Noch vier Wochen bis zum ESC Roman Lob nur Außenseiter
28.04.2012, 10:36 UhrRoman Lob hat in Baku nur Außenseiterchancen. Wahrscheinlich fällt der Bub einfach zu wenig aus der Rolle. Mit den singenden Großmüttern demonstriert Russland, wie man Favoriten schafft. Allerdings könnte in Baku der Kampf um Menschenrechte den Wettstreit um den ESC-Sieg überlagern.
Wie lange ein Sieg beim Eurovision Song Contest nachwirkt, bekam Roman Lob die vergangenen Tage ziemlich häufig präsentiert: Immer wieder war da von Nicole und ihrem Sieg mit "Ein bisschen Frieden" vor 30 Jahren die Rede. Bei Roman Lob dürfte allmählich die Anspannung wachsen, ob er es Nicole und Lena Meyer-Landrut nachmachen kann und den dritten deutschen Sieg beim ESC holen kann. Am Samstag in vier Wochen steigt in Baku das große Finale - doch Deutschland befindet sich mit seinem schüchternen 21-jährigen Vertreter nur in einer Außenseiterposition.
"Standing still" heißt das Lied, das Lob am 26. Mai mit der Startnummer 20 im Finale in Baku singen wird. Viele kennen das Lied schon, doch viele andere werden es in der Zeit rund um das Finale wohl zum ersten Mal hören. Denn anders als 2010 Lenas "Satellite", das direkt nach dem deutschen Vorentscheid zur Nummer eins in Deutschland wurde, ist "Standing still" bislang nur ein mittelmäßiger Erfolg. Kurzzeitig brachte es das Lied auf den dritten Platz der Charts, nach nur wenigen Wochen ist es aber weit abgeschlagen im Hinterfeld.
Die Hitparaden-Platzierungen in Deutschland müssen nicht maßgeblich dafür werden, wie Roman Lob in Aserbaidschan abschneidet. Doch auch alle anderen Vorzeichen sehen in dem Deutschen allenfalls einen krassen Außenseiter. Ob bei Buchmachern oder den in ganz Europa mitfiebernden Fanclubs: Nirgendwo wird der Industrie-Mechaniker vorne gesehen. Dagegen dominiert die Schwedin Loreen mit ihrem Dance-Hit "Euphoria" fast alle Prognosen, auch Island, Spanien oder Italien sowie den von Russland ins Rennen geschickten singenden Großmüttern werden gute Chancen ausgerechnet.
Aufwachen im Mittelmaß
Geht es nach diesen Prognosen, droht Deutschland nach zwei tollen Lena-Jahren - im vergangenen Jahr kam sie beim Versuch der Titelverteidigung mit "Taken by a stranger" immerhin auf Platz zehn - wieder ein ernüchterndes Aufwachen im Mittelmaß. Allerdings: Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Vorhersagen durch die Telefonabstimmung der Zuschauer in Europa ad absurdum geführt und lagen auf einmal hinten vermutete Länder ganz weit vorne.
Doch wird in Baku überhaupt so intensiv über die Musik geredet werden wie im vergangenen Jahr, als Deutschland in Düsseldorf Gastgeber war? Oder wird am Ende doch das Thema Menschenrechte den bisher weitgehend politikfreien ESC erreichen? Die Regierung von Präsident Ilham Alijew tat in den Vorbereitungen vieles, um aus dem ESC ein Vehikel in eigener Sache zu machen. Die vom Ölreichtum profitierende Regierung macht gar keinen Hehl daraus, den für seine Strahlkraft mit 120 Millionen Fernsehzuschauern bekannten Wettbewerb als Mittel zur Imagepolitur nutzen zu wollen.
Dabei ging Aserbaidschan nach Beobachtung von Menschenrechtlern rücksichtslos vor. Die Crystal Hall, wo der Wettbewerb stattfindet, ist architektonisch zwar ein Spektakel. Ermöglicht wurde der Bau aber erst durch Zwangsräumungen. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sehen systematische Verletzungen der Menschenrechte, die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen führt Alijew auf der Liste der weltweit größten Feinde der Pressefreiheit. Alijew selbst wies alle Vorwürfe gegen sich zurück.
Spannend dürfte es werden, wenn in den kommenden Wochen immer mehr Fans nach Baku reisen: Die Fangemeinde des Eurovision Song Contest ist schrill und feierfreudig und lässt sich nur schwer in die Schranken weisen - für das System in Aserbaidschan sicherlich eine Herausforderung.
Quelle: ntv.de, Ralf Isermann, AFP