Wirtschaft

Baumwollpreis auf Höchststand Wie der Klimawandel Tampons teurer macht

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Trockenheit und Hitze haben einen Teil der Baumwollernte in Texas vergangenes Jahr schwer geschädigt.

Trockenheit und Hitze haben einen Teil der Baumwollernte in Texas vergangenes Jahr schwer geschädigt.

(Foto: AP)

Baumwollprodukte wie Tampons oder Mullverbände sind in den USA zuletzt deutlich teurer geworden. Eine Dürre im Hauptanbaugebiet Texas ließ den Baumwollpreis nach oben schnellen. Den Klimawandel spüren Landwirte weltweit. Einige Länder fahren trotz Wassermangels Rekordernten ein - dank wegweisender Ideen.

Erst sind es Klopapier und Babymilchpulver - und dann werden auch noch Tampons knapp. In Supermärkten und Apotheken in den USA waren Regale für Menstruationsprodukte vergangenes Jahr teils komplett leergefegt. Einige Marken waren in bestimmten Regionen vorübergehend überhaupt nicht mehr zu bekommen.

Die Preise für Tampons kletterten 2022 um 13 Prozent in die Höhe. Viele Frauen konnten sich Menstruationsprodukte nicht mehr leisten. Menschen mit einem niedrigen Einkommen müssten sich zwischen Lebensmitteln und Damenhygieneprodukten entscheiden, sagte Kathy Tammes von der gemeinnützigen Organisation Go with the Flow beim TV-Sender FOX 32.

Die Tampon-Krise in den USA hat mehrere Gründe. Wie zu Pandemiebeginn beim Klopapier, haben die Menschen Hamsterkäufe gemacht. Ein weiteres Problem waren die "teuren und unbeständigen" Lieferketten, hieß es vom "Always"-Hersteller Procter & Gamble, einem der größten US-Produzenten von Menstruations-Artikeln. Probleme hatte auch der "o.b."-Produzent Edgewell: Dort war wegen mehrerer Corona-Ausbrüche Personal ausgefallen.

Baumwolle ist zentraler Bestandteil

Eine Schlüsselkomponente für Tampons oder Binden sei aber Baumwolle, sagte Lieferketten-Experte Zac Rogers von der Colorado State University bei KOAA News.

Rohstoffe wie Baumwolle, aber auch Kunststoffe und Zellstoffe sind vergangenes Jahr teurer geworden. Der internationale Baumwollpreis kletterte teilweise auf einen historischen Höchststand, um fast 30 Prozent.

Das hatte zur Folge, dass neben Tampons auch viele Dinge aus Baumwolle in den USA teurer geworden sind. Mullbinden kosteten laut einem Bericht der New York Times durchschnittlich 8 Prozent mehr, Wattebäusche 9 Prozent, Stoffwindeln wurden sogar um 21 Prozent teurer. Das lag deutlich über der Inflationsrate des Landes von 6,5 Prozent im Jahr 2022.

"Viele Firmen sind dazu übergegangen, Biobaumwolle in ihre Tampons mit hineinzunehmen. Wenn es 100 Prozent sind, ist es natürlich sehr teuer, weil Bio-Baumwollanbau allein durch den höheren Aufwand einen höheren Preis verdient. Wenn Sie bei Hygieneprodukten Biobaumwolle hineinnehmen statt wie vorher günstigere Zelluloseprodukte, dann ist der Preis natürlich höher", sagt Elke Hortmeyer, Sprecherin der Bremer Baumwollbörse im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".

US-Baumwollernte "zweitniedrigste seit Bürgerkrieg"

Die größten Produzenten von Baumwolle weltweit sind Indien, China, die USA, Brasilien, Australien und Pakistan. Die Vereinigten Staaten sind der größte Baumwollexporteur.

Vergangenes Jahr hatten die USA aber mit einem Ernteeinbruch zu kämpfen. Schuld daran war eine Dürre: In Texas regnete es viel weniger als sonst. Im Lone Star State gab es dazu noch den zweitheißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. Zudem geht der bedeutende Grundwasserleiter Ogallala-Aquifer, mit dem texanische Bauern ihre Baumwollkulturen bewässert hatten, schon seit längerer Zeit zurück - zum Teil aufgrund des Klimawandels.

Das ist ein großes Problem für die US-Baumwollindustrie, weil fast die Hälfte in Texas angebaut wird. Die texanischen Landwirte mussten voriges Jahr 74 Prozent ihrer Anbauflächen wegen Hitze und ausgetrockneter Böden aufgeben. "Der zweitniedrigste Stand seit dem Bürgerkrieg", berichtet Elke Hortmeyer. Die Ernte sei spürbar reduziert gewesen.

Baumwolle durch Überschwemmungen bedroht

Weltweit wurde weniger Baumwolle produziert: Zur Dürre in den USA kamen noch die Unwetter in Pakistan hinzu. Regenfälle überfluteten im August ein Drittel der Fläche des Landes, rund 1.600 Menschen starben. 40 bis 45 Prozent der Baumwollernte wurden verwüstet. Der ausgedörrte Boden konnte die Wassermassen nicht aufnehmen. Der fünftgrößte Baumwollproduzent hat seit Jahren mit Starkregen und Überschwemmungen zu kämpfen. Ein verheerenderes Beispiel für die globale Erwärmung, sagte Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif bei der UN-Generaldebatte im September. Auch das Nachbarland Indien hatte wegen Regenfällen weniger Baumwolle geerntet.

