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Jahrelange Verspätung Wann Autos autonom durch Deutschland fahren

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Die Google-Schwester Waymo ist bei fahrerlosen Taxis neben Baidu aus China weltweit führend.

Die Google-Schwester Waymo ist bei fahrerlosen Taxis neben Baidu aus China weltweit führend.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Bosch streicht mehr als 1000 Arbeitsplätze, weil die Entwicklung des automatisierten Fahrens die Branche mehr Zeit kostet als gedacht. Grund ist laut Branchenexperte Stefan Bratzel eine riesige Datenlücke. Ein Wendepunkt dürfte das Jahr 2030 werden.

Neben dem Stellenabbau in seiner Antriebssparte will Bosch nun auch rund 1200 Arbeitsplätze im Softwarebereich streichen, denn die Herausforderungen beim automatisierten Fahren sind größer als erwartet. Das autonome Fahren zählt weiterhin zu den zentralen Innovationen für die deutsche Autoindustrie, um wettbewerbsfähig zu bleiben, doch die Entwicklung dauert deutlich länger als prognostiziert - die Einführung verzögert sich um Jahre. Mit einem breiten Einsatz fahrerloser Robotaxis in deutschen Großstädten wie Hamburg, München und Berlin rechnet Branchenexperte Stefan Bratzel inzwischen erst ab 2030, wie er im Gespräch mit ntv.de erklärt.

Ab 2030 werden außerdem Autos mit über 100 Kilometern pro Stunde selbstständig unterwegs sein, erwartet der Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Dann könnten Privatbesitzer die Fahrt auf der Autobahn für andere Dinge nutzen, etwa E-Mails schreiben oder die aktuellen Nachrichten lesen und gucken. Anfang der 2030er Jahre sollten zudem die Hardware-Kosten für die Sensorik so weit sinken, dass zwar immer noch ein paar Tausend Euro fällig werden, die Technik aber nicht mehr nur in der Oberklasse, sondern in breiteren Fahrzeugsegmenten verbaut wird, erwartet Bratzel.

Bis zu einem breiten Einsatz selbstfahrender Privatautos im Stadtverkehr dürften dann noch weitere Jahre vergehen. Im Moment sind Premiummodelle von Mercedes und BMW unter bestimmten Voraussetzungen auf der Autobahn bei bis zu 60 km/h in der Lage, autonom zu fahren, also als Staupilot. Sind die Spuren gut zu erkennen und etwa frei von Baustellen, gibt das Auto Bescheid, dass der Fahrer die Hände vom Lenkrad nehmen und etwas anderes machen kann. Innerhalb von zehn Sekunden muss der Mensch das Steuer allerdings wieder übernehmen können.

Verheerender Unfall für GM-Tochter

Für diese Fälle übernehmen die Hersteller inzwischen die Haftung. "Ein Riesenschritt", betont Bratzel. Selbst bei geringem Tempo fährt ein Auto in zehn Sekunden weit. 6000 bis 8000 Euro müssen Kunden für einen solchen Staupiloten aktuell bezahlen - viel Geld für seltene Anwendungsmöglichkeiten. Der Kundenkreis ist folglich noch überschaubar.

Die Kosten sind jedoch nicht die größte Bremse fürs autonome Fahren. Den Herstellern fehlen Bratzel zufolge vor allem noch gigantische Datenmengen. Denn Sicherheit ist hier das A und O. "Die Hersteller müssen statistisch nachweisen, dass sie besser sind als menschliche Fahrer." Um sehr viel besser zu sein als der Mensch, dürfe nur alle zehn Millionen Kilometer ein fataler Unfall mit den autonomen Fahrzeugen passieren. Dazu müsse man 100 Millionen Kilometer real und virtuell über Simulationen testen, um auch seltene Sicherheitsrisiken zu erfassen.

Daran scheiterte gerade die GM-Tochter Cruise, die nach einem Unfall mit einem ihrer Robotertaxis den Betrieb in San Francisco einstellen musste. Eine Fußgängerin wurde von einem anderen Wagen angefahren und vor das selbstfahrende Auto geschleudert. Letzteres bremste zwar sofort, schleifte die Frau jedoch mit, als es an den Straßenrand fuhr. "Für diesen schrecklichen Fall gab es keine Daten", sagt Bratzel.

Autonomes Fahren ohne Unfalltote wird es nicht geben

Hinzu kommt die gesellschaftliche Akzeptanz - wie viel Risiko wollen wir eingehen? "Autonomes Fahren und null Verkehrstote wird es nicht geben", stellt der Experte klar. Die Zahl der Verkehrsunfälle könne durch selbstfahrende Autos jedoch stark reduziert werden. Ein weiterer Vorteil: Durch die Technik lasse sich langfristig der wachsende Fahrermangel für LKW und Busse ausgleichen, auch wenn derzeit bei Testfahrten in den USA noch Sicherheitsfahrer an Bord sind. Günstiger dürften solche Fahrten dadurch ebenfalls werden, auch im Personenverkehr, zumindest im Vergleich zu Taxifahrten heute.

Tesla wollte eigentlich längst so weit sein, dass sein Autopilot vollautonom durch den Straßenverkehr steuert, doch nach Bratzels Einschätzung dürfte das immer noch einige Jahre dauern. Elon Musk scheiterte seiner Ansicht nach vor allem, weil er bei der Sensorik aus Kostengründen nur auf Kameratechnik setzte. Andere Hersteller ergänzten diese aus Sicherheitsgründen um Radar und WLAN.

Auch wenn Tesla inzwischen eingeholt wurde, "spielen Musik und Fortschritt in den USA und China", sagt Bratzel. Bei Autos in Privatbesitz fahren neben Tesla auch Mercedes und BMW ganz vorne mit, die dem Fahrer inzwischen ermöglichen, zumindest vorübergehend einer anderen Tätigkeit nachzugehen - er oder sie muss das System nicht mehr permanent überwachen. Auf die drei Hersteller folgen laut Bratzel GM und Ford sowie Xpeng aus China.

Bei Robotaxis fahren die Deutschen hinterher

Doch bei Robotertaxis "fahren die deutschen Hersteller hinterher". Hier führt Waymo, dessen fahrerlose Taxis bereits durch San Francisco rollen. Nachdem Cruise dies beenden musste, sieht Bratzel hier nur noch Baidu aus China in der ersten Reihe. In zweiter Reihe stünden ebenfalls vor allem chinesische Anbieter wie AutoX sowie Pony.ai.

Von den deutschen Herstellern versucht sich nur VW in dem Bereich, die Niedersachsen nutzen dabei allerdings die Technik ihres israelischen Partners Mobileye. Die Testphase in Hamburg soll spätestens 2026 starten. Bratzel mahnt: "Über diese Pilotphasen müssen wir eigentlich hinweg."

Quelle: ntv.de

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