US-Klimaschutzprogramm "Subventionswettlauf ist Verbrennung von Wohlstand"
11.03.2023, 11:26 Uhr Artikel anhören
"Es wäre effizienter, sich auf die Dinge zu konzentrieren, in denen der Standort Deutschland gut aufgestellt ist", sagt Jens Boysen-Hogrefe.
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Die USA setzen mit ihrem Inflation Reduction Act Milliarden von Dollar für den Zukunftsmarkt frei. Die EU versucht vergeblich, darauf zu reagieren - doch Jens Boysen-Hogrefe warnt davor, in einen Subventionswettlauf einzutreten: "Wir müssen einfach akzeptieren, dass wir da einen Standortnachteil haben", sagt der Ökonom am Kiel Institut für Weltwirtschaft.
ntv.de: Mit ihrem "Inflation Reduction Act" stecken die USA viel Geld in die Bekämpfung des Klimawandels - aber auch in den Aufbau von Zukunftstechnologien. Wie sollte Europa darauf reagieren?
Jens Boysen-Hogrefe: Wir sollten uns nicht auf den Subventionswettlauf mit den USA einlassen. Wenn die USA anfangen, im großen Stil im Bereich Klima und Energie zu fördern und zu subventionieren, dann können wir das dankend zur Kenntnis nehmen. Wenn dann irgendwann die Solarpaneele aus den USA importiert werden und nicht wie jetzt aus China, ist das auch nicht schlecht.
Hat die Abhängigkeit von russischem Gas nicht bewiesen, dass wir unsere Energieversorgung lieber nicht von einem Land abhängig machen sollten?
Die Gasknappheit hat auch gezeigt: Wenn einige Industrien das Land verlassen oder hier die Lichter ausmachen müssen, geht das Land nicht unter. Wenn wir bestimmte Sachen hier einfach nicht herstellen, ist das keine Katastrophe. Es wäre effizienter, sich auf die Dinge zu konzentrieren, in denen der Standort Deutschland gut aufgestellt ist.
Worin sind wir nicht gut?
Ein Beispiel ist die energieintensive Industrie. Wir sind einfach nicht in der Lage, so schnell viel günstige grüne Energie in diesem Land zu produzieren. Wir haben keine billige Primärenergie, wir haben nicht wirklich Solarenergie zur Verfügung. Wenn wir uns Solarpanels aufs Dach stellen, hat das nur einen kleinen Beitrag zur Energiesicherheit. Die Windenergie spielt eine gewisse Rolle, aber auch da haben wir erhebliche Probleme, schnell eine sichere Versorgung aufzubauen.
Man könnte aber auch den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen, oder?
Keine Frage, aber wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass z.B. in Arizona die Solarmodule zwölf Stunden am Tag volle Sonne bekommen. Das könnte man in Südspanien und vielleicht in Teilen Italiens machen, aber nicht in Deutschland. Wir müssen einfach akzeptieren, dass wir da einen Standortnachteil haben. Und warum sollten wir dagegen ankämpfen? Das halte ich für maximal ineffizient.
Wenn Deutschland nicht in den Zukunftsmarkt einsteigt, würde die Wirtschaft hierzulande in 10 oder 20 Jahren nicht massiv darunter leiden?
Auch in andere Zukunftsmärkte sind wir nicht eingestiegen. Ich sehe zum Beispiel die Gentechnik. Aber Deutschland hat von sich aus gesagt, dass wir da nicht mitmachen werden. Auch im Digitalbereich gibt es Defizite. Ein zweites Silicon Valley ist für Deutschland nicht in Sicht. Das heißt, es gibt Bereiche, in denen wir jetzt schon nicht mehr mitspielen, aber dafür geht es uns noch ziemlich gut. Es gibt dafür viele Bereiche, in denen Deutschland noch extrem gut aufgestellt ist und diese sollten wir nicht aus den Augen verlieren.
Welche Bereiche meinen Sie?
