Selenskyj spricht von Erfolg Gipfelteilnehmer formulieren Forderungen an Russland
16.06.2024, 04:55 Uhr Artikel anhören
Der Friedensgipfel in der Schweiz wird der Ukraine keinen Frieden bringen, so viel ist schon vor Beginn der Veranstaltung klar. Einige der teilnehmenden Länder hätten es lieber gesehen, wenn auch Kreml-Vertreter mit am Tisch sitzen würden. Doch erst einmal geht es darum, Russland überhaupt als Aggressor zu benennen.
Mit dem Entwurf für eine Abschlusserklärung ist in der Schweiz der erste Tag des Ukraine-Gipfels zu Ende gegangen. Darin wird Russland für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht, der großes menschliches Leid und Zerstörung gebracht habe. Russland wird zur Achtung der territorialen Integrität der Ukraine ermahnt. Außerdem wird gefordert, dass Kiew die Kontrolle über das Atomkraftwerk Saporischschja und den Zugang zu seinen Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer zurückerhält. Alle ukrainischen Kriegsgefangenen müssten freigelassen und aus der Ukraine deportierte Kinder in ihre Heimat zurückgebracht werden. Eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine im Zusammenhang mit dem laufenden Krieg sei unzulässig.
Staats- und Regierungschefs aus mehr als 90 Ländern versuchen bei dem Treffen, einen breiteren Konsens für Friedensverhandlungen für die Ukraine zu finden. "Heute ist der Tag, an dem die Welt beginnt, einem gerechten Frieden näher zu kommen", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der den Gipfel als Erfolg bezeichnete.
Einige Länder bemängelten die Abwesenheit Russlands als Hindernis für ein Vorankommen. Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud sagte, glaubwürdige Gespräche würden schwierige Kompromisse erfordern. Saudi-Arabien wird zusammen mit der Türkei als möglicher Gastgeber einer Folgekonferenz gehandelt, an der dann auch Russland teilnehmen könnte. Beide Länder haben sich nach Kriegsbeginn nicht mit dem Kreml überworfen. Wann eine solche Konferenz stattfinden könnte, ist völlig offen. "Wir sind da noch weit weg von", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor Beginn des Gipfels. Der Friedensprozess sei ein zartes Pflänzchen, das jetzt gegossen werden müsse.
Die Forderungen nach einer Beteiligung Russlands an den Verhandlungen würden mit der Zeit lauter, so Bob Deen vom niederländischen Thinktank Clingendael Institute. "Es besteht das Risiko, dass konkurrierende Veranstaltungen entstehen, wenn die Ukraine zu lange wartet. Sie könnte Gefahr laufen, die Initiative zu verlieren", so Deen auf einem Forum am Rande des Gipfels. Russland war zu dem Gipfel nicht eingeladen worden.
Russlands Freunde halten sich zurück
Die Schweizer Gastgeber bemühten sich aber darum, möglichst viele mit Russland befreundete Länder mit an den Tisch zu bekommen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Mit China sagte der wichtigste Verbündete Russlands ganz ab. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der indische Ministerpräsident Narendra Modi nahmen zwar die lange Reise nach Europa auf sich, um am Freitag am G7-Gipfel teilzunehmen. Die gleich daran anschließende Schweizer Konferenz schenkten sie sich aber. Brasilien ist nun nur als Beobachter dabei, Indien schickte laut Teilnehmerliste nur einen Staatssekretär aus dem Außenministerium. Für Südafrika ist der nationale Sicherheitsberater dabei.
Ernsthafte Bemühungen um eine Friedenslösung gab es zwischen Russland und der Ukraine bisher nur kurz nach der Invasion 2022. Vor der Schweizer Konferenz veröffentlichte die US-Zeitung "New York Times" die damaligen Vertragsentwürfe. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag versucht, sie als unterschriftsreife Vereinbarung darzustellen. Den Dokumenten nach war die Ukraine damals bereit, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten und blockfrei zu bleiben. Die Frage der von Russland annektierten Halbinsel Krim sollte vertagt werden. Moskau versuchte aber, die von Kiew erhofften Sicherheitsgarantien anderer Länder wie der USA auszuhebeln. Laut "New York Times" sind in den vergangenen Monaten schon mehrere Zeithistoriker zu dem Schluss gekommen, dass beide Seiten auch 2022 weit von einer Einigung entfernt waren.
Quelle: ntv.de, ino/dpa/rts