löhne
Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV), Frank Huster, kritisierte die niedrigen Löhne in der Branche. "Die Lohnentwicklungen kommen der allgemeinen Preisentwicklungen nicht nach", sagte Huster. Der Grund dafür sei der hohe Konkurrenzdruck. Es bestehe "ein extremer Preisdruck, vor allem auch durch osteuropäische Transportunternehmen, die noch ein anderes Sozial- und Lohngefüge haben". Viele Speditionen müssten diesen Preisdruck bei der Kalkulation ihrer Löhne mit einberechnen - oder alternativ auf den Betrieb einer eigenen Flotte verzichten.
Beauftragt würden dann Drittunternehmen aus Osteuropa. "Das führt eben dazu, dass Unternehmen nicht diese Preissprünge machen können, die sie vielleicht machen wollen, um ihre Fahrer besser zu bezahlen", sagte Huster. "Weil sie sonst am Markt nicht mehr konkurrenzfähig werden und so vom Markt verschwinden würden". Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisiert die Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern, sieht aber wenig Chancen, um Lohnsteigerungen durchzusetzen. "Aussicht auf gute Abschlüsse gibt es nicht wirklich, weil der Organisationsgrad tatsächlich relativ schlecht ist", sagte der Leiter der Verdi-Fachgruppe für Speditionen und Logistik, Stefan Thyroke.
Für das Jahr 2021 erwarte Engelhardt noch keine spürbaren Auswirkungen des Fahrermangels auf das Angebot in Supermärkten und im Einzelhandel. "Da werden die Unternehmen mit ihren Fahrern Klimmzüge machen, sodass unser Konsum normal befriedigt werden kann", sagte Engelhardt. Wenn nicht massiv gegengesteuert werde, gehe er aber fest davon aus, "dass wir eben 2022 oder 2023 Situationen haben werden, wie in der ersten Coronawelle", warnte Engelhardt. Einzelne Sortimentsbereiche seien dann möglicherweise nicht mehr gefüllt, bestimmte Waren nicht mehr erhältlich.
Quelle: ntv.de, spl/rts/AFP