Wir können viele Dinge tun, die für den Klimaschutz hilfreich sind. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Innovation. Der deutsche Maschinenbau ist sehr innovationsfreudig und das führt zu effizienteren Maschinen, die Energie sparen. Ein anderes Thema ist die CO2-Speicherung, wo mit Wintershall Dea auch ein deutsches Unternehmen aktiv ist. Aber letztlich werden die Unternehmen selber die Bereiche entdecken, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, es sich also lohnt CO2 zu vermeiden, es gut ausgebildete Menschen gibt und Innovationen durch Regulierung nicht zu sehr behindert werden.
Wäre es nicht strategisch sinnvoller, uns in den Zukunftstechnologien breiter aufzustellen?
Wenn wir unbedingt Batterien produzieren wollen, dann schafft das ein paar 100 oder 1000 Arbeitsplätze. Ob die Batterie hier produziert oder woanders zusammengebaut wird und dann per Schiff in Bremerhaven landet, macht vielleicht keinen so großen Unterschied.
Wären wir dann nicht abhängig von ausländischen Batterieherstellern?
Aber wir sind trotzdem abhängig, auch wenn wir die Batterien vor Ort herstellen. Denn wir haben in Deutschland die entsprechenden Rohstoffe nicht. Wir produzieren riesige Mengen an Autos, haben aber kein Eisenerz. Diese Abhängigkeit scheint auch kein Problem zu sein.
Wir haben während Corona und vor allem nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine gesehen, wie fatal es sein kann, für die Versorgungssicherheit Deutschlands von einem anderen Land abhängig zu sein.
Versorgungssicherheit ist natürlich bei Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern essenziell. Dass wir hier nicht von internationalen Lieferketten komplett abhängig sein wollen, verstehe ich. Aber bei anderen Dingen, wie zum Beispiel Solaranlagen, geht es nicht um Leben und Tod, wenn sie eine Woche später eintreffen.
Es könnte sich bei China aber nicht nur um eine Woche handeln. Was ist, wenn wir, wie im Falle Russlands, die Handelsbeziehungen mit China so stark einschränken und damit zum Beispiel vom Solarmarkt völlig abgeschnitten sind?
Aber die Debatte dreht sich derzeit nicht nur um China. Es geht auch darum, wie sich Europa im Rennen um die grüne Transformation gegenüber den USA positionieren will. Anstatt sich abzuschotten, wäre es meiner Meinung nach viel interessanter, eine Freihandelszone mit den USA zu errichten. So können wir die klimapolitischen Fortschritte, die die USA machen, für uns nutzen. Wir sollten ihnen einfach diesen Arbeitszuwachs gönnen.
Und was, wenn sogar die Handelsbeziehungen zu den USA irgendwann unterbrochen werden? Viele Menschen in Deutschland haben es nicht für möglich gehalten, dass es zu einem solchen Bruch mit Russland kommen könnte.
Wenn sich alle Staaten abschotten, dann haben wir ganz andere Probleme. Wir werden dann auch keinen Zugang zu den Rohstoffen haben, die wir für die Batterieproduktion brauchen. Im Kampf gegen den Klimawandel brauchen wir keinen Subventionswettlauf, sondern Zusammenarbeit. Statt uns jetzt mit den Amerikanern zu streiten, sollten wir uns auf dem Weg zur Klimaneutralität gegenseitig unterstützen.
Wettbewerb kann aber auch manchmal zu schnellerem Fortschritt führen.
Ja, es könnte ein Gewinn für das Klima werden - dürfte aber relativ teuer werden. Wenn wir dem Klimawandel entgegenwirken und gleichzeitig irgendeine Art von Wohlstand erhalten wollen, brauchen wir Effizienz. Ein Subventionswettlauf mit den USA ist Verbrennung von Wohlstand.
Können Sie das näher erläutern? Warum verbrennt das den Wohlstand?
Wir könnten diesen Subventionswettlauf anheizen und hoffen, dass wir in diesem Wettbewerb die technische Entwicklung ein wenig schneller vorantreiben können. Das ist möglich. Aber es geht ja gerade darum, dass bei uns das Gleiche gemacht werden soll wie in den USA. Am Ende ist einer der Produktionsstandorte tatsächlich günstiger und der andere wird nur durch Subventionen aufrechterhalten. Das sind Mittel, die an anderer Stelle gebraucht werden, zum Beispiel für die Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren.
Mit Jens Boysen-Hogrefe sprach Clara Suchy
Quelle: ntv.de