Experten sagen voraus, dass der Klimawandel den Baumwollanbau weltweit immer stärker bedrohen wird. Die Hälfte der Anbauregionen werden bis 2040 von Klimarisiken wie Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden betroffen sein.

Und auch wenn Baumwolle nur ein Bruchteil der Menge an Wasser braucht, wie jahrelang behauptet wurde, kommt die Pflanze trotzdem nicht ganz ohne aus: Über die Hälfte der weltweiten Baumwollanbaufläche ist auf Regen angewiesen. In den USA und Indien werden 65 Prozent der Baumwollanbaufläche durch Niederschläge bewässert.

Wassernotstand in Arizona

Im US-Bundesstaat Arizona benötigen die Landwirte immer mehr Wasser für die Bewässerung. In Zukunft wird der Bedarf laut einer Studie noch steigen. Die Baumwollernte in dem trockenen Wüstenstaat wird durch die vorhergesagten Klimabedingungen bis Mitte des Jahrhunderts um mindestens 40 Prozent sinken.

Bereits im Sommer 2021 hatte die US-Regierung am Colorado River im Südwesten Nordamerikas einen Wassernotstand ausgerufen. Arizona und Nevada mussten ihren Wasserverbrauch reduzieren. Der Fluss, der viele Städte mit Wasser versorgt, trocknet immer mehr aus.

Die US-amerikanischen Landwirte reagieren auf den Klimawandel, indem sie unrentable Felder verkleinern oder verlegen. "Da, wo der Landwirt sieht, dass es ihm nichts bringt, hier Baumwolle anzubauen, weil die Erträge zu niedrig sind, das Erdreich nicht gut genug ist, da wird aussortiert", erklärt Elke Hortmeyer im Podcast.

Der US-Baumwollanbau verlagere sich, beeinflusst durch die klimatischen Bedingungen, in Richtung Norden, weiß die Bremer Expertin. "Dorthin, wo eigentlich der Baumwollanbau noch nicht so heimisch ist oder nicht unbedingt üblich."

Ausgeklügelte Bewässerungstechnik

Dabei braucht Baumwolle gar nicht so viel Wasser, wie viele andere Nutzpflanzen. Für die Produktion von einem Kilo Reis zum Beispiel werden etwa 2300 Liter Wasser benötigt. Baumwolle verbraucht nach Zahlen des internationalen Baumwollsekretariats ICAC nur rund 1200 Liter.

Die weiße Naturfaser wird besonders in trockenen Regionen angebaut, wo andere Nutzpflanzen gar nicht mehr wachsen. Sie braucht nur zu bestimmten Zeitpunkten Wasser. Eine künstliche Bewässerung macht wesentlich höhere Erträge möglich.

Inzwischen kann mit weniger Wasser erheblich mehr Baumwolle produziert werden - auch in sehr trockenen Ländern. Israel habe mithilfe von hoch technisierten Betrieben die weltweit fast höchsten Erträge, sagt Elke Hortmeyer im "Wieder was gelernt"-Podcast. Das Land nutzt Tröpfchenbewässerung und gießt mit recyceltem Wasser. Ein anderes Beispiel sei Australien. "Die haben teilweise ganz wenig Wasser, kriegen es aber durch dieses fantastische Wassermanagement hin, derzeit die höchsten Erträge der Welt zu erzielen."

Klimaresistente Baumwollsorten

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Obwohl Baumwolle eine verhältnismäßig klimaresistente Pflanze ist, müssen sich die Landwirte - wie bei anderen Pflanzen auch - an den Klimawandel anpassen. Eine Möglichkeit ist, dass sie dafür sorgen, dass ihre Äcker möglichst viel Humus enthalten. Der Boden kann dann Wasser besser speichern. Außerdem könnten sie auf Saatgut setzen, dass Trockenheit-resistent ist oder sich in versalzenen Böden wohlfühlt, so die Baumwoll-Expertin. Schon lange werde dazu geforscht und es sei noch sehr viel machbar.

Den großen Baumproduzenten China und Indien sagt das United States Department of Agriculture (USDA) nach vorher niedrigeren Erträgen für das Erntejahr 2022/2023 wieder bessere Baumwollernten voraus. "Wir haben gute Ernten in Brasilien, wir haben gute Ernten in China. Wir haben in afrikanischen Ländern sehr, sehr gute Ergebnisse", so Hortmeyer. In den USA werden die Erträge voraussichtlich sinken. Panik sei jetzt trotzdem nicht angebracht, beruhigt die Expertin: Wenn es in den Vereinigten Staaten schlecht laufe, sei das keine Katastrophe für die gesamte Baumwollindustrie.

"Wieder was gelernt"-Podcast

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

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Quelle: ntv.de

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