Boeing-Debakel hemmt Wachstum Ryanair leidet unter 737-Max-Verbot
03.02.2020, 11:07 Uhr
Abhängig von den Amerikanern: Ryanair fliegt mit Boeing-Jets.
(Foto: imago images/Arnulf Hettrich)
Trotz der reiseschwachen Wintersaison erreicht Ryanair einen überraschend hohen Quartalsumsatz. Dennoch muss die Fluggesellschaft einen Dämpfer hinnehmen. Das Startverbot für das Modell 737 Max von Boeing wirft die Iren bei ihren Wachstumsplänen zurück.
Wegen des immer länger dauernden weltweiten Flugverbots der Unglückmaschine Boeing 737 Max muss die irische Billig-Fluglinie Ryanair ihr langfristiges Ziel für das Passagierwachstum vorerst kassieren. Die Gesellschaft werde die Schwelle von jährlich 200 Millionen Passagieren ein bis zwei Jahre später erreichen als bisher geplant, teilte die Fluggesellschaft in Dublin mit. Statt im Geschäftsjahr bis Ende März 2024 sei dieses Ziel frühestens 2025 oder 2026 zu erreichen, hieß es.
Mit einer festen Bestellung von insgesamt 210 Max-Modellen ist die Fluggesellschaft, die aus Kostengründen ausschließlich mit Boeing-Maschinen fliegt, einer der größten Boeing-Kunden. Das Flugzeugmodell, bei dem es sich um eine grundlegend überarbeitete Version der bewährten Jet-Reihe 737 handelt, muss aufgrund zweier Abstürze im Oktober 2018 und im März 2019 mit insgesamt 346 Todesopfern weiterhin am Boden bleiben.
Für Ryanair ist das ein gravierendes Problem: Ursprünglich sollten im kommenden Sommer 58 neue Max-Flieger bei der Billigfluglinie in Betrieb gehen. Die Maschinen waren fest eingeplant. Mit der Auslieferung der ersten Boeing 737 Max rechnet Ryanair-Chef Michael O'Leary inzwischen jedoch nicht mehr vor September oder Oktober 2020.
Der Ryanair-Konzern betreibt eine Flugzeugflotte mit mehr als 470 Mittelstreckenjets. Dabei handelt es sich fast durchweg um die herkömmliche Boeing 737, nur der österreichische Ryanair-Ableger Lauda ist mit dem Konkurrenzmodell Airbus A320 unterwegs. Die Ryanair-Führung baut weiter auf den Erfolg der "Max" und den im Vergleich zum Vorgängermodell geringeren Kerosinverbrauch, den das Flugzeug unter anderem auch seinen deutlich größeren Triebwerken verdankt.
Nach den beiden 737-Max-Abstürzen gilt seit März 2019 ein weltweites Startverbot für das Modell. Hersteller Boeing rechnet inzwischen damit, dass das Verbot frühestens Mitte 2020 aufgehoben wird.
Trotzdem hoher Quartalsumsatz
Im abgelaufenen dritten Geschäftsquartal bis Ende Dezember flog Ryanair dank einer ungewöhnlich starken Nachfrage und gestiegener Ticketpreise in die schwarzen Zahlen: Unter dem Strich stand ein Gewinn von 88 Millionen Euro nach einem Verlust von 66 Millionen ein Jahr zuvor. Im reiseschwachen Winterhalbjahr schreiben die auf Urlauber ausgerichteten Billig-Airlines in der Regel Verluste oder kratzen allenfalls an der Gewinnschwelle. Ihre Gewinne erwirtschaften sie vor allem in der Hauptreisezeit im Sommer.
Während die Zahl der Fluggäste bei Ryanair im zurückliegenden Quartal um sechs Prozent auf 35,9 Millionen stieg, sprang der Umsatz um 21 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro nach oben. Die Ticketpreise stiegen um neun Prozent, die Zusatzerlöse etwa für bevorzugtes An-Bord-Gehen und die Auswahl von Sitzplätzen legten sogar um 28 Prozent zu.
Dank des unerwartet guten Geschäftsverlaufs hatte die Ryanair-Führung Anfang Januar ihre Gewinnprognose angehoben. Im Ende März endenden Geschäftsjahr soll der Gewinn seither 950 Millionen bis 1,05 Milliarden Euro erreichen. Zuvor hatte O'Leary 800 bis 900 Millionen Euro in Aussicht gestellt, nachdem das Ergebnis im Vorjahr auf 885 Millionen Euro eingebrochen war.
Bei Boeing stehen unterdessen unzufriedene Kunden Schlange: Von den mehr als 5000 fest vorbestellten Maschinen konnte der US-Flugzeugbauer bislang erst 387 Stück ausliefern. Im Flugbetrieb sind diese Jets allerdings bis auf weiteres nicht einsetzbar. Die ausstehenden Bestellungen summieren sich damit derzeit noch auf mehr als 4600 Maschinen. Wie viele Abnehmer sich mit dem Gedanken tragen, ihre Aufträge zu stornieren oder etwaige Rabatte nachzuverhandeln, ist nicht bekannt.
Quelle: ntv.de, cri/dpa/rts