Pedelecs, E-Bikes, Elektroräder Die Reichweite schrumpft täglich
26.06.2010, 07:00 Uhr"Immer Rückenwind" - so werben die Hersteller für ihre Elektroräder. Der Rückenwind kommt aus der Steckdose und wird in teuren Akkus zwischengespeichert. Deren Kapazität lässt mit der Zeit deutlich nach.

Wird das Hinterrad angetrieben, ist nur eine Kombination mit einer Kettenschaltung möglich
(Foto: Alexander Klement)
Die Fahrradhersteller haben einen boomenden Markt für sich entdeckt. Die Produkte haben viele Namen: Pedelec, E-Bike, Elektrorad. Gemeint sind damit Fahrräder, die zusätzlich mit einem Elektromotor und einem Akku ausgestattet sind. Laut dem Zweirad-Industrie-Verband wurden in Deutschland im vergangenen Jahr bereits 150.000 Pedelecs verkauft. Das sind zwar immer noch unter fünf Prozent der insgesamt in Deutschland verkauften Fahrräder, doch die Tendenz ist stark steigend (2005: 25.000).
Mit dem Begriff Pedelec (Pedal Electric Cycle) sind in der Regel elektrifizierter Zweiräder gemeint, die vor dem Gesetzt als Fahrrad gelten. Diese können ohne Führerschein und ohne Helmpflicht bewegt werden. Pedelecs fahren nicht ausschließlich mit dem Motor. Um den Status eines Fahrrads zu erhalten, muss zur Fortbewegung immer in die Pedale getreten werden. Ausgenommen sind so genannte Schiebehilfen, die das Fahrrad auf bis zu sechs km/h beschleunigen. Außerdem darf der höchstens 250 Watt starke Motor nur bis zu einer Geschwindigkeit bis zu 25 km/h unterstützen. Wird diese Regel eingehalten, haben Pedelecs freie Fahrt auf allen Radwegen.
Es geht noch schneller
Inzwischen gibt es auch eine ganze Reihe von so genannten Speed-Pedelecs oder E-Bikes. Der Motor darf bei diesen Zweirädern bis zu 500 Watt stark sein und schaltet sich erst bei 45 km/h ab. Wer mal auf einem Speed-Pedelec gesessen hat, möchte die geschwindigkeitsgedrosselte Version meist nicht mehr fahren. Der Haken bei der Sache: Speed-Pedelecs sind gesetzlich gesehen keine Fahrräder mehr, sondern Kleinkrafträder nach der Verordnung L1e. Das kann – vor allem in größeren Städten – deutliche Nachteile haben, denn innerstädtisch dürfen Radwege nur benutzt werden, wenn diese auch für Mofas freigegeben sind oder der Motor komplett ausgeschaltet bleibt. Ansonsten muss man auf die Straße, was die Autofahrer bei einer realistischen Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 30 und 40 km/h oft mit Hupkonzerten und wilden Gesten auf den neben der Straße verlaufenden Radweg würdigen. Für die Autofahrer bleibt man ein Fahrradfahrer, der nicht schnell genug ist, um im Stadtverkehr mitzuschwimmen. Da helfen auch Rückspiegel und das Versicherungskennzeichen wenig, die bei den schnellen Pedelecs Pflicht sind. Außerdem ist ein Mofa- oder Autoführerschein erforderlich.
Die Stiftung Warentest hat vor kurzem sieben Elektrofahrräder bis 25 km/h getestet und kommt zu der Einschätzung, dass ein ordentliches Modell erst ab etwa 2000 Euro zu haben ist. In jedem Fall sollte man kein Pedelec ohne ausgiebige Probefahrt kaufen, denn es gibt erhebliche Unterschiede im Fahrkomfort. Der Motor der Pedelecs kann sowohl in der Hinterrad- als auch in der Vorderradnabe oder in der Mitte als Tretlagerantrieb platziert sein. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Fahreigenschaften. Die Stiftung Warentest kommt hierbei zu der Überzeugung, dass der Mittelmotor für das ausgewogenste Fahrgefühl sorgt.
Platzierung des Akkus entscheidend
Wer keine Steckdose in der Garage oder am Abstellplatz des Pedelecs hat, sollte sich genau die Platzierung des Akkus ansehen. Einige Hersteller setzen hierbei auf Tarnung, so dass das Pedelec optisch dem Fahrrad ganz nahe ist und verbauen den Akku im Rahmen. Bei anderen Herstellern lässt sich der Akku in sekundenschnelle aus der Haltevorrichtung herausnehmen und zum Laden mit in die Wohnung nehmen. Dabei sollte man auch bedenken, dass Pedelecs fünf bis zehn Kilo schwerer sind als Fahrräder – also auch schon mal 30 Kilogramm wiegen können. Die Lust, das Rad täglich in den Keller zu tragen, wird schnell abnehmen.
Das größte Problem bei den Pedelecs bleibt der Akku. Nach Recherchen der Stiftung Warentest kostet ein Nachkauf zwischen 500 und 680 Euro. Für diesen Betrag kauft sich ein normaler Radler schon ein komplett neues Fahrrad. Unmittelbar mit der Akkuleistung hängt auch die Reichweite zusammen. Hier betreiben die Hersteller gerne mal Schönrechnerei. Mit einer Akkuladung soll man da 80 bis 100 Kilometer weit kommen. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn man dem Akku wenig Leistung entlockt und auf der untersten der meist zwei- bis vierstufigen Unterstützungsstufen fährt.
Unmittelbar damit hängen auch die Gesamtangaben zusammen, für wie viele Kilometer ein Akku reichen soll. Rechnerisch ergibt sich natürlich aus beispielsweise 50 Kilometern pro Akkuladung und 500 Ladezyklen eine Reichweite von 25.000 Kilometern. Dieser Wert wird in der Realität nur schwer erreichbar, ohne dass man erhebliche Einschränkungen hinnimmt.
Reichweite schwindet
Das verdeutlicht ein Beispiel. Wir fahren bei n-tv.de seit eineinhalb Jahren unterschiedliche Räder mit dem weit verbreiteten Antrieb von Panasonic Probe. Dabei kommt ein Akku mit 26 Volt und zehn Amperestunden zum Einsatz. Auf mittlerer Unterstützungsstufe wird die eigene Tretkraft verdoppelt. Als Teststrecke dient ein 15 Kilometer langer Weg zur Arbeitsstelle ohne nennenswerte Steigung in Berlin. Anfangs war es problemlos möglich, diese Strecke vier Mal mit einer Akkuladung zurückzulegen. Doch es hat nicht lange gedauert, bis der Akku auf der vierten Teilstrecke schlapp gemacht hat und man mit ausschließlicher Muskelkraft nach Hause kommen musste. Deshalb erfolgte das Laden des Akkus alle 45 Kilometer. Mittlerweile hat der Akku rund 7000 Kilometer auf dem Buckel. Laut Anzeige hat der Akku noch 80 Prozent seiner anfänglichen Kapazität. In der Realität kann man aber froh sein, wenn man die 30 Kilometer für eine Hin- und Rücktour noch schafft.
Das Beispiel zeigt, dass die Hersteller vielleicht Recht haben mögen, wenn sie von einer Akku-Gesamtreichweite von 20.000 Kilometern sprechen. In der Praxis wird es allerdings zunehmend schwieriger, wenn mit einer Akkuladung immer weniger Kilometer zurückgelegt werden können. Noch problematischer fällt die Bilanz bei den schnellen Pedelecs aus, da die höhere Leistung auch deutlich schneller den Akku leert. In Sachen Akkutechnik haben die Zulieferer also noch eine Mammutaufgabe zu erledigen. Wesentlich mehr Kapazität muss bei gleichem oder geringerem Preis in die Akkus – nur so wird man dauerhaft Spaß am eigenen Pedelec haben.
Quelle: ntv.de