Schließung in Freiberg startet Meyer Burger macht kurzen Prozess


Der Solarmodul-Hersteller will lieber die Produktion in den USA hochfahren.
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Wochenlang droht der Chef des Solarherstellers Meyer Burger mit Werksschließung in Deutschland. Obwohl gar nicht klar ist, welche Maßnahmen das Solarpaket 1 umfasst, verkündet das Unternehmen: Es gibt seine Produktionsstätte in Freiberg auf. Ein kluger Schachzug oder reine PR?
Noch bevor die Bundesregierung ihr Solarpaket 1 verabschiedet hat, macht der Schweizer Solarhersteller Meyer Burger aus seinen wochenlangen Drohungen Ernst: Das Unternehmen leitet die Schließung ihres Werks am Standort Freiberg in Sachsen ein. Schon in der ersten Märzhälfte soll die Produktion eingestellt werden, die Schließung Ende des Monats in Kraft treten. Davon verspricht sich das Unternehmen erheblichen Kosteneinsparungen. Der Schritt wird damit begründet, dass es "noch keine Entscheidung über politische Unterstützungsmaßnahmen zur Behebung der aktuellen Marktverzerrungen durch Überangebot und Dumpingpreise bei Solarmodulen gibt", heißt es.
Energie-Ökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum überrascht die Entscheidung von Meyer Burger zwar nicht. Dennoch merkt er an: "Es ist gerade viel in Bewegung. Deshalb wäre es sicher gut gewesen, wenn das Unternehmen die politische Diskussion noch abgewartet hätte, bevor es eine solche weitreichende Entscheidung trifft", sagt er im Gespräch mit ntv.de. Gerade der Net-Zero-Industry-Act der EU habe schließlich die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Das Abkommen soll die Solar- und Windkraftbranche stärken. Konkret geht es um Ausschreibungen für erneuerbare Energien. In 30 Prozent aller Ausschreibungen müssten Kriterien wie Resilienz und Nachhaltigkeit belohnt werden.
Statt auf weitere Zugeständnisse aus Deutschland zu warten, will der Solarmodulhersteller aber lieber die Produktion in den USA hochfahren. Dort sind derzeit ein Solarzellenwerk in Colorado Springs im Bundesstaat Colorado und ein Solarmodulwerk in Goodyear im Bundesstaat Alabama im Bau. Das Unternehmen bekräftigt, es wolle "anhaltende Verluste in Europa stoppen und vom hochattraktiven US-Markt profitieren". In den USA rechnet Meyer Burger mit "geschätzten 1,4 Milliarden Dollar an künftigen Steuergutschriften" im Rahmen des Inflation Reduction Acts. Bis die Finanzierung sicher steht, sollen die Solarzellen für die Module aus anderen Quellen kommen - unter anderem aus dem Werk von Meyer Burger in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt.
Das Wirtschaftsministerium erklärte als Reaktion auf die Mitteilung von Meyer Burger, die Bundesregierung habe eine Exportkreditgarantie für die Produktion von Maschinen im Zusammenhang mit dem Aufbau der Solarmodulproduktion in den USA zugesagt. Damit werde der Weiterbetrieb des Meyer-Burger-Standorts Hohenstein-Ernstthal in Sachsen ermöglicht. Dort werden Maschinen hergestellt, die auch für den Export bestimmt sind.
Branchenverband: FDP soll Widerstand aufgeben
Solarhersteller in Deutschland sehen sich wegen erdrückender Konkurrenz aus China und den staatlichen Unterstützungen in den USA mit dem Rücken zur Wand. Chinesische Hersteller fluten den Markt mit ihren Modulen zu Dumping-Preisen. "Es wäre ein Jammer, wenn bei Deutschlands letzten Solarmodul-Produzenten jetzt die Lichter ausgehen müssen", kommentiert Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft die Entscheidung von Meyer Burger auf Anfrage von ntv.de. Die Hoffnung in der Branche sei bis zuletzt gewesen, dass die Politik aus den geopolitischen Friktionen der letzten Jahre gelernt hat. "Lange Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie sowie die Energiekrise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg haben schmerzhaft aufgezeigt, dass eine zu starke Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern sehr teuer werden kann."
Nach Einschätzung von König ist die deutsche Solarbranche auf Unterstützung zwingend angewiesen. Ohne Subventionen besteht keine Chance, eine international wettbewerbsfähige Produktion von Solarmodulen und ihren Vorprodukten am Produktionsstandort Deutschland aufzubauen. Und die Zeit läuft. Nur wenn die Ampel-Koalition es noch vor Ostern schafft, sich auf zeitlich befristete Resilienz-Boni für einen Teil der EEG-Förderung zu einigen, haben laut König Solarmodul-Fabriken am Standort Deutschland eine Zukunft. "Wir appellieren an die FDP, ihren Widerstand gegen die Einführung einer Resilienz-Komponente im Solarpaket 1 aufzugeben."
Energie-Ökonom Löschel gibt derweil zu bedenken: "Wir brauchen an sich keine explizit deutsche Solarproduktion. Aber wir brauchen in gewissem Umfang eine europäische Solarproduktion." Das habe allerdings dann immer noch zur Konsequenz, dass sich deutsche Unternehmen im europäischen Kontext durchsetzen müssen. "Auch auf lange Sicht werden chinesische Hersteller ihre Solarmodule wahrscheinlich billiger anbieten können."
Helfen Subventionen der abgehängten Branche wirklich?
In der Diskussion um Preise werde allerdings oft vergessen: Was passiert eigentlich, wenn China als Lieferant ausfällt? "Wir haben gelernt: Wir dürfen nicht nur dort kaufen, wo es am günstigsten ist", sagt Löschel. Deutschland brauche eine vielfältige Bezugsstruktur und müsse sich für den Notfall auch eigene Optionen offen halten." Hierbei komme aber auf eine gesunde Balance an: "Eine umfangreiche Solarproduktion in Deutschland drückt zu sehr auf die Kosten. "Sind die Solaranlagen recht teuer, dann werden entweder weniger nachgefragt oder sie müssen stärker subventioniert werden. Das Geld fehlt dann für andere Vorgaben. Zu hohe Kosten bremsen daher die Energiewende."
Ob Subventionen etwas an der chinesischen Vormachtstellung ändern würden, ist unter Experten umstritten. Laut dem DIW-Experten Wolf-Peter Schill könnte die deutsche Solarbranche schon so weit abgehängt sein, dass ein Aufholen kaum möglich sei. "Die jetzigen Anbieter sind nachgewiesener Maßen chancenlos in jeder Hinsicht. Sie als schützenswertes Juwel zu verkaufen ist zumindest fragwürdig", sagt Philipp Schröder, Gründer von EinsKommaFünfGrad, ntv.de. Für ihn ist die medienwirksame Ankündigung von Meyer Burger ein politisches Druckmittel. "Wenn Meyer Burger nach mehrfacher Drohung tatsächlich das Werk in Sachsen schließt, dann steht 1KOMMA5° bereit, zumindest die Modulfertigung zu retten und Arbeitsplätze zu sichern."
"Als europäisches Unternehmen sind wir gegen einen bürokratischen Markteingriff in Form eines nationalen Alleingangs, insbesondere wenn er offensichtlich Meyer Burger willkürlich und einseitig fördert." Diese Förderung würde innerdeutschen Wettbewerb unmöglich machen und Innovation und Investitionen bremsen. "Auch gibt es keine Strategie, wie sichergestellt wird, dass die Produzenten, die profitieren, jemals wettbewerbsfähig werden, ohne dass es eine Endlosschleife bei den Subventionen gibt.
Quelle: ntv.de, mit dpa