Ratgeber

Zwischen Lästern und Lobhudelei Recruitment im Bewertungsportal

Es gibt sie für Hotels, Restaurants und längst auch für Arbeitgeber: Bewertungsportale im Internet. Statt sich über die Lästereien im Netz zu ärgern, steuern Firmen inzwischen gegen - und nutzen die Portale, um neue Mitarbeiter zu werben.

Wer den Job wechselt, will sich vorher informieren, wo er landet. Bewertungsportale können dabei helfen.

Wer den Job wechselt, will sich vorher informieren, wo er landet. Bewertungsportale können dabei helfen.

(Foto: dpa)

Es klingt nach einem Horrorjob. Von "schlechter Arbeitsatmosphäre" und "frustrierten Mitarbeitern" ist die Rede, ebenso wie von einer "Zwe i-Klassen-Gesellschaft" und "mehr Schein als Sein". Viel besser lesen sich dagegen die Jobbeschreibungen: "Interessante Aufgaben in einem internationalen Umfeld" und "sehr flexible Arbeitsumgebung, super Kollegen".

Alle Einträge im Arbeitgeberbewertungsportal Kununu beziehen sich auf denselben Konzern - Bosch. Ähnlich wie Hotels oder Cafés können Nutzer auf entsprechenden Portalen auch ihrem Chef ein Zeugnis ausstellen. Unternehmen machen aus der Not nun eine Tugend - und nutzen die Läster-Foren als Recruiting-Instrument.

"In erster Linie sehen wir es als Chance, uns hier als attraktiver Arbeitgeber zu platzieren", sagt Bosch-Personalmarketing-Chefin Vera Winter. Der Technikriese reagiert auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu und Jobvoting nicht nur direkt auf Kritik. Der Technologie-Konzern zahlt dort auch für ein eigenes Profil, auf dem er Ansprechpartner für Bewerbungen nennt oder Vorteile für Mitarbeiter anpreist.

Selbstdarstellung gegen Geld

Das größte Arbeitgeberbewertungsportal Kununu (Umsatz 2012: 1,9 Mio Euro), das seit Jahresbeginn zum Karriere-Netzwerk Xing gehört, finanziert sich über solche Bezahlprofile von Firmen. 700 Unternehmen lassen sich den Auftritt auf dem Portal schon etwas kosten. Je nach Größe können dafür bis zu 1095 Euro monatlich fällig werden, sagt Kununu-Sprecherin Tamara Frast. Seit 2012 ist das Portal mit diesem Geschäftsmodell profitabel.

Beim ersten deutschsprachigen Portal Jobvoting, das sich explizit sowohl an Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber richtet, sind Firmen mit 590 Euro im Jahr für ein sogenanntes Premium-Paket dabei. Dafür bekommen sie unter anderem das Siegel "Empfohlener Arbeitgeber" und können Imagevideos auf der Seite platzieren.

Jobvoting finanziert sich nach eigenen Angaben neben Werbeeinnahmen vor allem aus solchen Bezahl-Paketen. Konkrete Zahlen will das Portal nicht nennen. Betreiber Ronny Skrzeba verrät aber: "Die Umsätze sind fünfstellig, der Gewinn positiv."

Dass sich Firmen den Auftritt auf solchen Seiten durchaus etwas kosten lassen, verwundert nicht: Inzwischen liest jeder vierte Internetnutzer Bewertungen von Arbeitgebern im Netz, wie eine Studie des Branchenverbands Bitkom ergab. Zwei Drittel von denen, die dabei tatsächlich den Job wechseln wollten, ließen sich demnach durch die Bewertungen beeinflussen.

Zu viel Lob ist verdächtig

Manche Firmen schießen dabei aber auch übers Ziel hinaus - und schönen die Einträge, um besser wegzukommen, wie Social-Media-Experte Henner Knabenreich sagt. Knabenreich berät Unternehmen beim Personalmarketing im Netz und hat dabei hinter vorgehaltener Hand von den zweifelhaften Praktiken gehört. "Man kann da definitiv ins Fettnäpfchen treten", warnt er. "Das ist kaum glaubwürdig."

Wer auf Lästerportalen Fachkräfte locken wolle, müsse anders vorgehen. "Es gibt ganz viele Mitarbeiter, die einem Unternehmen loyal ergeben sind", sagt Knabenreich. "Die muss man versuchen zu erreichen."

Kontakt mit potenziellen Bewerbern

Ebenso wie Cafés oder Friseure ihre Kunden und Bewertungen im Netz bitten, gibt es derzeit etwa bei Siemens Überlegungen, nach Bewerbungsgesprächen aktiv auf Bewertungsportale hinzuweisen. "Die Portale spielen zunehmend eine Rolle", sagt ein Siemens-Sprecher. "Es ist ein weiterer Kanal, um Kontakt mit potenziellen Bewerbern aufzunehmen." Auch offene Stellen hat der Elektroriese auf Kununu ausgeschrieben.

Immer wieder gibt es allerdings auch Firmen, die die öffentliche Kritik nicht so gern sehen. "Löschanträge bekommen wir einige", sagt Kununu-Sprecherin Frast. Angenommen werde aber kein einziger. "Da sind wir unbestechlich."

"Einen gefakten Eintrag erkennt man ganz leicht daran, dass er hauptsächlich aus Bewertungen besteht", sagt der Bewerbungsberater Gerhard Winkler. Kommen keine Fakten vor, dafür aber umso öfter Formulierungen wie "ich denke", "ich glaube", "ich finde", sollten User misstrauisch werden.

"Je spezifischer, je konkreter, je faktengebundener ein Eintrag ist, umso glaubwürdiger ist er." Eine sehr positive Bewertung heißt nicht gleich, dass sie gefälscht ist. Aber es sei wahrscheinlicher, dass sie echt ist, wenn der Nutzer besondere Vorfälle schildert und sein Lob damit begründet. Wer misstrauisch ist, sollte sich lieber direkt an einen Mitarbeiter der Firma wenden, etwa über Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn. Grundsätzlich sind Portale zum Bewerten des Arbeitgebers nach Winklers Ansicht hilfreich. "Weil sie eine kleines Gegengewicht zu den Firmen bieten, die ja in der Regel in der mächtigeren Position sind."

Quelle: ntv.de, dpa

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