Von Freundschaftsablehnung bis zum Pornofilm Cybermobbing ist bei Schülern alltäglich
16.05.2013, 18:12 UhrMobbing im Internet ist für die meisten Erwachsenen kein Problem. Für Kinder schon eher. Eine neue Studie zeigt: Fast jeder Fünfte wurde schonmal Opfer von Mobbing-Attacken im Netz. Allerdings definieren die Autoren das Problem auch recht weitläufig. Schon eine abgelehnte Facebook-Freundschaft kann zum Mobbing zählen.
Cybermobbing gehört zum Alltag vieler Kinder und Jugendlicher in Deutschland. Das zeigt eine Untersuchung des Bündnisses für Cybermobbing, die heute veröffentlicht wurde. Von Novemb er 2012 bis Februar 2013 hat der Verein mehrere tausend Schüler, Lehrer und Eltern per Online-Befragung oder ausgedruckten Fragebogen zu verschiedenen Aspekten ihres Umgangs mit Internet und sozialen Netzwerken befragt.
Rund 17 Prozent der befragten Schüler im Alter ab zehn Jahren gaben demnach an, selbst schon einmal im Internet gemobbt worden zu sein. Nicht immer auf dramatische Art und Weise: "Beleidigungen" und das "Nicht-Beantworten von Freundschaftsanfragen" erfasste der Fragebogen ebenso wie die Verbreitung von "peinlichen Fotos" und Gerüchten. Besonders häufig wurde Cyber-Mobbing in der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen registriert.
"Mädchen werden gerne in die Schmuddelecke gestellt, als Schlampe diffamiert", sagt Soziologin und Psychologin Catarina Katzer, die an der Studie mitgearbeitet hat. "Jungen werden oft als "Homosau" fertiggemacht. Man versucht, ihnen Pornos mit Männern anzuhängen", schildert die Forscherin eines Kölner Instituts für Cyberpsychologie.
Zuhause nicht mehr sicher
Katzer, die auch Mitbegründerin des Bündnisses gegen Cybermobbing ist, betont: "Das Cybermobbing kann viel schlimmer und dramatischer sein, als Mobbing auf dem Schulhof im kleinen Kreis. Früher fühlten sich die Opfer zuhause sicher. Aber heute gibt es keinen Schutzraum mehr. Die Cybermobber kommen ins Kinderzimmer." Der Terror laufe oft über einen langen Zeitraum.
Wo es Opfer gibt, da sind auch Täter: Etwa 19 Prozent der Schüler gaben an, auch selbst schon einmal gemobbt zu haben. Häufig angegebene Motive sind "Langeweile" oder "Spaß", aber auch das Ziel, jemanden "fertig zu machen". Das Phänomen Cybermobbing ist demnach alles andere als ein Randthema, es betrifft viele, kommt in allen Schulformen und schon ab dem Grundschulalter vor. Die Sensibilität für das Problem sei auf jeden Falls gewachsen, stellt auch Psychologin Stephanie Pieschl von der Uni Münster fest. "Immer mehr Jugendliche, Eltern, Lehrer und Pädagogen kennen den Begriff."
Studien mit verschiedenen Ergebnissen
Aber: "Cybermobbing ist noch ein relativ junges Forschungsfeld." Frühere Untersuchungen zu dem Thema kommen denn auch zu stark abweichenden Ergebnissen. In einer 2011 von der Techniker Krankenkasse veröffentlichten repräsentativen Umfrage unter 14- bis 20-Jährigen gab mehr als jeder Dritte an, Opfer entsprechender Vorgänge geworden zu sein. Der bekannten Kinderbarometer-Untersuchung vom vergangenen Jahr zufolge waren es unter den Neun- bis 14-Jährigen in Deutschland dagegen lediglich drei Prozent.
Auch die nun vorgelegte Studie des Bündnisses ist nicht zwingend repräsentativ. Sie wurde auf Basis von Online- und Analog-Fragebögen erstellt, die 660 Lehrer, rund 2000 Eltern und 6700 Schülern beantwortet hatten. Bei den Schülern etwa kam ein Viertel der Befragten aus Hamburg, wo lediglich etwa 1,8 Millionen Menschen leben. Bei den Schulformen der Befragten dominierte mit rund 45 Prozent deutlich das Gymnasium.
Am stärksten betroffen sind der Studie zufolge Jugendliche von 14 bis 16 Jahren. Aber schon mit elf und zwölf Jahren nehme das Risiko deutlich zu. "Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing ein deutliches Problem an allen deutschen Schulen ist", schreiben die Autoren. In Haupt- und Realschulen wurden dabei vergleichsweise viele Fälle beobachtet. Aber auch die Grundschulden seien auf dem Vormarsch, warnt Catarina Katzer. Idealerweise müsse die Aufklärung schon in der Kita einsetzen. Das Phänomen tritt insgesamt in den ostdeutschen Bundesländern seltener auf als in den westdeutschen.
Übereifrig in der Selbstdarstellung
Pieschl zufolge kommt das Mobben via Foto und Video zwar vergleichsweise selten vor, belastet die Jugendlichen aber besonders stark. Auch der Verrat von Geheimnissen kränke und verletzte. "Das Schamgefühl, das Verletztsein ist so schlimm wegen der großen Öffentlichkeit", weiß Katzer.
Die Täter haben leichtes Spiel: Gerade auf Jungen und Mädchen in der Pubertät üben soziale Netzwerke wie Facebook auch deshalb große Anziehungskraft aus, weil sie sich dort selbst darstellen könnten. Viele geben daher Privates aller Art preis - und teilen obendrein noch ihre Passwörter mit anderen oder plaudern sie arglos aus. Die Täter agieren aus der Anonymität des Netzes heraus hemmungsloser. Manche nutzten beispielsweise gezielt fremde Mobiltelefone oder Accounts für ihre Attacken, sagt Katzer.
In der Praxis zeige sich, dass Freunde und Eltern wichtige Stützen für die Opfer sein können. "Ein erfolgreicher Ansatz sind die jugendlichen Mobbingberater, also ältere Schüler, die Jüngeren zum Beispiel erklären, was passieren kann, wenn man ein Bikini-Foto postet." Zu tun gibt es noch viel, betont die Expertin: "Das Thema wird uns alle noch richtig lange beschäftigen und fordern."
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa