Retrospektive im Metal-Gewand Heino lässt es richtig krachen
12.12.2014, 13:50 Uhr
Fast könnte man meinen, Heino will optisch einen auf Johnny Cash machen.
(Foto: starwatch entertainment)
Ein bisschen Spaß muss sein: Nach dem Album "Mit freundlichen Grüßen" startet Heino mit seiner nächsten Veröffentlichung "Schwarz blüht der Enzian" einen zweiten Angriff auf die hiesige Charts-Spitze. Dabei stehen diesmal sägende Metal-Gitarren und treibende Drums aus der Retorte Spalier.
Kaum ein deutsches Gesicht ist hierzulande wohl bekannter als das von Heino. Das markante Grinsen, die dunkle Sonnenbrille und das stets adrett gescheitelte rotblonde Haupthaar des gelernten Bäckers aus Düsseldorf sorgen sogar auf Schulhöfen der Republik für hochgezogene Augenbrauen. Und das, obwohl Heinos Musik in etwa so up to date ist wie ein Röhrenfernseher.
Zumindest war das bis vor knapp zwei Jahren noch so. Dann legte der Barde jedoch seinen Rollkragenpullover beiseite, schlüpfte in ein schwarzes T-Shirt, zog sich einen Totenkopfring über den Finger und machte sich über Lieder von Rammstein, den Fantastischen Vier und Extrabreit her.
Heinos musikalischer Gruß ("Mit freundlichen Grüßen") in Richtung Jugend von heute blieb natürlich nicht ungehört. Neben der erstmaligen Eroberung der nationalen Charts-Spitze durfte sich Heino im Sommer 2013 sogar über eine wildgewordene ihm zuprostende Wacken-Meute freuen. Einmal auf den Geschmack gekommen, setzt Deutschlands Volksmusik-Papst im vorweihnachtlichen Dezember 2014 noch einen drauf.
Schon das Cover seines neuen Albums spricht eine deutliche Sprache: Heino im knöchellangen Lack- und Leder-Mantel sitzend auf einem Thron, der dem des Leibhaftigen in puncto Gruselfaktor in nichts nachsteht. Heino goes Metal? Ja, so sieht’s aus. Der Enzian ist nicht mehr blau, sondern schwarz. Und statt mit dem Akkordeon und der gezupften Akustischen werden Schlager-Evergreens wie "Ja, ja, die Katja, die hat ja" und "Komm in meinen Wigwam" von verzerrten Gitarrenriffs und testosterongeschwängerten Power-Drums begleitet.
Hat jemand etwas anderes erwartet?
Das Einzige, das unverändert durch die Boxen schallt, ist Heinos unverkennbarer Bariton, der sich mit Vehemenz und altbewährter militanter Rhythmik in den klinisch aufpolierten Edelstahl-Background verbeißt und dabei so manchen Zahn verliert. Stets auf der Suche nach der Original-Melodie kämpft sich Heinos Organ durch musikalische Welten, die von denen, wo Carmen Nebel, Andrea Kiewel oder Florian Silbereisen normalerweise ihre Zelte aufschlagen, in etwa so weit entfernt sind wie Wacken von Familienurlaub.
Auf den instrumentellen Fundamenten von Bands wie Rammstein, Oomph! und Co wandelnd, kommt Heinos Retrospektive so einige Male arg ins Schlingern. Aber hat irgendjemand etwas anderes erwartet? Gibt es wirklich Menschen da draußen, die sich vorstellen können, dass eine Symbiose zwischen Heino und Heavy Metal die eine oder andere bis dato verschlossene Musik-Tür öffnen könnte?
Selbst die Macher von "Schwarz blüht der Enzian" weisen darauf hin, dass die Veröffentlichung "bei aller technischer Finesse zuvorderst Spaß bereiten soll." Das Einzige, was hier wirklich ernst gemeint scheint, ist ein weiterer Frontalangriff auf die Charts-Spitze. Und diesem wird sich hierzulande wohl keiner erfolgreich in den Weg stellen können.
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Quelle: ntv.de