Branche hofft auf Biobeutel-Boom 2015 wird die Biotonne Pflicht
29.12.2014, 13:04 UhrAltes Brot, Obst- und Gemüsereste sind viel zu schade zum Verbrennen. Solche Abfälle können gut für Biogasanlagen und als Dünger verwendet werden. Ab Januar gilt eine bundesweite Sammelpflicht. Am Sinn der Biobeutel gibt es aber Zweifel.
Sie suppen und fangen irgendwann zu stinken an: Abfälle wie Bananen- und Möhrenschalen, vergammelte Tomaten, Teebeutel oder andere Essensreste landen bestenfalls im Kompost, oft aber einfach im Hausmüll, denn separat zu sammeln ist vielen zu beschwerlich. Aber ab dem 1. Januar 2015 gilt eine bundesweite Pflicht zum getrennten Entsorgen von Bioabfällen, so will es das 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz. Wo es keinen Komposthaufen gibt, müssen Biotonnen bereitstehen. Hersteller kompostierbarer Beutel wittern ein großes Geschäft, um Millionen Verbrauchern die Mülltrennung zu erleichtern.
Laut Bundesumweltministerium haben 340 der etwa 400 Stadt- und Landkreise schon eine Biotonne eingeführt. Doch immer noch haben mehrere Millionen Bürger diese nicht und auch keine Möglichkeit, Bioabfälle selbst zu kompostieren. Zuständig sind die kommunalen Entsorger, die Länder müssen die Einhaltung des Gesetzes überwachen und notfalls einschreiten.
Abfall nützt der Landwirtschaft
Die Vorgabe soll auf verschiedenen Ebenen wirken. Da ist zum einen die Energiewende - Biomüll lässt sich zur Energieerzeugung in Biogasanlagen verwenden. Das könnte auch den hohen Maisanteil in der Feldwirtschaft mit all den negativen ökologischen Auswirkungen von Mais-Monokulturen etwas dämpfen. Zum anderen können Bioabfälle als Dünge- oder Bodenverbesserungsmittel in der Landwirtschaft genutzt werden und so herkömmlichen Dünger und Torf ersetzen. "Jeder Einzelne kann hier durch Mülltrennen einen Beitrag leisten", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). "Aus Resten entstehen neue Möglichkeiten zur Nährstoff- und Energiegewinnung."
Nun lässt sich Biomüll nicht einfach in der Plastiktüte entsorgen. Papiertüten sind kompostierbar, durchfeuchten aber recht schnell. Für den Absatz von kompostierbaren Ökobeuteln ist eigens ein Lobbyverband gegründet worden. "Das Marktpotenzial von Bioabfallbeuteln würden wir grob geschätzt auf ungefähr 150 Millionen Beutel pro Jahr in Deutschland beziffern", sagt Katharina Hinse vom Verbund kompostierbare Produkte. Entscheidend ist für eine Zulassung die EU-Norm EN 13432. Diese legt fest, wie weit Beutel sich zersetzen und kompostierbar sein müssen.
Im Moment dürften pro Kopf in Deutschland noch über 62 Kilo an Gemüse-, Obst- und Essensresten und Gartenabfällen im normalen Müll landen. Insgesamt enden also rund 5 Millionen Tonnen Bioabfälle in der Müllverbrennungsanlage. "Spezielle Abfallbeutel können dazu beitragen, dass mehr Bioabfälle getrennt über die Biotonne entsorgt werden", sagt Hinse. Da schlummert großes Potenzial.
Müll ist in Deutschland ein lukratives Geschäft, weil er in hohem Maße wiederverwertet wird, die Biomüll-Sammelpflicht ist der nächste Schritt. BASF hat in Ludwigshafen bereits eine Produktionsanlage mit einer Kapazität von 74.000 Tonnen kompostierbaren Kunststoffen im Jahr. In Modellversuchen, bei denen Haushalte Biobeutel aus kompostierbarem Kunststoff ausgehändigt bekamen, wurden BASF zufolge 20 Prozent mehr Bioabfälle eingesammelt.
Zweifel am Biobeutel
Aber es gibt auch Zweifel daran, ob die Beutel wirklich geeignet und leicht abbaubar sind. Bestandteile sind biologisch abbaubare Polyester, gemischt mit Maisstärke, Zellulose und Polymilchsäure. Hinse betont, bei Tests seien die Beutel nach "zwei Wochen Rotte nachweislich abgebaut" gewesen.
Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe sieht das in der Praxis etwas anders. "Die nötigen Temperaturen von über 60 Grad und 90 Prozent Luftfeuchte schaffen viele Kompostanlagen gar nicht, so dass sie im Ergebnis Plastikfetzen im Kompost haben." Zudem könnten die Biobeutel von normalen Plastiktüten kaum auseinandergehalten werden. "Deshalb sortieren viele Kompostierer das gesamte Plastik noch vor dem Eingang in die Rotte heraus." Auch vor der Vergärung in Biogasanlagen müssten sie erst rausgesucht werden. Fischer Alternative zum teuren Beutel: "Einen verschließbaren Bioabfalleimer mit Zeitungspapier auslegen."
Eine andere Frage ist, ob Bürgern nun Gebührensteigerungen drohen durch den neuen Aufwand. Die Bundesregierung will das nach einer Anfrage der Grünen nicht ausschließen. "Bei extrem dünn besiedelten Regionen können sich möglicherweise überproportionale Kosten- und Abfallgebührensteigerungen ergeben", hieß es. Das Bundesumweltministerium betont, dass mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit eine gute Qualität getrennt gesammelter Bioabfälle zu erreichen sei - "Fehlwürfe" sollen vermieden werden. Vor zwei Jahren wurde in Görlitz mal ein lebendes Kaninchen in einer Biomülltonne entsorgt - das sorgte bundesweit für Schlagzeilen.
Quelle: ntv.de, Georg Ismar, dpa