Hypercar aus ChinaBYDs YangWang U9 glänzt mit Tausenden PS - aber hat er auch Charakter?
Patrick Broich
Mit dem YangWang U9 stellt der BYD-Konzern mal eben ein Hypercar auf die Räder, um selbst im maximal exklusiven Segment mitzuspielen. Doch mit einer Entwicklung hat die Marke weniger gerechnet. ntv.de hat den Boliden gefahren.
Wer sagt denn, dass chinesische Marken keine aufregenden Autos bauen? Schon mal den YangWang U9 in Augenschein gekommen? Das ist ein Traumauto durch und durch - jedenfalls in puncto Auftritt. Der flache Supersportler versprüht McLaren-Vibes mit seiner flachen Front und dem martialischen Heck samt typischer Diffusor-Grafik. Und dort, wo man eine Heckscheibe wähnt, findet sich ein visuell ansprechender Lamellen-Einsatz.
Lamborghini Miura lässt grüßen, optisch jedenfalls. Und am Ende gelang es dem Unternehmen, bei aller Emotionalität optisch immer noch die Markenzugehörigkeit zu wahren - das ist schon ein ganz cooler Move. Unter der emotionalen Außenhaut steckt die wandelbare "e4"-Plattform - zur Erinnerung, auch der schwere Offroader U8 nutzt sie. Aber hier liegen die Dinge trotzdem anders. Für den 4,97 Meter langen U9 haben die Techniker ein Carbon-Monocoque entwickelt, klotzen und nicht kleckern ist angesagt. Man könnte sagen, dieser Bolide spielt nicht bloß Supersportler, er ist einer.
Und dann kommen noch Rekorde und Auszeichnungen dazu. Schnellster Stromer auf der Nordschleife mit 6 Minuten und 59 Sekunden plus schnellster Highspeed-Kandidat auf der Teststrecke, herausgefunden in Papenburg - dort erreichte die sogenannte "Xtreme"-Variante rund 496 km/h.
Dabei handelt es sich allerdings um eine extrem limitierte Ausgabe - von dem 3000-PS-Biest sollen bloß 30 Stück gebaut werden. Doch hier auf dem firmeneigenen Testgelände am Rande von Zhengzhou hat das YangWang-Team "nur" die Basis-Variante des U9 dabei, die man kaufen kann, allerdings noch nicht in Europa. Dabei wäre das ein interessantes Experiment, vor allem in Deutschland. Wie gut performt eigentlich ein Hypersportler mit 1360 PS dauerhaft auf Autobahn und Nordschleife? Das bleibt wohl einstweilen ein gut gehütetes Geheimnis.
Kurzer, aber heftiger Turn
Aber jetzt wird erst einmal gefahren, jedoch mit Instruktor auf dem Beifahrersitz und ziemlich limitierendem Streckenlayout. Also Scherentür auf und hinein in den U9 durch die hinreichend großen Öffnungen - der Einstieg gelingt schon mal bequem. Und dann kurz umsehen: Da ist reichlich Display - okay, das muss heutzutage auch bei einem maximalen Athleten sein. Und kann man zwischen verschiedenen Fahrmodi wählen, es gibt sogar eine "Comfort"-Stufe. Wichtig zu wissen ist dabei, dass der U9 mit ausgeklügelter Aero punktet - ein vierfach verstellbarer Spoiler entscheidet über mehr Abtrieb oder mehr Längsdynamik. Querkompetent sollte er also sein.
Der Turn hier auf dem Track ist leider nur kurz, aber dafür richtig heftig. Klar schiebt das Hypercar mit seinen vier Motoren á 326 PS wie wild, aber bevor man den Vortrieb richtig realisieren kann, muss man schon die bissig packende Keramikbremse arbeiten lassen. Und ordentlich mit dem griffigen Lenkrad arbeiten. Beim Laden soll das Ausnahme-Fahrzeug ebenfalls zügig sein - das Werk nennt zehn Minuten für den Hub von 30 auf 80 Prozent für den 80-kWh-Akku.
Was BYD hier realisiert hat, ist schon ein ernst zu nehmendes Projekt mit technischen Highlights. Allein das Cell-to-Body-Konzept mit integriertem Batteriegehäuse in die Monocoque-Struktur ist schon aller Ehren wert - das ist Lotus- oder Rimac-Level pur. Dann noch ein paar Marketing-Begriffe streuen wie "DiSus-X" - das steht für ein hochvariables aktives Fahrwerk mit einer Mischung als Luftfederung sowie komplexer Hydraulik (eine Tonne Hubkraft) und Echtzeit-Reaktionsfähigkeit.
Richtig schnell wird man hier auf dem Track allerdings nicht, und daher bleibt eine interessante Frage unbeantwortet: Wie gut schneidet eigentlich die Kühlperformance des U9 ab? Kann man auch mal längere Abschnitte oberhalb von 200 km/h fahren, ohne dass signifikantes Derating einsetzt? Und funktionieren Beschleunigungsorgien bis zur Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h zuverlässig reproduzierbar?
Das ist nämlich der Punkt, an dem viele leistungsstarke batterieelektrische Fahrzeuge aussteigen. Plus: Leistung, die früher Hypercars zugeschrieben wurden, verliert langsam ihre Faszination. Gerade jüngst wurde der elektrische Porsche Cayenne vorgestellt mit 1156 PS Maximalleistung - im Gewand eines recht bürgerlich aussehenden SUV. Fast schon kein Aufreger mehr, zumal Porsche mit einem absolut standfesten Highspeed-Layout mit vergleichsweise moderaten 165.000 Euro in diese Topliga einsteigt.
Mit dieser Entwicklung hat die Marke vielleicht nicht gerechnet. Außerdem sind im Supercar-Bereich Werte wie Charakter und Heritage von großer Bedeutung, hier muss China noch mächtig aufholen. Dennoch hat der kleine Ausritt mit dem YangWang U9 zumindest Appetit ausgelöst und Neugier darauf, wie er unter freieren Bedingungen abliefert. Ob die Marke allerdings die Challenge annimmt und in den anspruchsvollen europäischen Markt geht, bleibt abzuwarten. Spannend wäre es allemal.