Blockchain in der Käserinde Mit Mikrochips gegen Parmesan-Fälschungen


Echten Parmigiano Reggiano erkennt man unter anderem am Brandzeichen, dem charakteristischen gepunkteten Schriftzug und einer fortlaufenden Nummer für jeden Käselaib.
(Foto: imago images/UIG)
Mit original italienischem Parmesan lassen sich Millionen verdienen - bis zu 1000 Euro kann ein Käselaib kosten. Ein gefundenes Fressen für Produktpiraterie. Mikrochips im Käse sollen billige Kopien verhindern. Sie sollen sogar essbar sein.
Parmesan gehört zu Spaghetti mit Tomatensoße einfach dazu. Wenn wir von Parmesan sprechen, meinen wir eigentlich Parmigiano Reggiano. Das ist Hartkäse aus einer bestimmten Region in Norditalien. Hergestellt nur mit Milch von Kühen aus den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena, Bologna und Mantua. Rund 300 Käsereien gibt es dort.
Mindestens ein Jahr lang muss der Käse gereift sein. Der Name ist geschützt durch das italienische Herkunftssiegel Denominazione di Origine Protetta (DOP), übersetzt bedeutet das: geschützte Ursprungsbezeichnung. Diese tragen auch italienischer Parmaschinken, griechischer Feta-Käse oder französischer Champagner.
Menschen auf der ganzen Welt lieben diese Käse: Parmigiano Reggiano hat vergangenes Jahr einen Verkaufsrekord verzeichnet. 156.620 Tonnen wurden verkauft, 2,6 Prozent mehr als im Jahr davor. Fast jeder zweite Laib Käse wird über die Grenzen Italiens hinaus exportiert. Der Umsatz ist um fast sieben Prozent gestiegen, auf 2,9 Milliarden Euro.
"Banken sichern sich mit Parmesan ab"
"Das ist ein riesiges Umsatzvolumen, was hier getätigt wird", sagt Johannes Einzenberger, Diplom-Käsesommelier und Obman des Vereins Käsesommelier Österreich, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Für einen Laib Käse zahle man in der Regel zwischen 25 und 40 Euro, für einen reiferen Laib, der 4 oder 5 Jahre gelagert worden sei, sogar zwischen 800 und 1000 Euro. "Banken sichern sich sogar mit Parmesan ab, weil das ein unglaublicher und relativ beständiger Wert ist."
Dieses Riesengeschäft mit Parmesan zieht Fälscher an. Sie haben mit nachgemachtem Käse zuletzt etwa zwei Milliarden US-Dollar verdient, schätzt das Parmigiano-Konsortium laut dem "Guardian".
Einen ganzen Laib Parmigiano optisch zu fälschen, ist ziemlich aufwendig. Der Käse hat etliche individuelle Erkennungsmerkmale, um Kopien zu verhindern. "Wir haben Brandzeichen in der Rinde, den Schriftzug Parmigiano Reggiano und das Logo des Konsortiums. Wenn eine bestimmte Mindestpunkteanzahl in der Verkostung erreicht wird, dann bekommen sie auch das Brandzeichen vom Konsortium. Es steht eine Betriebsnummer drin, eine fortlaufende Nummer für jeden Parmesankäse und zusätzlich die Steuernummer des Produzenten", zählt Einzenberger auf.
Dass die Laibe selten als Ganzes verkauft werden, sondern oft einzelne Stücke, oder sogar schon fertig gerieben, erleichtert Fälschern ihr Geschäft. Ohne die originale Rinde ist kaum zu erkennen, woher der Parmesan kommt. Auch, wenn auf der Verpackung bestimmte Angaben gemacht werden müssen, wie zum Beispiel die Genehmigungsnummer.
Trotz dieser aufwendigen Kennzeichnung tauchen immer wieder billige Fälschungen auf. Weniger bei uns in Europa, sondern eher in Amerika und Asien, vermutet Einzenberger. Immer mehr Parmesan wird auf internationale Märkte exportiert.
Test mit sandkorngroßen Mikrochips
Das Parmigiano-Konsortium hat sich eine neue Methode ausgedacht, um den Käse seiner Hersteller besser zu schützen. Sie wollen Mikrochips in den Käse einsetzen. Die Chips sind so klein wie ein Sandkorn, 0,5 mal 0,5 Millimeter groß, und lebensmittelecht. Sie sind eingebettet in ein QR-Code-Etikett und nutzen Blockchain-Technologie. Mithilfe eines Lasers können sie ausgelesen werden. Auf den Chips gespeichert ist eine Seriennummer. Die zeigt, von welchem Produzenten der Käse stammt - und ob er echt ist oder nicht.
Hergestellt hat die Mikrochips die US-Firma p-Chip Corporation. Testweise wurden die Chips in die Rinde von 120.000 Parmigiano-Reggiano-Laiben eingefügt. "Das ist kein einfacher Prozess, weil die Rinde erst im Laufe der Herstellung fester und dicker wird. Man muss sehen, dass sich die Chips in der Rinde und nicht im Inneren befinden. Aber es ist machbar", sagt Einzenberger im Podcast. Sie überstehen den Reifungsprozess besser als QR-Codes oder RFID-Systeme - die zum Beispiel auf Kreditkarten sind.
Die Parmesan-Rinde isst man normalerweise nicht mit. Wenn sie aber doch mal im Magen landet, ist das laut dem Hersteller nicht bedenklich. Der Chip hat in Tests auch nach drei Wochen in Magensäure keine gefährlichen Stoffe abgesondert. Ein sinnvoller Plan des Parmesan-Konsortiums im Kampf gegen die Fälschungen, meint der Käsesommelier, auf Konsumentenseite allerdings befürchtet er eher Misstrauen.
Präzedenzfall für Lebensmittelsicherheitskommission
Für die EU sind Mikrochips im Käse Neuland, bisher gibt es keine Verordnung zu Technik in Lebensmitteln. Das europäische Lebensmittelgesetz ist streng, Änderungen dauern lange. Mindestens zwei Jahre könnte so eine Anpassung dauern, glaubt Einzenberger.
Ein Schlupfloch für den gechippten Käse sieht der Käsesommelier aber doch: "Wir haben die Möglichkeit, wenn die Rinde nicht zum Verzehr geeignet ist, dass das auf der Verpackung angegeben werden muss." Bei anderen Käsesorten werde das auch schon so gehandhabt. Eine weitere Möglichkeit sei ein Präzedenzfall. "Man müsse so etwas in den Verkehr bringen und erst dann würde es Aufmerksamkeit geben. Die Lebensmittelsicherheitskommission der EU würde reagieren und sagen, okay, das ist in Ordnung."
Ob die Mikrochips im Parmigiano wirklich besser schützen, als die bisher üblichen Brandzeichen und Nummern, muss sich noch zeigen. Denn auch sie werden in die Rinde eingebracht, die Fälscher einfach abschneiden können.
Trotzdem könnte Italien Vorbild für andere Hersteller sein. Immerhin kostet Lebensmittelbetrug die Branche pro Jahr weltweit bis zu 13 Milliarden Euro. Die Mikrochips können auch für Obst, Gemüse oder Fisch genutzt werden, sagt der Hersteller. Aber auch für Produkte abseits von Lebensmitteln: wie Nutztiere, Pflanzen, Medikamente oder medizinische Geräte. Auch in der Autoindustrie werden sie schon getestet. Damit kann abgesichert werden, dass verbaute Autoteile wirklich echt sind.
"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.
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Quelle: ntv.de