"Gewinnmarge lockt Fälscher an" Gepanschter Honig flutet Europa


Echter oder gestreckter Honig? Schmecken können wir den Unterschied nicht.
(Foto: picture alliance/dpa)
Honig gehört zum Frühstück dazu, er ist einer der beliebtesten Brotaufstriche in Deutschland. Weil wir mehr Honig verbrauchen, als die Bienen produzieren, muss ein Großteil importiert werden. Häufig ist der süße Aufstrich aber mit Zuckersirup gestreckt.
Jetzt im Spätsommer geht die Honigernte langsam zu Ende. In den vergangenen Monaten haben die Bienen fleißig Blütennektar in ihre Bienenstöcke getragen und zu Honig verarbeitet.
Zwar gehören die deutschen Imker und ihre Bienen zu den fleißigsten auf der Welt: pro Jahr ernten sie 15.000 bis 25.000 Tonnen Honig. Doch das reicht lange nicht aus - es deckt gerade mal ein Fünftel des Verbrauchs in Deutschland. Immerhin fast ein Kilo Honig isst jeder Deutsche im Durchschnitt pro Jahr.
Deutschland und die EU sind keine Selbstversorger für Honig. Ein großer Anteil kommt aus Drittländern. Das liege daran, dass die Saisonzeiten für die Honigernte hierzulande sehr kurz sind, erklärt Martina Janke, stellvertretende Leiterin des (LAVES) Instituts für Bienenkunde Celle, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Nach der Sommer-Ernte im Juli und August sei die Saison auch schon vorbei.
Importierter Honig häufig gestreckt
Die EU selbst produziert pro Jahr 218.000 Tonnen Honig, muss aber 175.000 Tonnen vom süßen Saft noch zukaufen. Hauptsächlich aus China, der Ukraine, der Türkei und aus Südamerika.

Per Mikroskop kann im Labor festgestellt werden, an welchen Pflanzen die Bienen gesammelt haben. Hier ist eine Probe eines Edelkastanienhonigs aus Südeuropa zu sehen.
Doch nicht alles davon ist auch echter Honig. Fast die Hälfte davon verstößt gegen EU-Vorschriften, ist bei einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission herausgekommen. Proben aus den Jahren 2021 und 2022 zeigten, dass Honig oft mit Zuckersirup, Farbstoffen und Wasser gestreckt wird. Vor allem bei Lieferungen aus der Türkei und China ist das häufig der Fall. Damit hat sich die Fälschungsquote im Vergleich zum letzten Untersuchungszeitraum, 2015 bis 2017, fast verdreifacht.
Martina Janke kann die grundsätzliche Panscherei bestätigen. Ihr Institut durchleuchtet regelmäßig Honigproben. Die von der EU untersuchten Proben seien nicht im Handel, sondern an den Außengrenzen der EU entdeckt und untersucht worden. "In ihrem Eigeninteresse beauftragen die Importeure ganz umfängliche Vorabuntersuchungen, damit die möglicherweise verfälschte Ware nicht in den Handel kommt. Und das ist in Deutschland sehr verlässlich", sagt Janke.
Gestreckter Honig drückt Preise
Der einfache Grund, warum manche Hersteller Honig strecken, ist, dass gefälschter Honig mit Zuckersirup billiger produziert werden kann und damit die Preise gedrückt werden.
Die Weltmarktpreise für Honig seien durch die große Verbraucher-Nachfrage auf ein Rekordhoch gestiegen, erklärt die Honig-Expertin. "Sirup hingegen ist sehr preisgünstig, zum Beispiel kostet Sirup, der aus Reis hergestellt wird, 40 bis 60 Cent pro Kilogramm. Diese hohe Gewinnmarge lockt diese Fälscher, diese Betrüger auf den Plan."
Importierter verfälschter Honig wird zu Preisen von 2,17 Euro pro Kilogramm gehandelt und kostet damit laut dem Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bund (DBIB) im Laden halb so viel wie einheimischer Honig. Die Imker müssten aber mehr für Transport oder Honiggläser zahlen, ihre Produktionskosten seien im Vergleich zum Vorjahr um 30 bis 40 Prozent gestiegen. Der Zucker zum Zufüttern der Bienen koste sogar fast doppelt so viel. Schuld daran sind unter anderem die schlechte Rübenernte 2022 und die extrem gestiegenen Kosten für Energie, Treibstoffe und Düngemittel.
Obwohl der heimische Honig immerhin zuletzt 10 bis 20 Prozent teurer geworden ist, können die Imker kaum mit dem importierten Honig konkurrieren.
Selbst Honigkenner merken Panscherei nicht
Was in Honig enthalten sein darf, ist in der Honigrichtlinie der EU streng festgelegt. Dort ist er definiert als natursüßer Stoff, der von Bienen produziert wird. Es dürfen nur verschiedenen Zuckerarten wie Glucose und Fructose, organische Säuren, Enzyme oder Pollen enthalten sein. Fremde Lebensmittel oder andere Stoffe wie Zucker, Zuckersirup oder Wasser dazuzumischen, ist verboten.
Ob auf dem Brötchen echter Honig oder gestreckter ist, schmeckt man aber nicht. Weltweit gebe es viel zu viele Honigvarianten, nur wer gut trainiert und spezialisiert sei, könne vielleicht einzelne Sorten oder Fremdaromen durch Gärung des Honigs erschmecken, erläutert Janke im "Wieder was gelernt"-Podcast. "Aber nicht, wenn der Honig durch Beimengungen von Zuckersirup gestreckt ist." Dafür brauche man moderne, chemische Analyse-Methoden. Immerhin enthält Honig schon von Natur aus 80 Prozent Zucker.
Andere kriminelle Manipulationen lassen sich schon mit einem Mikroskop nachweisen. Beispielsweise die Ultrafiltration. Diese Technik nutzen Kriminelle, wenn sie verschleiern wollen, woher der Honig stammt. Dabei werden die Pollenkörner unter hohem Druck herausgefiltert. "Wenn man zu wenig Pollen findet, wäre das ein Hinweis, dass vielleicht Pollen entzogen worden sind, um bewusst die Herkunft zu verfälschen", berichtet Janke.
EU will Herkunft besser kennzeichnen
Die EU-Kommission will, dass zumindest sichtbar wird, woher Honig stammt. Das ist zurzeit nicht immer der Fall: Wenn Honig aus einem Land außerhalb der EU kommt, steht auf dem Etikett nur "Mischung von Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern". In Zukunft soll auf dem Etikett jedes Herkunftsland aufgedruckt sein. So wie das Frankreich, Ungarn oder Spanien bereits tun.
"Die Sorgfaltspflicht liegt bei demjenigen, der den Honig in den Handel bringt", stellt Janke im Podcast klar. Um kein Risiko einzugehen, beauftragten die großen Importeure sowie viele Berufs- und Freizeitimker eine Vorabuntersuchung, zum Beispiel in ihrem Labor in Celle. Dabei werde festgestellt, ob die Qualitätskennzahlen erfüllt würden und ob die Sorte des Honigs richtig ausgewiesen sei.
Wer ganz sicher sein will, dass er qualitativ hochwertigen Honig aufs Brot bekommt, der kauft ihn am besten beim Imker um die Ecke, rät Expertin Janke. Damit fördere man nicht nur die Regionalität, sondern auch die Landwirtschaft. Denn die heimischen Bienen bestäuben unsere Pflanzen und tragen dazu bei, dass in der Region Obst und Gemüse wächst.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de